Warum Atomkraft und erneuerbare Energien nicht zusammenpassen

Rainer Baake im Gespräch mit |
"Wir können auf 100 Prozent erneuerbare Energien umstellen", sagt der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Rainer Baake. Voraussetzung sei, die Weichen richtig zu stellen. Eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken passe aber auf keinen Fall.
Ute Welty: Soweit die Informationen über das Gutachten des Sachverständigenrates, und das dürfte auch Rainer Baake aufmerksam gelesen haben, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Guten Morgen!

Rainer Baake: Einen schönen guten Morgen!

Welty: Das Gutachten spricht ja eine eindeutige Sprache und gibt der Politik klare Handlungsempfehlungen für die nächsten 40 Jahre. Was versprechen Sie sich an politischer Resonanz?

Baake: Nun, ich kann nur hoffen, dass alle Beteiligten dieses Gutachten sehr, sehr aufmerksam lesen, es wird aufgezeigt, so wie Sie das gerade dargestellt haben: Wir können umstellen auf 100 Prozent erneuerbare Energien, das ist nicht nur bezahlbar, das spart auf lange Sicht sogar Kosten, weil wir uns unabhängig machen von teuren Energieimporten. Die Primärenergie, die wir heute benötigen für die Stromproduktion, sei es jetzt Uran oder sei es Kohle oder sei es Gas, wird ja hauptsächlich importiert von außen. Das entfällt in Zukunft, wenn wir uns mit erneuerbaren Energien versorgen, und dann wird es eher billiger als teurer.

Aber, ganz wichtig: Wir müssen die Weichen jetzt richtig stellen, und in der Tat, Atomenergie und erneuerbare Energien passen nicht zusammen. Das sind falsche Weichenstellungen, die diesen Prozess jetzt behindern und nicht fördern.

Welty: Sie sagen, Sie hoffen. Sie selbst kennen ja auch die andere Seite des Geschäftes, und zwar parteiübergreifend als Staatssekretär unter einem Umweltminister Trittin, aber auch als Berater des früheren hessischen Ministerpräsidenten Koch. Warum fällt es der Politik also so schwer, die Dinge tatsächlich anzupacken?

Baake: Ja, das muss man ganz offen sagen: Es geht hier um Interessen, es geht um Geld, und offensichtlich haben die vier Atomkonzerne es geschafft, die gegenwärtige Mehrheit im Deutschen Bundestag dazu zu bewegen, eine unsinnige Laufzeitverlängerung zu beschließen. Das geht gegen die erneuerbaren Energien. Aber auf der anderen Seite ist es dieser neue Mehrheit auch sehr schwer gefallen, bei den erneuerbaren Energien jetzt massiv auf die Bremse zu treten, weil: Das ist inzwischen auch eine wichtige Branche geworden, und es gibt keine Energieversorgungsform wie die erneuerbaren Energien, die auch nur annähernd auf so große Sympathien der öffentlichen Meinung stößt. Das heißt, die Menschen in Deutschland wollen die erneuerbaren Energien und sie sehen, dass da die Zukunft ist. Und da laufen jetzt zwei Entwicklungen parallel, die leider nicht zusammenpassen: Auf der einen Seite werden die erneuerbaren Energien massiv weiter ausgebaut werden, weil Leute investieren, auf der anderen Seite haben wir die Laufzeitverlängerung. Und das führt zu einem ziemlichen Konflikt in unserem Stromsystem, und das macht mir große Sorgen, weil da natürlich jetzt einige ganz harte Entscheidungen anstehen werden. Es wird mit Sicherheit gestritten werden über den Einspeisevorrang der erneuerbaren Energien, weil das ist das, was die Atomkonzerne sicherlich am meisten stört.

Welty: Beklagt wird ja auch immer wieder, dass die Stromnetze nicht ausreichen, eben auch, um ausreichend Erneuerbare-Energien-Strom einzuspeisen. Nun haben Bundesumweltminster Norbert Röttgen und auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle das ja erkannt, dass das Stromnetz dringend ausgebaut gehört. Dafür muss man die beiden doch loben, oder?

Baake: Ja, absolut. Es ist richtig, dass sie das erkannt haben. Meine Organisation, die Deutsche Umwelthilfe, hat jetzt die letzten zwei Jahre einen runden Tisch eingerichtet, da waren alle Beteiligten, von den Netzbetreibern über die Umweltverbände bis hin zu den Bürgerinitiativen, und wir haben einen langen Katalog aufgeschrieben, was passieren muss, um im Konsens diesen Netzausbau voranzutreiben. Das heißt, es jetzt nur etwas deutlicher zu erklären und etwas lauter zu sagen, reicht natürlich nicht. Die Leute, die durch die Netze betroffen sein werden, wollen überzeugt werden, das heißt, dazu gehört Transparenz, dazu gehört eine transparente Begründung auch, warum es erforderlich ist. Es kann nicht sein, dass die Unternehmen sich zurückziehen auf Betriebsgeheimnisse, das ist nicht akzeptabel.

Das heißt, wer will, dass der Netzausbau vorankommt, wird Transparenz herstellen müssen, er wird des Weiteren auch einen Plan machen müssen. Das kann die Politik auch nicht den Konzernen überlassen, weil erstens muss entschieden werden: Wie wollen wir eigentlich mit welchen Schwerpunkten die Erneuerbaren in Deutschland ausbauen? Wollen wir eine starke Photovoltaik im Süden oder wollen wir das nicht? Das Netz sieht anders aus, mit und ohne Photovoltaik. Oder wollen wir die Verbindung nach Norwegen hin, zu den Speichern? Auch dafür muss Vorsorge getroffen werden. Und dann brauchen wir auch neue Technologien, wir müssen nicht alles mit den alten Technologien bauen. Ich halte das für eine Illusion, 4000 Kilometer Höchstspannungsleitung zusätzlich durch Deutschland zu bauen. Das wird nicht funktionieren.

Welty: Zumal dieser Ausbau der Netze beziffert wird auf 30 Milliarden Euro, das ist ja eine gewaltige Summe.

Baake: Ja, aber das sehen Sie bitte mal auf der Zeitachse und setzen Sie es ins Verhältnis zu den anderen Kosten, die auch involviert sind. Das ist nicht eine Kostenexplosion bei den Strompreisen, mit Sicherheit nicht, sondern das bleibt alles im Rahmen. Es ist viel wichtiger, dass dieser Netzausbau jetzt vorankommt, weil es natürlich keinen Sinn ergibt, Windenergieanlagen in der Nordsee zu bauen, wenn nicht anschließend der Strom auch zu den Verbrauchszentren im Ruhrgebiet oder im Süden der Republik abgeleitet werden kann.

Welty: Nicht Wenige befürchten ja flackernde Lichter bei Strom aus Wind und Sonne, denn nicht immer weht der Wind und nicht immer scheint die Sonne. Ist da ein atomares Backup nicht doch sinnvoll?

Baake: Nein, wir brauchen ein flexibles Backup. Wir haben ja ein Stromversorgungssystem und wir haben im Moment eher mehr Kapazitäten als wir brauchen. Wir exportieren netto in einem hohen Maße Strom in die Nachbarländer, also wir haben keinen Engpass. Das, was jetzt passieren muss, ist, dass wir bei wachsenden Anteilen erneuerbaren Energien den restlichen Kraftwerkspark schrittweise so umbauen, dass er genau auf diese fluktuierende Einspeisung reagieren kann. Wir werden das regenerative System in erster Linie stützen auf Wind und wahrscheinlich auch auf Solarenergie, die Sonne scheint nur tagsüber und dann auch nicht gleichmäßig, der Wind weht, wenn er will – das heißt, wir brauchen in den Zeiten, wo wir keine so hohe Einspeisung aus erneuerbaren Energien haben, Kraftwerke, die flexibel einspringen können. Das sind in erster Linie Gaskraftwerke für einen Übergangszeitraum.

Welty: Im Interview der "Ortszeit" Rainer Baake, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Ich danke und ich wünsche einen windigen und einen sonnigen Tag!

Baake: Gleichfalls!