Warum erfolgreiche Familienunternehmen verschwinden

Keinen Bock auf Verantwortung?

"Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe" steht an einer Vitrine in Göhren auf der Insel Rügen, aufgenommen 2014
Pro Jahr müssen in Deutschland rund 27.000 Unternehmen mangels Nachfolger schließen. © picture alliance / Wolfram Steinberg
Von Mirko Heinemann · 06.03.2018
Die deutsche Wirtschaft boomt, dem Mittelstand geht es gut. Dennoch verschwinden viele erfolgreiche Unternehmen vom Markt, weil es ihren Inhabern nicht gelingt, einen passenden Nachfolger zu finden. Aber warum will keiner die eingeführten Unternehmen haben?
"Was fehlt, ist die Risikobereitschaft und das kaufmännische Denken."
"Man findet viel leichter eine gut dotierte Anstellung, ohne das Risiko einer unternehmerischen Selbstständigkeit einzugehen."
"Ich würde jedem Elternteil empfehlen, dass sie da auch die Kinder frei lassen, etwas anders zu erkunden und dann vielleicht in das Familienunternehmen einzutreten. Bei mir war das auch so."
"Ab dem Moment der Unternehmensübernahme steht man im vollen finanziellen Risiko. Das ist schon auf der einen Seite eine gewisse Belastung, auf der anderen Seite sagt man natürlich: Jetzt bin ich endlich soweit, jetzt kann ich anfangen, in meinem Unternehmen zu arbeiten."
"Ich mach den Laden jetzt bis ich 70 bin, und dann geht das Ding selber zu Ende. Das ist ja durchaus eine Option, die man wählen kann, warum nicht? Dann sitzt man irgendwann noch mit der Assistentin, mit der man morgens ein Glas Sekt trinkt und verbringt den Tag im Büro. Kann ja auch schön sein."
"Zukunftspläne? Ich suche einen engagierten und qualifizierten Restaurator zur Unterstützung und Mitarbeit, der zu einer mittelfristigen Betriebsübernahme bereit ist. Mein Betrieb hat einen hohen Bekanntheitsgrad bei den Vergabestellen und kann hochwertige Referenzen vorweisen. An Maschinen, Baustelleneinrichtung und Werkzeuge für die Holzbearbeitung ist eine übliche Standardeinrichtung vorhanden."
"Wir haben den hinteren Teil bis dahinten verkauft. Und wir müssen bis zum 1. Mai räumen."

Nach 50 Jahren macht der Betrieb dicht

In diesem Jahr würde die Schreinerei und Bildhauerei Hubert Labisch aus Unterpleichfeld bei Würzburg ihr 50-jähriges Bestehen feiern. Leider geschieht das Gegenteil. Hubert Labisch wird nicht feiern. Er wird schließen.
"Das war die eigentliche Werkstatt jetzt. Kreissägen, Honmaschinen, alles was der Schreiner halt braucht, das war hier dringestanden. Und das was hier noch rumsteht, auf den Wegen, das ist alles, was sich in 50 Jahren angesammelt hat."
In den besten Zeiten hatte er zwölf Angestellte. Rund eine Million Umsatz pro Jahr wurde hier erwirtschaftet. Bis zuletzt hoffte der 71-Jährige noch, ein Nachfolger würde sein Lebenswerk weiterführen. Vergebens. Jetzt ist er dabei, seine Werkstatteinrichtung zu verkaufen. Die Werkstatt, mehrere Räume und eine Halle, schließt sich direkt an der Rückwand seines Wohnhauses an.
"Da hat eine Formatkreissäge gestanden. Da war eine große Absaugung, die Rohre sind noch da. Die hab ich schon verkauft, die werden dieses Wochenende abgebaut. Das waren die einzelnen Anschlüsse von denen."
Am 1. Mai 2018 wird die Schreinerei Hubert Labisch Geschichte sein.
Unter Denkmalpflegern in ganz Europa ist der fränkische Betrieb ein Begriff. Labisch hat die hölzerne Kassettendecke im Augsburger Rathaus restauriert, er gehörte zu den Restauratoren des Parlaments im schottischen Edinburgh und hat im Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gearbeitet. Im Wiener Stadtpalais Liechtenstein hat er in fünfjähriger Arbeit Wand- und Fensterverkleidungen und die Türen erneuert.
"Ich will mich nicht loben, aber es hat geheißen überall: Der Labisch ist teuer, aber er ist der beste."

Die Kinder wollen die Firma nicht übernehmen

1968 hat sein Vater den Betrieb in Unterpleichfeld gegründet. Sohn Hubert war damals bei ihm angestellt, es war keine Frage, dass er den Betrieb übernehmen würde, wenn der Vater ausschied. Nun ist Hubert Labisch 71. Zwei Töchter und einen Sohn hat er, alle sind erwachsen.
"Die Älteste ist Lehrerin. Der Sohn, der hat zwar bei uns Schreiner gelernt, aber er hat dann Produktdesign studiert und hat da sein Auskommen damit. Und es gefällt ihm. Er konnte mit Denkmalpflege auch nicht viel anfangen. Uns war schon praktisch länger klar, dass wir irgendwann mal aufhören, eventuell mal übergeben, aber das hat eben nicht funktioniert."
Jetzt wird Hubert Labisch nicht nur seinen Betrieb verkaufen, sondern auch sein dazugehöriges Wohnhaus, das direkt an der Schreinerei anliegt. Dafür wird er das Grundstück teilen und ein altes Lager zu einem neuem Wohnhaus umbauen.
Wo einst gehobelt, gesägt und gehämmert wurde, wird künftig Stille einkehren. Der neue Eigentümer will in den Hallen Oldtimer unterstellen. Wenn Hubert Labisch das erzählt, wirkt er, als könne er es selbst kaum glauben. Er hebt die Brauen, wiegt den Kopf und schaut resigniert durch seine Brille, wenn er über seine vergebliche Suche nach einem Nachfolger spricht.
"In der Wiener Zeit hab ich einen gehabt, wo sogar die Überlegung stark war, dass er das für mich übernimmt. Der hat bis jetzt immer allein gearbeitet, und da hatte er plötzlich die Verantwortung für acht Leute. Und der ist dann auch abgesprungen."

Geringes Gründungsinteresse

Das erzählen viele Unternehmer über ihre Suche nach einem Nachfolger. Selbst wenn sie Experten im eigenen Betrieb für die Nachfolge begeistern können – wenn es darum geht Ernst zu machen, ziehen sie häufig zurück.
"Das hat aber auch damit zu tun dass wir in diesem Lande im Vergleich der Industrienationen ein relativ geringes Gründungsinteresse haben. Da gibt es Studien, die zeigen, dass wir da leider auf einem der hinteren Plätze im Konzert der der Industrienationen angesiedelt sind, obwohl wir eine sehr gute Förderlandschaft in Deutschland haben."
Sagt Marc Evers, Experte für Unternehmensnachfolge vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag DIHK. Evers bündelt die Informationen, die von den regionalen Industrie-und Handelskammern einlaufen. Er ist besorgt. Denn jedes Jahr kommen mehr Unternehmer zur Beratung der IHKs, weil sie keinen Nachfolger finden.
Woran liegt das? Sind junge Menschen heute weniger risikobereit als früher? Geben sie sich lieber der Sicherheit einer festen Anstellung hin, mit Arbeitsvertrag, Arbeitslosenversicherung und festen Arbeitszeiten, statt das Abenteuer zu suchen? Hat die viel beschworene "Generation Y" keinen Bock auf Verantwortung?
"Im Zuge einer altersbedingten Nachfolgeregelung steht ein hoch attraktives gesundes Handelsgeschäft für hochwertige Investitionsgüter und Möbel, für private Haushalte zum Verkauf. Das hervorragend in den Markt eingeführte, gesunde Berliner Handelsunternehmen erwirtschaftet Umsatzerlöse in der Größenordnung von zwei Millionen Euro mit einer stabilen Handelsmarge von etwa 35 Prozent, die nachhaltige Erträge sicherstellt."
2015 waren es 6400 sogenannte Senior-Unternehmer, von denen 40 Prozent keinen Nachfolger gefunden haben, schätzt Marc Evers. Das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn rechnet damit, dass etwa 27.000 Unternehmen pro Jahr mangels Nachfolger nicht weitergeführt werden, obwohl sie am Markt erfolgreich sind. Woran fehlt es?
"Das ist Neugier, Freude an der Eigenverantwortung. Ein gewisser Wettbewerbsspirit. Und eben auch eine gewisse Zuversicht, ein Positiv-Denken. Und auch die Bereitschaft, Herausforderungen anzugehen und Risiken zu übernehmen."

Über Umwege ins Familienunternehmen

Wettbewerbsspirit? Davon gibt es bei der Uplegger Food Company aus Langenhagen bei Hannover reichlich. Seniorchef Kay Uplegger, kräftiger Händedruck, wirkt viel jünger als Ende 50. Seine beiden Söhne Ken und Konstantin, beide Ende 20, sind ebenfalls gekommen. Die drei Upleggers wirken in ihrem Auftreten sehr bestimmt. Konstantin Uplegger, 28, wird gerade von seinem Vater im Unternehmen eingearbeitet.
"Wenn wir zusammenarbeiten, wird’s schon mal auch laut. Man streitet auch. Aber grundsätzlich glaube ich, das ist es schon eine harmonische, gut funktionierende Zusammenarbeit."
Der designierte Nachfolger hat mit 18 Abitur gemacht, in einer Molkerei in England gearbeitet, in Russland studiert und in mehreren Handelsunternehmen praktiziert. Fast wäre er als Angestellter bei einer großen Handelskette geblieben. Eine Übergangsfrist von einigen Monaten nutzte er, um im väterlichen Unternehmen zu arbeiten.
"Und dann habe ich hier in Projekt für einen Lagerumzug angefangen und bin dann einfach nicht wieder gegangen."
Die Firma Uplegger hat anfangs Sauermilchkäse produziert, später konzentrierte man sich auf den Handel. Heute managt Uplegger die Vertriebskette von Lebensmitteln für die Kühlregale der Einzelhändler, vom Chester-Käse bis zum Smoothie. Rund 50 Mitarbeiter arbeiten hier, die Firma setzt um die 100 Millionen Euro im Jahr um. Kay Uplegger führt die Firma in der fünften Generation.
"Wenn ein Gründer an einen Nachfolger übergeben soll, das ist ganz herausfordernd. Weil das ist sein eigenes Baby. Wenn Sie schon Nachfolger sind, haben Sie einmal die Erfahrung, und zum anderen ist es auch nicht in dem Maß Ihr Baby."
Sein Sohn Konstantin ist groß, glatt rasiert, er trägt eine moderne Undercut-Frisur und Jackett. Ken hingegen, ein Jahr älter, trägt die Haare lang und einen dichten Bart über T-Shirt und Jeans. Ein drahtiger Typ, der seinem Vater Kay ähnelt.
"Es ging bei uns zu Hause nie wirklich um die Nachfolge. Kay hat natürlich immer mal wieder den Wunsch geäußert, Mensch, das wäre super, Konstantin macht die Arbeit im Büro, Ken, du bist ein super Verkäufer. Aber dann war es nach dem Abitur so, dass ich gar keine Ahnung hatte, was ich machen wollte, und dann hatte ich durch Zufall den Studiengang Immobilienwirtschaft gefunden. Und ich dachte, dass es in die Richtung Objektbetreuung ginge, dann war das aber letztendlich auch nur ein handelsüblicher Wirtschaftsstudiengang."
Ken Uplegger wollte lieber etwas Praktisches machen. Nach dem Studium entschied er sich für eine Lehre als Zimmermann, den Meister machte er gleich hinterher.
"Ich hatte nie einen Plan, so wie die beiden jetzt sagen mit dem Unternehmen, mit der Übergabe, und bin mehr oder weniger zufällig da reingerutscht, wo ich dann gelandet bin."
"Also da beneide ich ihn auch drum. Ken ist auf eine andere Art und Weise unterwegs einfach. Das muss man als Vater erkennen, und ich finde es dramatisch, wenn Väter das nicht erkennen und Söhne in irgendwas reindrängen."

Bloß kein Nachfolgedruck!

Das Rezept von Kay Uplegger im Umgang mit seinen Söhnen: Leistungsdruck, ja. Aber kein Nachfolgedruck! Es gebe ja auch andere Optionen.
"Ich mach den Laden jetzt bis ich 70 bin, und dann geht das Ding selber zu Ende. Das ist ja durchaus eine Option, die man wählen kann, warum nicht? Dann sitzt man irgendwann noch mit der Assistentin, mit der man morgens ein Glas Sekt trinkt und verbringt den Tag im Büro. Kann ja auch schön sein."
Ein Familienunternehmen in der fünften Generation einfach dichtmachen? So ganz nimmt man es Kay Uplegger nicht ab, dass es für ihn kein Problem wäre. Als Landesvorsitzender im Verband der Familienunternehmer kennt der Niedersachse aber viele Unternehmer, deren Kinder die Nachfolge ausschlagen. Einen Teil der Verantwortung sieht er in der mangelnden ökonomischen Bildung an den Schulen.
"Das ist schon ein Punkt, dass junge Leute, die fertig sind mit der Schule, erschreckend wenig Ahnung von Wirtschaft haben. Wie Wirtschaft am Ende funktioniert und was man tun muss, um ein maßgeblicher Teil der Wirtschaft zu sein."
Ein anderer Kritikpunkt: fehlende Eignung. Viele Nachfolger würden nicht erkennen, dass sie eigentlich gar nicht für den Job taugen. In diesem Fall wäre es besser, die Firma rechtzeitig an jemanden zu veräußern, der sie auch führen kann.
"Man braucht einen, der abgeben muss, aber Sie brauchen auch jemanden, der nimmt. Der nicht nur Rechte übernimmt, sondern dann auch Pflichten und Verantwortung und Risiken eingeht. Und da hapert‘s bei Unternehmensübergaben auch ganz oft. Ich kenne viele Junioren, die wollen schon gern Chef sein, aber wenn sie den Kredit querschreiben sollen, dann kriegen sie kalte Füße."
"Angeboten wird ein Transportunternehmen, das im Wesentlichen für Automobilhersteller die Zulieferungen von den Lieferanten übernimmt. Hierzu gibt es einen festen Rahmenvertrag. Als zweiten Bereich übernimmt das Unternehmen auch Fahrten im Fernverkehr. Der Fuhrpark umfasst derzeit 40 LKW, die größtenteils im Eigentum der Gesellschaft stehen. Die Umsätze liegen im Bereich zwischen fünf und sechs Millionen Euro pro Jahr."

Die Generation Y ist besser als ihr Ruf

Ist es vielleicht der Zeitgeist? Die berüchtigte Generation Y, der nachgesagt wird, sie wolle sich lieber in Familie, Freizeit und Hobby verwirklichen denn im Berufsleben?
Nein, die junge Generation sei viel besser als ihr Ruf, so der Nachfolge-Experte Marc Evers vom DIHK. Das sehe man zum Beispiel an den Ergebnissen der Wettbewerbe, die der Verband jährlich unter den Auszubildenden durchführt.
"Wir haben noch nie so viele Auszubildende gehabt, die die volle Punktzahl erreicht haben. Also, die Motivation und Eignung steigen. Und wir haben noch nie so viele Frauen gehabt, die in Männerberufen bei der Besten-Ehrung erfolgreich waren."
"Es war in unserer Familie und ich denke auch in der Firma hier nie ein Thema, ob ich männlich oder weiblich bin. Es kommt darauf an, wie man führt, wie man managt und wie man das Unternehme weiter nach vorn bringen möchte."
Sagt Sharon Petrik. Das Unternehmen, das die junge Frau nach vorne bringen möchte, heißt SPECS Surface Nano Analysis. Die Firma mit Hauptsitz in Berlin stellt wissenschaftliche Geräte zur Analyse von Oberflächen her. Weltweit hat sie 150 Mitarbeiter, die meisten sind hoch qualifizierte Akademiker.
Petriks Vater Gerd hat das Unternehmen 1990 übernommen und zum weltweit führenden Anbieter für hochauflösende Mikroskope zur Oberflächenanalyse ausgebaut. Jetzt ist er über 70. Dass eine Nachfolge ansteht, war also schon seit geraumer Zeit klar. Sharon, die ältere der beiden Töchter, ging zunächst einen anderen Weg.
"Ich habe Marketing studiert und dachte, ich möchte irgendwas Kreatives im Marketing machen, und jetzt bin ich bei SPECS in der Nanoanalyse von Oberflächen gelandet mit ganz vielen Doktoren in der Physik. Es war auch nicht das, was ich mir mit 20 vorgestellt habe. Aber das ist in Ordnung."
Sie war 27 Jahre alt, als sie sich entschied, das Erbe anzutreten. Dass die Nachfolge gelungen sei, habe an der stets offenen Kommunikation zwischen ihr und ihren Eltern gelegen, glaubt sie. Sie rät allen Familienunternehmern möglichst früh mit ihren Kindern darüber zu sprechen, was sie von ihnen erwarten. Kinder wiederum sollen im offen Gespräch sagen, was sie wollen. Druck sei dabei kontraproduktiv. Angebote seien besser, so wie jenes, das ihr Vater ihr eines Tages unterbreitete.
"Wir können dir eine Probezeit geben. Und wenn du nach sechs Monaten, einem Jahr oder zwei Jahren - das muss jeder für sich entschieden – sagst: Das ist überhaupt nichts für mich. Dann gab es für mich die Option auch wieder auszutreten."
Am Ende hat sie nicht die Branche überzeugt, in der das Unternehmen tätig ist, sondern die Möglichkeit, selbst Unternehmerin zu sein.
"Es war eigentlich die Zuwendung zu dem Familienunternehmen, zu der Nachfolge und zu diesem Entrepreneurship."

Der Job muss Spaß machen

Sharon Petriks Vater ist eine bekannte Gründerpersönlichkeit und hat in Deutschland, der Schweiz und in den USA schon viele Unternehmen ins Leben gerufen. Ihre Schwester macht sich demnächst in einer anderen Branche selbstständig. Der Unternehmergeist sei in ihrer gesamten Familie stark ausgeprägt. Und die Lust an der Arbeit.
"Mein Vater hat immer gesagt: Dein Job muss dir Spaß machen. Und wenn es aufhört, dir Spaß zu machen und wenn du jeden Morgen aufwachst und möchtest nicht gerne zur Arbeit gehen, dann machst du etwas falsch."
Konflikte, wie sie häufig zwischen Vater und Nachfolger vorkommen, gebe es in ihrer Familie kaum, sagt sie. Seit sie in die Firma eingestiegen ist, sei das Verhältnis zwischen ihr und ihren Eltern noch enger geworden, sagt sie.
"Wir kommunizieren viel mehr, seitdem ich in der Firma bin. Ich glaube auch, dass man ruhig die Familie nutzen soll als Mentor."
"Mein Vater ist ja immer noch Gesellschafter, und wenn wir dann Gesellschaftertreffen haben, geht das in manchen Unternehmen wahrscheinlich langweiliger zu als bei uns. Das ist dann auch ganz schön, dass a den Business-Anlass auch hat, seine Eltern zu sehen, weil wir ja im selben Unternehmen sind."
Vielleicht auch deshalb, weil Sharon Petrik die Rolle ihres Vaters als Vorbild uneingeschränkt akzeptiert hat.
"Irgendwas hat er ja richtig gemacht. Und das möchte ich ja jetzt weiter richtig machen. Mit meinem eigenen Pfeffer und Salz."
"Nachwuchs ist bei uns schwierig."

Die Krise ist auch hausgemacht

Zurück zu Hubert Labisch, der in Unterpleichfeld bei Würzburg seine Schreinerei schließen muss.
Die Krise, sagt der Schreiner, sei zumindest zum Teil hausgemacht. Die besondere Ausbildung eines Restaurators im Handwerk, wie sie offiziell heißt, wurde erst ab 1985 eingeführt. Die Ernüchterung folgte sogleich: Denkmalpflegerische Arbeiten, die in der Regel öffentlich gefördert werden, müssen auch öffentlich ausgeschrieben werden. Wer den niedrigsten Preis anbieten kann, gewinnt den Auftrag.
"Für sehr viel Handwerker, vor allem bei den Restauratoren, ist eine Ausschreibung ein rotes Tuch. Sie sagen immer: Da stehe ich schon mit einem Bein im Gefängnis, wenn ich die Bedingungen lese."
Da wären etwa die Gewährleistungspflichten des Auftragsnehmers, die in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen festgeschrieben sind. Die seien auf Neubauten zugeschnitten, so Labisch, und nicht etwa auf viele hundert Jahre altes Kircheninventar.
"Sie tun ja ein altes Produkt reparieren, restaurieren, und da sollen sie quasi voll gewährleisten wie auf ein neues Produkt und wissen nicht, was in dem Holz noch drinnen steckt."
Sollte der Restaurator bei derart wertvollen Objekten in die Gewährleistungspflicht genommen werden, dann könne er gleich Insolvenz anmelden.
Ein weiterer Punkt, der den großen Handwerksbetriebe zu schaffen macht, sei die starke Zunahme von Akademikern – etwa unter den Restauratoren. Sie organisieren ihre Arbeit anders, in kleinen Teams, mit mobilem Werkzeug und ohne Infrastruktur.
"Die tun sich zusammen zu Stundenlöhnen, wo ein normaler Handwerker die Werkstatt im Hintergrund hat, zwölf Leute im Hintergrund hat, Gemeinkosten hat und alles – das sind Unterschiede im Stundenlohn von bis zu 50 Prozent."

Die Bürokratie schreckt viele ab

Viele junge Handwerker möchten sich weder der Hierarchie in einem klassischen Betrieb unterordnen noch die Verantwortung für Mitarbeiter übernehmen. Lieber arbeiten sie wie Freiberufler. Dazu kommt: Sie verfügen meist zwar über eine Gesellenausbildung und ein Studium. Den Meisterbrief haben sie aber in der Regel nicht – und damit können sie nicht ausbilden. Das Nachwuchsproblem verschärft sich weiter.
Der gesellschaftliche Wandel fordert noch weitere Opfer: Etwa die traditionelle Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau: Der Mann führt die Firma, die Frau unterstützt.
Frau Labisch beteiligt sich nicht am Gespräch. Sie serviert den Kaffee und hält sich ansonsten im Hintergrund. Erst im Laufe des Gesprächs wird klar, dass sie eine wichtige Rolle beim Erfolg der Schreinerei Hubert Labisch hatte.
"Wir haben praktisch alles gemeinsam gemacht. Wir haben alles gemeinsam entschieden. Meine Frau hat einen eigenen Beruf. Sie hat bei mir gearbeitet, hat dafür auch Geld bekommen. Das ist in einem kleinen Handwerksbetrieb eine Voraussetzung, dass das Paar zusammen passt und es zusammen macht."
Sie hat die Bücher geführt und damit einen entscheidenden Teil der Geschäftsführung übernommen. Ganz allein so einen Betrieb zu führen, könnte sich auch Hubert Labisch nicht vorstellen. Im Zeitalter der Individualisierung und des Wegfalls klassischer Beziehungsmuster gehen viele junge Menschen vielleicht lieber den einfacheren Weg.
"Man findet viel leichter eine gut dotierte Anstellung, ohne das Risiko einer unternehmerischen Selbstständigkeit einzugehen."
Laut Industrie- und Handelskammern sind potenzielle Nachfolger auch wegen der Rahmenbedingungen verunsichert, so Marc Evers. Unternehmerverbände vertreten die Ansicht, dass etwa die jüngste Reform der Erbschaftssteuer Mehrbelastungen für den Mittelstand zur Folge haben wird.
"Es gibt noch keine Verwaltungspraxis. Es gibt noch keine Richtlinie, die die ganze Reform in die Praxis transformiert, und insofern hängen vor allem die Nachfolger in der Luft. Und das spüren wir vor Ort bei den Handelskammern schon, dass viele Nachfolger sagen: Bei uns in der Familien warten wir erstmal ab, wir müssen gucken, was da kommt, und wir fühlen uns durch das Thema Erbschaftssteuer verunsichert."
Die Industrie- und Handelskammern schlagen außerdem vor, die Politik möge die Aufbewahrungsfristen für Steuerunterlagen von zehn auf fünf Jahre verkürzen. Nachfolger könnten so einfacher einsteigen.
Hubert Labisch jedenfalls ist froh, dass er dem Vorschlag seines Steuerberaters gefolgt ist und nicht die Gesellschaftsform der GmbH gewählt hat, sondern Alleinunternehmer geblieben ist. Da ist die Abwicklung einfach.
"Alteingesessenes Tiefbauunternehmen, Rhein-Main-Gebiet, zehn Beschäftigte, Rechtsform GmbH, fester Kundenstamm, 90 Prozent öffentliche Auftraggeber, aus Altersgründen zu veräußern! Standort ist Hessen, Personalstamm: zehn Beschäftigte."

Mit 50 reif für die eigene Firma

Eine GmbH hingegen abzuwickeln oder zu veräußern, ist eine komplexe Angelegenheit. Davon kann Uwe Glasenapp erzählen. Der Mittfünfziger hat vor drei Jahren in Berlin ein spezialisiertes Unternehmen zur Metallbearbeitung übernommen. Sein Vorgänger hatte den Betrieb nach der Wende im Berliner Osten aufgebaut und sich frühzeitig um die Nachfolge bemüht. Da er keine Kinder hat, musste er sein Unternehmen zum Verkauf ausschreiben.
Bei Ferrum Lasercut arbeiten 17 Mitarbeiter, die Firma schneidet und bearbeitet Bleche mit Lasertechnologie. Vom Großraumbüro, in dem auch Glasenapp arbeitet, steigt man direkt in die Werkshalle hinunter, in der sich die Maschinen befinden.
Hinter dicken Glaswänden schneiden Laser mit bis zu 5000 Watt Leistung Bleche bis zu 2,5 Zentimeter Dicke. Anschließend werden die Stücke weiter verarbeitet: entgratet, verschweißt oder verschraubt. In der Mitte der Produktionshalle thront ein haushohes Gestell aus Stahl. Ein mobiler Messestand.
"Ich habe die schon gesehen mit nem DJ-Mischpult für eine Beachbar für eine Saison. Ich habe die schon am Ku'damm gesehen während der Oldtimer-Tage. Da stand da drin ein Jaguar."
Viele Kunden sind international bekannte Künstler, die hier Teile für ihre Installationen fertigen lassen.
Uwe Glasenapp wirkt mit seinem schwarzen Rollkragenpulli und dem federndem Gang selbst wie ein Künstler. Von Haus aus ist er Physiker. Er war Wissenschaftler, bevor er sein Talent für die Unternehmensführung entdeckte. In den letzten Jahren vor seiner Selbstständigkeit hat er ein Unternehmen mit 400 Mitarbeitern gerettet, das kurz vor der Insolvenz stand. Danach fühlte er sich reif für eine eigene Firma.
"Als angestellter Geschäftsführer hat man eigentlich ständig Ärger von allen möglichen Seiten. Sei es von den Kunden, den Lieferanten, den Banken, den Mitarbeitern, den Gewerkschaften, den Gesellschaftern. Also irgendwo steht man immer im Fokus. Und ich hab mir überlegt, irgendeine dieser Störgrößen möchte ich gern mal abschalten. Und das einzige, was man nicht braucht, ist der Gesellschafter, wenn man selber der Gesellschafter ist."
Glasenapp begann, bundesweit nach einem Unternehmen zu suchen, das er übernehmen könnte. Er befragte sein Netzwerk und recherchierte auf den gängigen Internetportalen wie der Nexxt Change-Börse der KfW und der DUB, der deutschen Unternehmerbörse.
"Meine Idee war entweder ein größeres Ingenieurbüro zu übernehmen oder tatsächlich ein produzierendes Industrieunternehmen. Keinen Handwerksbetrieb."
Eine konkrete Vorstellung hatte er nur von der Unternehmensgröße.
"Ist die Firma zu klein, kann sie mich mit Anfang 50 und Familie und Immobilie nicht ernähren. Und ist sie zu groß, muss ich zu viel Eigenkapital mitbringen, um die Firma übernehmen zu können."

Unternehmer werden ist nicht einfach

Es begann eine Odyssee, die aus Verhandlungen mit Maklern bestand, aus Reisen durch ganz Deutschland zu Unternehmern, mit denen er lange Gespräche führte. Er sah gemeinsam mit Fachleuten die Unternehmensbilanzen durch und verhandelte mit Kreditinstituten. Auch derbe Rückschläge gehörten dazu.
"Da hatte ich ein Unternehmen gefunden, hatte den Kaufvertrag schon quasi unterschrieben, der war endverhandelt. Mein Büro war eingerichtet, ich wusste schon, wo ich sitzen würde. Und da kam die Ehefrau des Unternehmers auf die Idee und sagte: Wir hatten so ein tolles Jahr, ich möchte gerne mehr Geld haben. Da habe ich die Frage gestellt: Was heißt denn mehr Geld? Und da druckste der Gesellschafter herum und sagte: Naja, den dreifachen Preis."
Uwe Glasenapp war fassungslos. Er stand auf und ging. Ein halbes Jahr hatte er verhandelt, bis er an diesen Punkt gekommen war. Nun musste er wieder von vorn anfangen.
"Es war schwer, weil ich bin mit jedem Monat älter geworden. Irgendwann hatte ich auch den Eindruck, wenn nicht relativ bald irgendwas passiert, wenn ich die richtige Firma nicht finde, muss ich mich damit abgeben, mein ganzes Leben lang als Angestellter zu arbeiten. Weil doch die Zeitspanne, bis man eine Firmenkauf abbezahlt hat, wird enger und endlicher. Deshalb habe ich gesagt: Bis Mitte 50 allerspätestens muss die Firma da sein."
Über die Unternehmensbörse der Industrie- und Handelskammern fand er dann Ferrum Lasercut. Für die "Due Dilligence", die Prüfung des Unternehmens auf Herz und Nieren, gingen mehrere Wochenenden drauf. Arbeitsverträge, Versicherungen, die Vereinbarungen über gemietete Maschinen und Gegenstände, die Jahresabschlüsse der letzten fünf Jahre inklusive Kommentierung mussten begutachtet werden. Zusätzlich erstellte Glasenapp eine Finanzplanung, um die Bank zu überzeugen.
Den genauen Kaufpreis will Glasenapp nicht nennen, er lag irgendwo im einstelligen Millionenbereich. Dazu kamen Kosten wie der Handelsregistereintrag, sieben Prozent Maklerprovision und das Stammkapital für die GmbH. Ähnlich wie beim Bau eines Eigenheims, erwarten Banken vom Käufer einen Eigenteil, 10 bis 15 Prozent. Je höher der Eigenanteil, desto günstiger ist der Kredit.
Auch deshalb musste Uwe Glasenapp so lange als Angestellter arbeiten – um die Eigenmittel zusammen zu sparen.
"Man kann auch Firmen mit einigen Tausend Mitarbeitern für tausend Euro kaufen. Dann sind Sie für ein Unternehmen verantwortlich, das dann einen riesigen Sanierungsbedarf hat. Und deswegen war das für mich nie eine Option, in der Größenordnung etwas übernehmen zu wollen. Weil dann wird das Risiko aus meiner Sicht doch viel zu groß."
Auch Wolfgang Glasenapp machte seine Erfahrungen. In dem Moment, als der Kaufvertrag endlich ausgehandelt war, sprang die kreditgebende Bank ab. Ihr war das Geschäft dann doch zu groß.
Die Handelskammern kennen das Problem. 40 Prozent der vom DIHK befragten Nachfolger berichten, ihr größtes Problem bei der Nachfolge oder Übernahme eines Unternehmens sei die Finanzierung.
Uwe Glasenapp rettete, dass er kurz vorher die Direktorin einer anderen Bank kennengelernt hatte, die ihm die Türen öffnete. Binnen zwei Monaten war die Zusage da, und der Kaufvertrag konnte beim Notar unterzeichnet werden.
"Ja, das war schon ein toller Moment. Es war das erste Mal, dass ich ein Unternehmen gekauft habe, aber es ist schon vergleichbar mit dem Kauf einer Immobilie. Es ist eine Veränderung im persönlichen Leben, nicht nur im beruflichen Bereich, sondern auch was die Familie anbelangt. Weil in dem Moment der Unternehmensübernahme steht man im vollen finanziellen Risiko. Das ist schon auf der einen Seite eine gewisse Belastung, auf der anderen Seite sagt man natürlich: Jetzt bin ich endlich soweit, jetzt kann ich anfangen, in meinem Unternehmen zu arbeiten."
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