Warum nicht gleich so?

Von Günter Hellmich |
Warum nicht gleich so? fragt sich der naive Betrachter der Berliner Politszene angesichts der klaren Mehrheit für die neue Bundestagsvizepräsidentin von der Linkspartei.PDS. Der monatelange Streit über eine Personalfrage, die sonst nach parlamentarischer Tradition im Konsens entscheiden wird - war schlichtweg überflüssig.
"Warum nicht gleich so?" kann man mit Recht jene Abgeordneten fragen, die Bisky viermal durchfallen ließen, und damit der PDS das Gewohnheitsrecht aller Bundestagsparteien streitig machten, ihren Vertreter im Präsidium zu nominieren. Niemand wird es Parlamentariern anderer Parteien verübeln können, wenn sie in Lothar Bisky nicht ihren Wunschkandidaten fürs Vizepräsidentenamt sahen. Jedoch hätte es nicht gereicht, die Bedenken mit einer ausreichenden Anzahl von Gegenstimmen unterhalb der Ablehnungsgrenze zu artikulieren - spätestens im zweiten Wahlgang wäre das wohl zu arrangieren gewesen?

Mit der spektakulären Ablehnung Biskys bis in den vierten Wahlgang hinein hat man der PDS wieder einmal die Gelegenheit gegeben, sich den ostdeutschen Wählern als Partei der Diskriminierten zu präsentieren. Kontraproduktiv für die politischen Gegner der Linkspartei war die konsequente Ablehnung Biskys auch deshalb, weil sie die neue sehr heterogene Bundestagsfraktion der Linken erstmal in Solidarität zusammenschweißte.

"Warum nicht gleich so?" muss man, nach der problemlosen Wahl von Petra Pau sehr nachdrücklich allerdings auch die PDS fragen. Mit Gesine Loetzsch, die wie Petra Pau über eine lange Parlamentserfahrung in Bundestag und Berliner Abgeordnetenhaus verfügt, stand von Anfang an eine für die anderen Parteien unbedenkliche Kandidatin zur Verfügung.

Man entschied sich aber gegen sie und für Bisky. Obwohl klar sein musste, dass ein Parteivorsitzender nicht allen dafür, prädestiniert erscheint, in der Funktion des stellvertretenden Parlamentspräsidenten parteipolitische Unabhängigkeit walten zu lassen - noch dazu wenn er der Chef der PDS ist. Weitere Argumente gegen seine Akzeptanz waren die Stasivorwürfe und der Umstand, dass Bisky neben seinem Bundestagsmandat durch den Vereinigungsprozess der Linkspartei mit der WASG genug gefordert sein dürfte.

Angesichts dessen kann man annehmen, dass die Ablehnung Biskys spätestens nach der zweiten Niederlage billigend in Kauf genommen wurde, um den Märtyrereffekt im Wahlkampf zu nutzen. Mit dem heutigen Tage ist dafür endgültig geklärt, dass DDR-Biographien im Bundestag nicht geächtet werden: Die Bundeskanzlerin, ehemalige FDJ-Sekretärin, auf der Regierungsbank sitzt einer amtierenden Parlamentspräsidentin gegenüber, die 1989 SED-Mitglied und Mitarbeiterin des Zentralrats der Freien Deutschen Jugend war.