Warum der Westen Selbstbewusstsein zeigen muss
Die moderne Gesellschaft der Zukunft wird eine multikulturelle Weltgesellschaft sein. Doch ebenso unstrittig ist, dass es keine multikulturelle Gesellschaft mit Fanatikern geben kann. Sie konfrontieren uns mit der Paradoxie, dass die Toleranz gegenüber der Intoleranz intolerant sein muss. Konkreter gesprochen: Die Weltgesellschaft muss das Problem des Islamismus lösen. Doch wie könnte man die Muslime vor ihren eigenen Fanatikern schützen?
Es ist eine unverächtliche Trivialität, dass der Islam nicht als solcher fanatisch ist. In religionswissenschaftlichen Seminaren und kulturgeschichtlichen Erinnerungen erscheint er durchaus zu Recht als Inbegriff fortgeschrittener Kultur. Doch darum geht es nicht. Unser Problem ist der Islam als religiöse Rationalisierung von Wut, Hass und Ressentiment. Es geht hier in erster Linie nicht um Kultur, sondern um wirtschaftliche, technische und wissenschaftliche Rückständigkeit. Es geht darum, dass die islamischen Länder seit Jahrhunderten nur eine einzige Wachstumsdynamik kennen - nämlich die demographische.
Wenn apokalyptische Beobachter wie Botho Strauß oder Frank Schirrmacher heute darauf hinweisen, dass die westlichen Lebensformangebote mit der sozialen Integrationskraft des Islam nicht konkurrieren können, dann übersehen sie den entscheidenden Sachverhalt: In der modernen Gesellschaft sind gerade die Ausgeschlossenen am stärksten integriert - nämlich in ihrem Ghetto. Die Gewinner der Modernisierung operieren dagegen in Netzwerken, die gerade durch schwache Bindungen gekennzeichnet sind.
Schmetterlingseffekt nennt man in der Chaosforschung den erstaunlichen Sachverhalt, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings am anderen Ende der Welt einen Tornado auslösen kann. Einen solchen Schmetterlingseffekt können wir gerade im Streit um die dänischen Mohammed-Karikaturen beobachten.
Sehr viel erschütternder als die konfektionierten Proteste fanatisierter Moslems ist die Reaktion westlicher Politiker, die sich wohl als Schadensbegrenzung missversteht, in Wahrheit aber nichts anderes als Appeasement ist. Auch die deutschen Intellektuellen sind offenbar sehr schnell bereit, die Meinungs- und Pressefreiheit, von der sie doch leben, preiszugeben. Botho Strauß fordert in seinem Essay zur jüngsten Ausgabe des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" mit der Lizenz des anachronistischen Dichters, man müsse die Meinungsfreiheit begrenzen, um die Sakralsphäre zu schützen.
So verleugnen Politiker und Intellektuelle - vorgeblich aus Respekt vor beleidigten religiösen Gefühlen - eine zweihundertjährige Geschichte selbstbewusster Modernität und stolzer Aufklärung. Man ist versucht, dagegen zu formulieren: Die einzige Sakralsphäre, die es unbedingt zu schützen gilt, ist die Pressefreiheit.
Was die Welt vom Islam erwarten muss, ist, dass er sich einem tiefgreifenden Prozess der Aufklärung unterwirft. Und was Deutschland von seinen Muslimen erwarten muss, ist, dass sie sich an unsere Lebensformen und Gewohnheiten anpassen. Das schließt multikulturelle Vielfalt nicht aus, sondern ermöglicht sie erst. Damit das gelingt, muss der Westen selbstbewusst auf seinen zivilisatorischen Standards beharren und darauf bestehen, dass sich Islamisierung und Modernisierung als zwei Seiten derselben Medaille erweisen. Modern ist es, den eigenen Glauben ernst zu nehmen und es doch klaglos zu ertragen, dass andere darüber Witze machen. Mit anderen Worten: Die moderne Gesellschaft kann nur eine Religion ertragen, die Spott und Satire erträgt.
Der Spiegel-Essay von Botho Strauß ist ein lehrreiches Beispiel dafür, wie ohnmächtig der Kulturkonservativismus diesen Problemen gegenübersteht. So bedient Strauß ohne zu zögern das klassische antimoderne Ressentiment, das der westlichen Gesellschaft Geistlosigkeit vorwirft. Und allen Ernstes sieht er im Islam eine "gegnerische sakrale Potenz", die uns Atheisten und Karteichristen eine "Chance der Inspiration" biete. Hier spricht der Dichter. Und als ginge es um einen Zusammenstoß der Geister, mahnt uns Strauß, gegen die Herausforderung des Islam "unser eigenes Bestes" aufzubieten - nämlich die Geistesgaben des europäischen Humanismus.
Die eigentliche Stärke des Westens im Kampf mit dem militanten Islamismus steckt aber gerade in dem, was Straußens Geisterbeschwörung verbannen möchte, nämlich Weltmarkt, Wissenschaft, Technik und Entertainment. Das sind die vier anti-apokalyptischen Reiter, die jeden Fanatismus besiegen werden. Nur Modernisierungsprozesse machen immun gegen den Fanatismus. Und das heißt im Kern: Konsumchancen und Karrieren. Wer in der westlichen Welt erfolgreich ist, will sie nicht mehr zerstören.
Norbert Bolz, Professor für Kommunikationstheorie, wurde 1953 in Ludwigshafen geboren. Er studierte in Mannheim, Heidelberg und Berlin Philosophie, Germanistik, Anglistik und Religionswissenschaften. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit der Ästhetik Adornos, in der Habilitationsschrift mit dem "Philosophischen Extremismus zwischen den Weltkriegen". Seit 1992 ist Bolz Professor für Kommunikationstheorie am Institut für Kunst- und Designwissenschaften der Universität Essen. Sein neuestes Buch trägt den Titel "Die Konformisten des Andersseins" (München 1999).
Wenn apokalyptische Beobachter wie Botho Strauß oder Frank Schirrmacher heute darauf hinweisen, dass die westlichen Lebensformangebote mit der sozialen Integrationskraft des Islam nicht konkurrieren können, dann übersehen sie den entscheidenden Sachverhalt: In der modernen Gesellschaft sind gerade die Ausgeschlossenen am stärksten integriert - nämlich in ihrem Ghetto. Die Gewinner der Modernisierung operieren dagegen in Netzwerken, die gerade durch schwache Bindungen gekennzeichnet sind.
Schmetterlingseffekt nennt man in der Chaosforschung den erstaunlichen Sachverhalt, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings am anderen Ende der Welt einen Tornado auslösen kann. Einen solchen Schmetterlingseffekt können wir gerade im Streit um die dänischen Mohammed-Karikaturen beobachten.
Sehr viel erschütternder als die konfektionierten Proteste fanatisierter Moslems ist die Reaktion westlicher Politiker, die sich wohl als Schadensbegrenzung missversteht, in Wahrheit aber nichts anderes als Appeasement ist. Auch die deutschen Intellektuellen sind offenbar sehr schnell bereit, die Meinungs- und Pressefreiheit, von der sie doch leben, preiszugeben. Botho Strauß fordert in seinem Essay zur jüngsten Ausgabe des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" mit der Lizenz des anachronistischen Dichters, man müsse die Meinungsfreiheit begrenzen, um die Sakralsphäre zu schützen.
So verleugnen Politiker und Intellektuelle - vorgeblich aus Respekt vor beleidigten religiösen Gefühlen - eine zweihundertjährige Geschichte selbstbewusster Modernität und stolzer Aufklärung. Man ist versucht, dagegen zu formulieren: Die einzige Sakralsphäre, die es unbedingt zu schützen gilt, ist die Pressefreiheit.
Was die Welt vom Islam erwarten muss, ist, dass er sich einem tiefgreifenden Prozess der Aufklärung unterwirft. Und was Deutschland von seinen Muslimen erwarten muss, ist, dass sie sich an unsere Lebensformen und Gewohnheiten anpassen. Das schließt multikulturelle Vielfalt nicht aus, sondern ermöglicht sie erst. Damit das gelingt, muss der Westen selbstbewusst auf seinen zivilisatorischen Standards beharren und darauf bestehen, dass sich Islamisierung und Modernisierung als zwei Seiten derselben Medaille erweisen. Modern ist es, den eigenen Glauben ernst zu nehmen und es doch klaglos zu ertragen, dass andere darüber Witze machen. Mit anderen Worten: Die moderne Gesellschaft kann nur eine Religion ertragen, die Spott und Satire erträgt.
Der Spiegel-Essay von Botho Strauß ist ein lehrreiches Beispiel dafür, wie ohnmächtig der Kulturkonservativismus diesen Problemen gegenübersteht. So bedient Strauß ohne zu zögern das klassische antimoderne Ressentiment, das der westlichen Gesellschaft Geistlosigkeit vorwirft. Und allen Ernstes sieht er im Islam eine "gegnerische sakrale Potenz", die uns Atheisten und Karteichristen eine "Chance der Inspiration" biete. Hier spricht der Dichter. Und als ginge es um einen Zusammenstoß der Geister, mahnt uns Strauß, gegen die Herausforderung des Islam "unser eigenes Bestes" aufzubieten - nämlich die Geistesgaben des europäischen Humanismus.
Die eigentliche Stärke des Westens im Kampf mit dem militanten Islamismus steckt aber gerade in dem, was Straußens Geisterbeschwörung verbannen möchte, nämlich Weltmarkt, Wissenschaft, Technik und Entertainment. Das sind die vier anti-apokalyptischen Reiter, die jeden Fanatismus besiegen werden. Nur Modernisierungsprozesse machen immun gegen den Fanatismus. Und das heißt im Kern: Konsumchancen und Karrieren. Wer in der westlichen Welt erfolgreich ist, will sie nicht mehr zerstören.
Norbert Bolz, Professor für Kommunikationstheorie, wurde 1953 in Ludwigshafen geboren. Er studierte in Mannheim, Heidelberg und Berlin Philosophie, Germanistik, Anglistik und Religionswissenschaften. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit der Ästhetik Adornos, in der Habilitationsschrift mit dem "Philosophischen Extremismus zwischen den Weltkriegen". Seit 1992 ist Bolz Professor für Kommunikationstheorie am Institut für Kunst- und Designwissenschaften der Universität Essen. Sein neuestes Buch trägt den Titel "Die Konformisten des Andersseins" (München 1999).