Warum Deep Throat nicht schweigen konnte

Von Michael Schornstheimer |
Der Einbruch in die Wahlkampfzentrale der Demokraten änderte erst einmal nichts an der Beliebtheit des Präsidenten Richard Nixon. Der Kandidat der Republikaner wurde wiedergewählt. Mit einem grandiosen Ergebnis. Doch zwei Jahre später musste er zurücktreten.
Der Einbruch ins "Watergate"-Gebäude war nur ein Element in einem ganzen System. Es bestand aus Korruption und Machtmissbrauch. Lüge, Fälschung und Betrug. Dass dies endlich aufflog, war im Wesentlichen zwei Journalisten zu verdanken: Carl Bernstein und Bob Woodward. Das Sympathische an Woodwards Buch ist, dass er mit der Legende aufräumt, sie seien die gerissenen Enthüllungsjournalisten gewesen.

Offen schildert er, wie er einst zur "Washington Post" gekommen war: Seine erste Chance war ein zweiwöchiges Praktikum bei der "Post", doch da er den ersten Auftrag gleich in den Sand setzte, flog er hochkant raus. Dann bewarb er sich bei einer Wochenzeitung in Maryland, wo er die Grundlagen des Handwerks lernte. Nach einem Jahr ging er zur "Post" zurück, als Polizeireporter der Lokalredaktion.

Er war also immer noch ein junger Anfänger, als der Watergate-Skandal seinen Lauf nahm. Den "Informanten" Mark Felt, Vizedirektor des FBI, hatte er zufällig kennen gelernt, als er noch bei der Marine diente. Damals musste er gelegentlich als Kurier Dokumente ins Weiße Haus bringen. Und in einem der Wartezimmer lernte er Mark Felt kennen.

Felt wurde für Bob Woodward zu einem väterlichen Ratgeber. Der FBI Mann wählte Bob Woodward aus, um Watergate ins Rollen zu bringen. Das sagt auch Jürgen Leinemann, der damals Korrespondent des "Spiegel" in Washington war.

Jürgen Leinemann: " Der hat das ja nie so gemacht, dass er ihnen gleich die Ergebnisse serviert hat, sondern er hat ja offenbar nur Tipps gegeben vom Rande her und wie er ausgesagt hat, war das auch strategische Absicht. Dass er gesagt hat, wenn man gleich mit massiven Anklagen an die Hauptverdächtigen kommt, dann gibt das einen einmaligen Schock und dann versuchen die, ihren Widerstand aufzubauen und das kriegt man nicht durch. Sondern man muss von der Grenze her, von der Peripherie, sich ranarbeiten und Stück für Stück mehr enthüllen und dann am Ende stehen die da und können sich nicht mehr wehren. "

Kritisch sieht Jürgen Leinemann allerdings die Rolle der Washington Post. Herausgeberin und Chefredaktion unterstützten die beiden Reporter nur zögernd. Die Regierung intervenierte mehrfach und die etablierten "Post"-Korrespondenten im Weißen Haus ärgerten sich über die jungen Reporter, die ihnen die guten Kontakte kaputtmachten.

Jürgen Leinemann: " Erst als Nixon sehr deutlich gemacht hat, dass er die Washington Post fertig machen wollte, und fertig machen hieß, keine Lizenzen für ihre Fernsehsender, erst da haben die sozusagen grünes Licht gegeben und haben gesagt, so, jetzt marschieren wir. (...) Also, das hatte so einen Heiligenschein, das ganze Unternehmen. "

Watergate war für Carl Bernstein und Bob Woodward die Geschichte ihres Lebens. Schlagartig wurden sie zu Stars, traten im Fernsehen auf, schrieben Bücher, verdienten haufenweise Geld.

Watergate ließ sie nie wieder los. Das beweist das neue Buch von Bob Woodward: Nur allzu gern hätte er die Identität seines Informanten später preisgegeben. Aber erstens hätte das gegen den Ehrenkodex verstoßen und zweitens hätte es alle jetzigen und künftigen Kontakte beschädigt. Also schwieg er. Doch in seiner Schublade lag das unfertige Manuskript, bis er von der Selbstenthüllung seines greisen Informanten Mark Felt überrumpelt wurde.

Jürgen Leinemann: " Die bloße Tatsache oder Nachricht, wer war das, die ist interessant und dann würde ich gern in der Tat wissen, was hat ihn getrieben, was war das überhaupt für einer. Ist der durchgeknallt, wollte der sich rächen, ist das einer, der unbedingt Recht haben wollte? Oder ist es einer, dem Recht und Ordnung wirklich über alles geht, und der deshalb seine Loyalität und seinen Amtseid bricht?"

Diese Fragen treiben auch Autor Bob Woodward um. Er stellt sie immer wieder, ohne sie wirklich zu beantworten. Zwar gibt er einzelne Hinweise: Etwa, dass Mark Felt zutiefst gekränkt war, als nicht er, der Vize, zum Chef des FBI ernannt wurde, sondern der Außenseiter Patrick Gray. Oder dass Felt alias Deep Throat keinerlei Skrupel kannte, in anderen Fällen ungesetzliche Ermittlungsmethoden anzuwenden, wofür er sogar vor Gericht gestellt und verurteilt wurde. Doch dann stellt er ihn wieder als loyalen Beamten dar, der seine Polizeibehörde vor Korruption und Verbrechen schützen wollte. Am Ende des Buches bleibt die Schlüsselfrage weiter offen.

Jürgen Leinemann: " Mir kommt jetzt eigentlich der Verdacht, wenn das alles nicht darin steht, dass uns dann noch ein weiteres Buch in Aussicht steht. Wer war Herr Felt wirklich? Und die Wahrheit über Deep Throat. Und schon haben wir wieder einen Bestseller."

Bob Woodward: Der Informant. Deep Throat, die geheime Quelle der Watergate-Enthüller
Aus dem Englischen von Michael Bayer
DVA 2005
240 Seiten, € 19.90
Mark Felt, präsentiert 1958 als FBI-Chef von Salt Lake, sein Schießkünste
Mark Felt präsentiert 1958 als FBI-Chef von Salt Lake City seine Schießkünste© AP