Warum Tiere einander helfen
Nach der Evolutionstheorie vermehren sich nur die besten Individuen und prägen damit die Spezies. Damit lässt sich aber kooperatives Verhalten zum Beispiel von Honigbienen nicht erklären. Der Biologe Lee Alan Dugatkin hat ein unterhaltsames Buch darüber vorgelegt, wie in der Geschichte der Evolutionstheorie mit dieser Frage umgegangen wurde und wird.
Das Problem waren die Bienen. Sie passten nicht in die Theorie und machten damit Charles Darwin fast verrückt. Denn gemäß der Vorstellung einer natürlichen Selektion, die Darwin in den 1840er und 50er Jahren entwickelte, werden nur solche Merkmale über die Generationen vererbt, die den Reproduktionserfolg eines Individuums erhöhen.
So sind etwa Wölfe, die besser jagen, auch besser genährt und haben dann auch mehr Junge. Und diese Jungen bekommen von ihren Eltern die Anlagen zum guten Jagen vererbt, womit die Spezies Wolf insgesamt im Verlauf ihrer Entwicklung immer bessere Jagdeigenschaften erhält. Die Evolution der Art hängt also vom Individuum ab: nur die besten Individuen vermehren sich und prägen damit die Spezies.
Wie lässt sich dann aber eine Art wie die Honigbiene erklären, die auf einer sozialen Arbeitsteilung beruht, in der die Arbeiterinnen zum Wohle des Bienenstocks selbstlos schuften und sich auch noch in Verteidigungsaktionen aufopfern, dabei aber steril sind, sich also nicht vermehren? Das kleinere Problem ist dabei die Tatsache, dass die Arbeiterinnen entgegen aller evolutionstheoretischen Erwartung nicht egoistisch zu agieren scheinen; das größere liegt in der Frage, wie sich diese Selbstlosigkeit von Generation zu Generation weitervererben kann, da sich doch genau die Trägerinnen dieser Eigenschaft nicht fortpflanzen?
Die Frage nach der artspezifischen Vererbung altruistischen oder nur schon kooperativen Verhaltens hat die Evolutionstheorie seit Darwin beschäftigt; der amerikanische Biologe Lee Alan Dugatkin hat der Geschichte dieser Frage jetzt ein informatives und unterhaltsames Buch gewidmet.
Darin erklärt er nicht nur die Entwicklung der Evolutionstheorie, sondern zeichnet auch lebhafte Porträts der zum Teil höchst farbigen Wissenschaftler-Gestalten, welche sie geprägt haben. Vom anarchistischen russischen Großfürsten Kropotkin, der Sibirien bereiste und überall selbstloses Gruppenverhalten beobachtete, bis zum pazifistischen Quäker Warder Clyde Allee, der in Chicago Experimente mit Asseln anstellte, ist alles dabei.
Während Kropotkin gegenseitige Hilfe und Kooperation als allgemeines Merkmal von Gruppen oder Arten sah, vermuteten Darwin und sein engster Mitstreiter Thomas Huxley, dass die Vererbung altruistischen Verhaltens mit Blutsverwandtschaft erklärt werden kann, dass sich also artspezifische Selbstlosigkeit nur im Rahmen der genetisch engverwandten Familie ausprägt und weitervererbt - eine Vermutung, die im 20. Jahrhundert in mathematische Formeln gebracht wurde und mittlerweile allgemein in der Evolutionstheorie akzeptiert wird.
Dugatkin beschreibt anschaulich nicht nur das theoretische Problem, sondern auch das Umfeld, in dem die Wissenschaftler auf ihre Resultate kamen und er setzt die naturwissenschaftlichen Experimente und Ergebnisse immer wieder in Bezug zu den politischen Überzeugungen und Idealen der Evolutionstheoretiker. Denn obwohl diese von Anfang an immer wieder betonten, dass man aus der Beschreibung der Natur nicht direkt auf menschliche Moral schließen könne, spielten doch ihre Vorstellungen davon, was die menschliche Gesellschaft ist und sein sollte, im Hintergrund auch immer eine Rolle bei ihrer Beschreibung der Natur.
Die Gefahr des "Sozialdarwinismus", der vorschnellen Übertragung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse ins Gebiet der Ethik und Politik, begleitet die Evolutionstheorie seit ihren Anfängen, so lernt man bei Dugatkin. Illustriert wird das in augenfälliger Weise auch vom deutschen Titel des Buches, der sich vor dem Hintergrund des Buchinhaltes als peinlicher Fehlgriff erweist: um "Güte" in einem moralischen Sinne geht es in den evolutionstheoretischen Debatten um artspezifischen Altruismus und Kooperation genau nicht.
Rezensiert von Catherine Newmark
Lee Alan Dugatkin: Wie kommt die Güte in die Welt? Wissenschaftler erforschen unseren Sinn für den Anderen
Aus dem Amerikanischen von Kurt Beginnen
Berlin University Press, Berlin 2008.
184 Seiten. 22,80 EUR
So sind etwa Wölfe, die besser jagen, auch besser genährt und haben dann auch mehr Junge. Und diese Jungen bekommen von ihren Eltern die Anlagen zum guten Jagen vererbt, womit die Spezies Wolf insgesamt im Verlauf ihrer Entwicklung immer bessere Jagdeigenschaften erhält. Die Evolution der Art hängt also vom Individuum ab: nur die besten Individuen vermehren sich und prägen damit die Spezies.
Wie lässt sich dann aber eine Art wie die Honigbiene erklären, die auf einer sozialen Arbeitsteilung beruht, in der die Arbeiterinnen zum Wohle des Bienenstocks selbstlos schuften und sich auch noch in Verteidigungsaktionen aufopfern, dabei aber steril sind, sich also nicht vermehren? Das kleinere Problem ist dabei die Tatsache, dass die Arbeiterinnen entgegen aller evolutionstheoretischen Erwartung nicht egoistisch zu agieren scheinen; das größere liegt in der Frage, wie sich diese Selbstlosigkeit von Generation zu Generation weitervererben kann, da sich doch genau die Trägerinnen dieser Eigenschaft nicht fortpflanzen?
Die Frage nach der artspezifischen Vererbung altruistischen oder nur schon kooperativen Verhaltens hat die Evolutionstheorie seit Darwin beschäftigt; der amerikanische Biologe Lee Alan Dugatkin hat der Geschichte dieser Frage jetzt ein informatives und unterhaltsames Buch gewidmet.
Darin erklärt er nicht nur die Entwicklung der Evolutionstheorie, sondern zeichnet auch lebhafte Porträts der zum Teil höchst farbigen Wissenschaftler-Gestalten, welche sie geprägt haben. Vom anarchistischen russischen Großfürsten Kropotkin, der Sibirien bereiste und überall selbstloses Gruppenverhalten beobachtete, bis zum pazifistischen Quäker Warder Clyde Allee, der in Chicago Experimente mit Asseln anstellte, ist alles dabei.
Während Kropotkin gegenseitige Hilfe und Kooperation als allgemeines Merkmal von Gruppen oder Arten sah, vermuteten Darwin und sein engster Mitstreiter Thomas Huxley, dass die Vererbung altruistischen Verhaltens mit Blutsverwandtschaft erklärt werden kann, dass sich also artspezifische Selbstlosigkeit nur im Rahmen der genetisch engverwandten Familie ausprägt und weitervererbt - eine Vermutung, die im 20. Jahrhundert in mathematische Formeln gebracht wurde und mittlerweile allgemein in der Evolutionstheorie akzeptiert wird.
Dugatkin beschreibt anschaulich nicht nur das theoretische Problem, sondern auch das Umfeld, in dem die Wissenschaftler auf ihre Resultate kamen und er setzt die naturwissenschaftlichen Experimente und Ergebnisse immer wieder in Bezug zu den politischen Überzeugungen und Idealen der Evolutionstheoretiker. Denn obwohl diese von Anfang an immer wieder betonten, dass man aus der Beschreibung der Natur nicht direkt auf menschliche Moral schließen könne, spielten doch ihre Vorstellungen davon, was die menschliche Gesellschaft ist und sein sollte, im Hintergrund auch immer eine Rolle bei ihrer Beschreibung der Natur.
Die Gefahr des "Sozialdarwinismus", der vorschnellen Übertragung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse ins Gebiet der Ethik und Politik, begleitet die Evolutionstheorie seit ihren Anfängen, so lernt man bei Dugatkin. Illustriert wird das in augenfälliger Weise auch vom deutschen Titel des Buches, der sich vor dem Hintergrund des Buchinhaltes als peinlicher Fehlgriff erweist: um "Güte" in einem moralischen Sinne geht es in den evolutionstheoretischen Debatten um artspezifischen Altruismus und Kooperation genau nicht.
Rezensiert von Catherine Newmark
Lee Alan Dugatkin: Wie kommt die Güte in die Welt? Wissenschaftler erforschen unseren Sinn für den Anderen
Aus dem Amerikanischen von Kurt Beginnen
Berlin University Press, Berlin 2008.
184 Seiten. 22,80 EUR