Warten auf den Regen
Die Farm "Okaruiputa" liegt im nahezu menschenleeren Herzen Namibias. Verzweifelt warten hier alle auf Regen, denn die Wildhüter und Jäger finden täglich mehr tote Antilopen. Dann kommt er endlich: In gewaltigen Gewittern entladen sich dunkle Wolken über der Farm. Der Busch wird grün. Das Leben auf "Okaruiputa" kann weitergehen.
Rinderfarmer Werner de Fries: "Ne Trockenheit, sach ich immer, ist so wie Krebs : Du weißt, es geht dem Ende zu, aber Du weißt nicht wann es so weit ist, bist Du alles verloren hast. Du wirst im Kopf krank. Du siehst die Viecher da, Du kannst denen eigentlich nicht helfen."
Berufsjäger Horst Hansen: "Regen heißt, es schlägt wieder grün aus. Dadurch, dass es regnet, kriegen wir auch wieder neue Weide, neuen Busch. Das heißt, das Wild kann sich auch wieder erholen. gerade nach so ner langen Trockenstrecke, die wir jetzt hatten."
Titel, 0’10
Banges Warten auf den Regen:
Die Wildfarm Kambaku in Namibia und der Klimawandel
Eine Reportage von Vanja Budde
Tintenschwarze Nacht im namibischen Busch. Eine Herde Elandantilopen weidet den Rasen rund um die Lodge "Kambaku" ab. Zwei Dutzend der größten Antilopen Afrikas drängen sich auf dem einzigen Flecken Grün im Umkreis von vielen Quadratkilometern. Erst als es hell wird, ziehen die klapperdürren Tiere zurück in die umliegende Savanne.
Alle, bis auf einen: Ein junger Bulle liegt am Morgen hinter der Küche. Der Wildhüter Japhet stolpert fast über das geschwächte Tier, als er um sechs Uhr in der Frühe zur Arbeit kommt. Japhet vom Stamm der Ovambo ist nicht groß, aber kräftig. Aber er schafft es nicht, die halb verhungerte Antilope auf die Beine zu stellen.
Japhet: "Is mager, hat nix mehr Kraft."
Das hellgraue Fell mit den schmalen, weißen Streifen spannt sich stumpf über die Rippen, die eingefallenen Flanken des Elandbullen heben und senken sich schnell. Ängstlich schaut er aus großen, schwarzen Augen. Japhet holt ein Messer. Die Gäste schlafen noch, darunter Kinder. Er will sie nicht mit einem Schuss aufwecken.
Japhet: "Ich muss töten, ich muss das machen. Das ist Natur."
Der Todeskampf des Tieres würde noch Tage dauern. Japhet streicht ihm kurz übers Fell, biegt den Kopf an den fast ein Meter langen Hörnern nach hinten und sticht dem jungen Bullen rasch durch die Kehle in die Wirbelsäule. Er stirbt schnell und lautlos. Hellrotes Blut sickert in den Kies.
Ein Trampelpfad von Hufspuren zeigt, dass Eland- und Gnuantilopen jede Nacht hierherkommen. Der grüne Rasen zieht sie an wie ein Magnet, denn die 76 Quadratkilometer Busch- und Baumsavanne der Farm sind staubtrocken. Die Regenzeit lässt hier im nördlichen Zentralnamibia in Sichtweite des Waterberg-Plateaus seit Wochen auf sich warten. 400 Millimeter fallen im Jahresdurchschnitt auf Kambaku. Bislang aber nur ein paar kärgliche Tropfen.
Die tote Antilope ist zu klapprig, um Fleisch für die Küche zu liefern. Weil Japhet mit Gästen zur Jeepsafari in den Etosha-Nationalpark aufbricht, bringt Horst, genannt "Horsti" Hansen den Kadaver mit einem Landrover zum Luderplatz im Busch.
Horsti ist der "Professional Hunter" von Kambaku: Einer von etwa 100 Berufsjägern in Namibia. Er zieht den Kadaver von der Ladefläche und lässt ihn in eine Grube plumpsen. In den Kronen der Kameldornbäume warten schon die Geier: Mächtige Vögel mit zwei Metern Spannweite. Süßlicher Aasgeruch erfüllt die Luft.
Diese Grube, der Luderplatz, zieht auch Raubkatzen an: Horsti bückt sich: frische Leoparden-Spuren. Der Gefleckte ist nachts unterwegs, er wird jetzt irgendwo in der Deckung liegen: Kniehoch wächst das Buschgras, goldgelb und vertrocknet. Dornbüsche stehen dicht an dicht, ihre Äste schwarz, wie verkohlt. Die langen Dornen schimmern weiß wie Knochen. Es ist acht Uhr morgens und schon sehr warm, schätzungsweise 30 Grad. Unter seinem kakifarbenen Basecap hervor späht Horsti in den stahlblauen Himmel: Keine Regenwolke weit und breit.
Horsti Hansen: "Die alten Tiere und die Tiere, die etwas schwächer veranlagt sind, die gehen ein im Feld. Und wenn es richtig regnet und viel regnet und oft regnet, dann braucht man halt nicht Kadaver aufzuheben oder zu sehen im Feld, was ja auch nicht schön ist."
In kurzen Khakihosen und T-Shirt schwingt Horsti sich hinters Steuer des Landrovers und startet zur Kontrolltour. Täglich hält er jetzt Ausschau nach toten Antilopen. Er fährt zum nächstgelegen Wasserloch. Kambaku ist eine ehemalige Rinderfarm, erzählt Horsti. Vor ein paar Jahren wurden die inneren Zäune weggerissen und der Busch den Wildtieren überlassen. Etwa 1500 Großantilopen leben jetzt auf der Farm: Eland, Gnus, Oryx, Kuhantilopen und Kudus, das Wappentier Namibias. Rund 300 aus dem Nachbarland Botswana importierte Impalas, 15 Straußenpaare und 10 Giraffen.
Für umgerechnet 1200 Euro pro Stück wurden sie vor einigen Monaten neu eingekauft, berichtet Horsti: Attraktionen für die Safari-Touristen. Die können sich Kambakus Wildtiere zu Fuß angucken, mit dem Mountainbike, vom Pferderücken oder vom Jeep aus. Um die 1000 Euro kostet das pro Woche. Trophäenjäger, die aus Deutschland anreisen, um Hörner als Souvenirs mitzunehmen, zahlen weitaus mehr.
Der 40 Jahre alte Wagen rumpelt über Steine und durch tiefe Löcher, die Erdferkel auf nächtlicher Termitenjagd graben. Horsti reißt das Steuer herum: Eine Warzenschwein-Bache schießt aus einem Loch am Wegrand, gefolgt von zwei Frischlingen. Alle drei tragen die Schwänze hoch gereckt wie Antennen. Blitzschnell sind die Schweine im Dornendickicht verschwunden.
Horsti stoppt an einem der neun Wasserlöcher von Kambaku. Sie werden über Leitungen mit Grundwasser gespeist, das eine Pumpe aus 120 Metern Tiefe holt. Horsti studiert die vielen Tierspuren rund um die in Beton eingefasste Tränke:
"Also hier waren schon mal ein Haufen Oryxe beim Wasser. Dieses hier ist zum Beispiel ne Zebraspur. Die waren also auch da. Und das waren Perlhühner, die auch zum Wasser gekommen ist (sic). man sieht’s: Wasser ist lebensnotwendig."
Daran mangelt es den Tieren nicht, aber am Futter. Der dürre Busch gibt nicht mehr viel her. Horsti zündet sich eine Zigarette an, lehnt sich an den Landrover. Er ist 29, untersetzt, trägt einen kurzen Vollbart. Sein Großvater ist in die ehemalige Kolonie Deutsch-Südwest-Afrika ausgewandert. Horsti hat mit elf Jahren das Schießen gelernt, ist leidenschaftlicher Jäger. Mit Hilfe von Fährtenlesern führt er die Jagdgäste auf Kambaku ans Wild heran:
"Heutzutage ist es so, dass die Leute das Erlebnis und das Drumherum auch sehr schätzen. Wenn man lange gepirscht ist hinter sehr kapitalen, das heißt meistens in der Regel sehr alten Stücken, die natürlich sehr heimlich und sehr vorsichtig sind, und wenn man die dann austricksen kann und dann auch strecken kann mit einem Schuss und wenn du dann bei diesem Stück stehst, was sehr alt ist und wo du weißt, du hast dich gut rangepirscht, sehr gut geschossen und so, dann ist das schon kleiner Adrenalinstoß. Bisschen Macho ist auch mit drinne, ja."
Im Moment ist Schonzeit: Drei Monate im Jahr wird die Trophäenjagd in Namibia ausgesetzt. Aber Horsti hat genug zu tun. Er setzt sich ins Auto, fährt zum Außenzaun.
Als der deutsche Besitzer von Kambaku von Rindern auf Antilopen umsattelte, haben Arbeiter einen zwei Meter 40 hohen Wildzaun rund um die Farm gezogen. Nur die großen Kudubullen schaffen es in der Brunftzeit da drüberzuspringen. Warzenschweine buddeln sich allerdings unter dem Zaun durch.
Am Zaun angekommen, begrüßt Horsti Pit und seine Mannschaft, die gerade schwere, weiße Kalksteine von einem Anhänger ablädt. Der kleine, krumme Pit hat mit seinen Männern den Zaun hochgezogen. 34 Kilometer - Knochenarbeit. Seitdem wird er zum Flicken angeheuert. Um die 60 Namibiadollar verdient ein Arbeiter damit am Tag: etwa sechs Euro. Pit und seine Mannschaft kommen aus Ojiwarongo: Die nächste Kleinstadt, knapp 100 Kilometer entfernt, für namibische Verhältnisse gleich um die Ecke.
Einer der Gehilfen ist Pits Sohn Jeremiah: groß, schlank, Anfang 20. Er wälzt einen Steinbrocken in ein Loch am Zaunrand, greift zum Spaten, schaufelt das Loch zu.
Jeremiah: "So viele Löcher! Und das hier ist so groß. Aber wir haben schon viele zugeschaufelt. Die Steine finden wir hier auf der Farm. Die Löcher müssen immer zugemacht werden, damit die Warzenschweine und die Impalas drinbleiben."
Die Impalas sind klein genug, sich auch durch die Löcher aus dem Staub zu machen. Auch Oryxantilopen gehen unter dem Zaun durch, erklärt Horsti. Löcher grabende Tiere sind aber nur ein Grund, ständig ein Auge auf den Zaun zu haben.
Horsti: "Einfach nur die Kontrolle zu haben. Um zu sehen, wurde da gewildert, ist da jemand über den Zaun gestiegen, wurde der Zaun kaputt geschnitten. Zaunkontrolle ist in erster Linie sehr, sehr wichtig. Vor allem für eine Wildfarm."
Die Wilderer kommen nachts, schneiden Löcher in den Maschendrahtzaun, schießen eine Antilope und verkaufen das Fleisch auf dem Schwarzmarkt.
Horsti: "Was in meinen Augen eine absolute Schande ist. Wenn einer jetzt ein Stück Wild erlegt und das aufisst, weil er fast vor Hunger eingeht, na ja gut, da könnt ich noch ein Auge zu machen. Aber dass, was die Leute teilweise machen ist wirklich eine Schurkerei."
Horsti verabschiedet sich von Pit, fährt zurück zur Lodge. Er kurvt über den rötlichen Sandweg, den plötzlich drei junge Elandantilopen queren. 50 Meter weiter stoppen sie und schauen sich zum Jeep um. Horsti Hansen hält an. Die Elande sind dürr, leere Zementsäcke, sagt Horsi. Weil sie sogenannte Selektiväser sind, Feinschmecker. Frisches grünes Gras muss es schon sein.
Horsti: "Und dann fressen die gerne Kampferbusch, den fressen die sehr gerne, aber ich sehe, die haben ziemlich wenig Kampferbusch zur Zeit hier."
Es gibt aber noch ein zweites Problem:
"Wir haben auf Kambaku zur Zeit zu viele Elands. Wovon wir mindestens die Hälfte rausholen müssen dieses Jahr. Wenn es hoffentlich gut geregnet hat, werden wir das mit dem Hubschrauber machen und bestimmt 100 oder 120 raus fangen. Und den Rest werden wir übers Jahr aufgeteilt raus schießen, für Fleisch. Und das halt verkaufen."
Andere Wildfarmen in Namibia und Südafrika kaufen die raus gefangenen Tiere.
Am Horizont taucht die Lodge auf, Horsti rattert am Reitplatz vorbei zur Lagerhalle und Werkstatt.
Dort trifft er auf Werner de Fries, der Nachbar ist von seiner Rinderfarm "Glücksburg" zu Besuch gekommen. Er steht im Schatten eines Baumes voller Webervögel-Nester. Ob es auf Kambaku geregnet hat, will er als Erstes wissen. Auch auf seiner Farm: Fehlanzeige. Er macht sich Sorgen, dass es wird wie 2006. Das war kein gutes Jahr für ihn, sagt Werner de Fries. Er ist Ende 50, groß, schlank, wettergegerbt:
" Ja, das ist einfach so: Der Regen ist ausgefallen oder ausgeblieben, und wir mussten die Rinder mindestens um die Hälfte reduzieren, weil da ist nix gewachsen in der Zeit. Das ist das Problem.""
Zuchtkühe hat de Fries behalten. Er hofft.
"Wir müssten in zwei, drei Monaten mindestens 350 bis 400 Millimeter gut verteilten Regen haben, damit das Feld sich wieder erholt."
Und es sollte bald mal anfangen zu regnen. Sonst müssen die Rinderfarmer für viel Geld zufüttern oder noch mehr Vieh verkaufen
Werner de Fries: "Wenn ne Trockenheit ist, ist einfach böse. Alle meinen, das hat mit der Globalerwärmung zu tun. Ob das jetzt stimmt, weiß man nicht, aber man sieht ja die Katastrophen auf der Welt überall."
Seine Frau hat ihm verboten, das Wort Regen im Haus noch in den Mund zu nehmen, erzählt Werner. Das Warten macht die Farmer mürbe.
Werner de Fries: "Weil ne Trockenheit, sach ich immer, ist so wie Krebs : Du weißt, es geht dem Ende zu, aber Du weißt nicht wann es so weit ist bist Du alles verloren hast. Du versuchst ja, dann kaufst du dir Gras und sagst dir, komm, wir probiern noch einen Monat weiter, und wenn es dann nicht is’. Und so wird’s immer schlimmer, immer schlimmer. Du wirst im Kopf krank. Du siehst die Viecher da, du kannst denen eigentlich nicht helfen."
Horsti und Werner gehen Kaffee trinken. Dann fährt der Rinderzüchter durch den Busch nach Hause. Es ist Abend. Horsti bringt in der gemauerten Feuerstelle im Garten der Lodge Kameldornäste zum Brennen. Bald hat er einen Haufen Glut.
"Ein Namibianer wär ohne seinen Grill kulturlos."
…, sagt Horsti und schiebt den Grillrost über die Glut.
"Brai heißt das bei uns, das traditionelle Brai."
Die Gäste sitzen auf der Terrasse an weiß gedeckten Tischen. Das Fleisch ist fertig, die Ersten schlendern mit ihren Tellern über den Rasen.
Als alle mit Fleisch versorgt sind, steigt Horsti in einen weißen Kleinbus, er will zwei Gäste von einem Wasserloch abholen, wo sie in der Dämmerung Wildtiere beobachtet haben. Er schaut prüfend in den Abendhimmel. Aber die Wolken stehen in der falschen Richtung, sagt er: im Westen.
Horsti: "Im Westen liegt der Atlantische Ozean und von da aus kommt kein Regen. Niemals. Unser Regen kommt immer von Nordost so."
Aus Angola und Mozambique also. Dort regnet es schon seit Tagen. Der Sambesi, der durch beide Länder fließt, steigt und steigt. Aber in Namibia ist noch nicht viel Regen angekommen. Der Bus zieht eine Staubspur durch die Dunkelheit. Im Scheinwerferlicht taucht eine Gruppe Kuhantilopen auf.
Horsti: "Da ist ne Kuh, und die hat nen ziemlichen Bauch. Du dummes Viech du! Muss der Regen jetzt mal bald kommen, Du, mei o mei."
Wenn ihre Mütter kaum etwas zu fressen finden, haben kleine Kälber nur schlechte Überlebenschancen, erklärt Horsti.
Nach kurzer Fahrt kommt er am Hochsitz an. Die beiden Gäste steigen ein. Und – welche Tiere habt ihr gesehen, fragt der Berufsjäger.
Gast: "Alles mögliche: Oryx, nen starken Gnubullen, den starken Keiler, der mit seinem Adjutanten hier immer lang tappst. Kleiner Springbock mit nem ganz kleinen Kalb."
Horsti: "Starker Keiler? Wie stark?"
Gast: "Na, so 70 Kilo, wirklich stark."
Horsti: "Da sind Feldhasen. Ich mein jetzt von den Waffen her."
Gast: "Ich hab nicht so die Vergleiche Horsti, aber er ist im Wildbret stärker als jedes Schwein, das ich hier irgendwie gesehen hab."
Horsti rumpelt durch die Nacht zurück zur Lodge. Schon nach wenigen Minuten ist das Ziel erreicht. Horsti verschwindet in seinem kleinen Bungalow am Rand der Lodge. Die Gäste gehen früh schlafen, müde von der Hitze, den Natureindrücken und dem südafrikanischen Rotwein. Der Wind dreht in dieser Nacht und bringt ihn endlich: den Regen. Begleitet von einem Gewitter, so heftig, wie man es in Deutschland selten erlebt: Gewaltige Blitze krachen, lassen den nachtschwarzen Busch taghell aufleuchten.
Das deutschsprachige Radioprogramm aus Windhoek meldet Regen in ganz Nord- und Zentral-Namibia. Am nächsten Morgen steht das Wasser in großen Pfützen auf den Wegen. Die Luft ist frisch und duftet nach Kampferbusch. Ein starker, scharfer Geruch wie in einer Kräuterapotheke
Horsti kommt mit einem Becher Kaffee in der Hand aus der Küche, trotz der deutlich kühleren Luft wie immer in Shorts. 21 Millimeter hat er im Regenmesser gefunden, strahlt er. Die sind überall auf Kambaku verteilt: Trichter aus durchsichtigem Plastik mit Markierungen am Rand. So sehnsüchtig der Regen auch erwartet wird: heftige Gewitter bringen auch Probleme: Auf der Lodge ist der Strom ausgefallen: Blitzeinschlag, auch das Telefon ist tot. Schlimmer ist, dass der große Kühlraum für das Wildfleisch ohne Strom nicht mehr kühlt. Das Fleisch wird sehr schnell verderben. In Ojiwarongo gibt es Supermärkte und Metzgereien, aber der Weg steht unter Wasser: Bis zur Teerstraße in die Stadt sind es 17 Kilometer Piste durch den Busch.
Für die Gäste wird aber Fleisch gebraucht. Horsti und Johannes beschließen, am Abend auf die Jagd zu gehen. Trophäen darf man jetzt nicht schießen, Fleisch aber schon. Johannes, genannt Jojo, ist der Sohn des Besitzers der Farm, der in Deutschland lebt, einige Monate im Jahr aber auf der Farm verbringt. Jojo ist 23, studiert BWL in Münster, ist jetzt für ein längeres Praktikum auf Kambaku.
Horsti setzt Jojo im Busch ab, fährt mit dem Jeep ein Stück weiter. Gebückt, die Winchester auf dem Rücken hängend, schleicht Jojo gegen den Wind durch die Dornbüsche. Schon so kurz nach dem Regen wird der Busch grün: Die scheinbar toten Dornbüsche bekommen winzige neue Blätter. Aus dem Boden sprießen die ersten saftigen Grashalme. Jojo orientiert sich mit einem GPS-Gerät, als in der Ferne ein Schuss kracht: Horsti!
Langsam wird es dämmrig, das nächste Gewitter zieht grummelnd heran. Jojo kauert sich am Rand einer Lichtung auf die Fersen, wartet. Im Dickicht knackt und knirscht es: ein kapitaler Elandbulle. Ein Trophäentier, also tabu.
Es wird jetzt schnell dunkel. Jojo gibt die Pirsch auf, geht eilig zum Fahrweg zurück, das GPS stets im Blick. Dass eine Jagd ohne Schussmöglichkeit endet, ist nichts Ungewöhnliches.
Jojo: "Das ist eher wahrscheinlich, als dass man was bekommt. Vor allem in dem dichten Busch muss man da ziemlich aufpassen. Viel weiter als 80 Meter kann man an vielen Stellen nicht gucken. Man muss vor allem ruhig sein dabei."
Am Horizont nähern sich zwei helle Punkte: Horsti kommt mit dem Landrover. Auf der Ladefläche eine junge Elandkuh: Blattschuss. Jojo wünscht Waidmannsheil, setzt sich auf den Rücksitz, Horsti gibt Gas, denn das Gewitter ist jetzt nahe
Neben der Werkstatthalle ist der Schlachtplatz: eine asphaltierte Fläche, darüber ein Stahlgerüst. Der Strom ist wieder da: Horsti macht eine starke Lampe an, legt eine Seilwinde um die Hinterläufe der Antilope, zieht sie mit einer Motorwinde hoch, bis das Tier in der Luft baumelt. Es ist so groß wie ein Pferd, wiegt an die 300 Kilo.
Horsti zückt ein scharfes Messer mit Holzgriff und breiter Klinge, zieht der jungen Elandkuh Stück für Stück das Fell ab. Drei oder vier Jahre ist sie alt geworden.
In zwei Bottichen daneben dümpeln Gnuschädel in einer fauligen Lake: Das Fleisch wird zersetzt, nur die blanken Knochen und die Hörner bleiben übrig. Das Präparat kommt dann in die Post, Wandschmuck für den Schützen, der längst nach Deutschland, Österreich oder in die Schweiz zurückgekehrt ist.
Obwohl der auffrischende Wind den infernalischen Gestank der Brühe zu ihnen herüberweht, sitzen neben dem Schlachtplatz Pits Zaunarbeiter um zwei Kochfeuer. In ausgedienten Blechdosen kochen sie Innereien: Horsti hat den Männern das Fleisch aus dem Kühlraum gegeben, das zu vergammeln drohte.
Jeremiah: "Wir kochen die Zungen von den Tieren, die man uns gegeben hat. Die hier ist vom Oryx und von welchem Tier die andere ist, weiß ich nicht so genau. Wenn du sie gut kochst, ist es okay. "
Schlagartig schüttet es wie aus Kübeln. Die schwere Arbeit ist getan , und Horsti, der Jäger zufrieden:
" "Du musst das Tier anpirschen, musst das Tier schießen, musst das Tier aufladen und es selber auseinandertrennen, es selber verarbeiten, dann haste ganze Arbeit gemacht."
Es wird die ganze Nacht regnen. Und den nächsten Tag auch. Das Leben auf Kambaku geht weiter.
Berufsjäger Horst Hansen: "Regen heißt, es schlägt wieder grün aus. Dadurch, dass es regnet, kriegen wir auch wieder neue Weide, neuen Busch. Das heißt, das Wild kann sich auch wieder erholen. gerade nach so ner langen Trockenstrecke, die wir jetzt hatten."
Titel, 0’10
Banges Warten auf den Regen:
Die Wildfarm Kambaku in Namibia und der Klimawandel
Eine Reportage von Vanja Budde
Tintenschwarze Nacht im namibischen Busch. Eine Herde Elandantilopen weidet den Rasen rund um die Lodge "Kambaku" ab. Zwei Dutzend der größten Antilopen Afrikas drängen sich auf dem einzigen Flecken Grün im Umkreis von vielen Quadratkilometern. Erst als es hell wird, ziehen die klapperdürren Tiere zurück in die umliegende Savanne.
Alle, bis auf einen: Ein junger Bulle liegt am Morgen hinter der Küche. Der Wildhüter Japhet stolpert fast über das geschwächte Tier, als er um sechs Uhr in der Frühe zur Arbeit kommt. Japhet vom Stamm der Ovambo ist nicht groß, aber kräftig. Aber er schafft es nicht, die halb verhungerte Antilope auf die Beine zu stellen.
Japhet: "Is mager, hat nix mehr Kraft."
Das hellgraue Fell mit den schmalen, weißen Streifen spannt sich stumpf über die Rippen, die eingefallenen Flanken des Elandbullen heben und senken sich schnell. Ängstlich schaut er aus großen, schwarzen Augen. Japhet holt ein Messer. Die Gäste schlafen noch, darunter Kinder. Er will sie nicht mit einem Schuss aufwecken.
Japhet: "Ich muss töten, ich muss das machen. Das ist Natur."
Der Todeskampf des Tieres würde noch Tage dauern. Japhet streicht ihm kurz übers Fell, biegt den Kopf an den fast ein Meter langen Hörnern nach hinten und sticht dem jungen Bullen rasch durch die Kehle in die Wirbelsäule. Er stirbt schnell und lautlos. Hellrotes Blut sickert in den Kies.
Ein Trampelpfad von Hufspuren zeigt, dass Eland- und Gnuantilopen jede Nacht hierherkommen. Der grüne Rasen zieht sie an wie ein Magnet, denn die 76 Quadratkilometer Busch- und Baumsavanne der Farm sind staubtrocken. Die Regenzeit lässt hier im nördlichen Zentralnamibia in Sichtweite des Waterberg-Plateaus seit Wochen auf sich warten. 400 Millimeter fallen im Jahresdurchschnitt auf Kambaku. Bislang aber nur ein paar kärgliche Tropfen.
Die tote Antilope ist zu klapprig, um Fleisch für die Küche zu liefern. Weil Japhet mit Gästen zur Jeepsafari in den Etosha-Nationalpark aufbricht, bringt Horst, genannt "Horsti" Hansen den Kadaver mit einem Landrover zum Luderplatz im Busch.
Horsti ist der "Professional Hunter" von Kambaku: Einer von etwa 100 Berufsjägern in Namibia. Er zieht den Kadaver von der Ladefläche und lässt ihn in eine Grube plumpsen. In den Kronen der Kameldornbäume warten schon die Geier: Mächtige Vögel mit zwei Metern Spannweite. Süßlicher Aasgeruch erfüllt die Luft.
Diese Grube, der Luderplatz, zieht auch Raubkatzen an: Horsti bückt sich: frische Leoparden-Spuren. Der Gefleckte ist nachts unterwegs, er wird jetzt irgendwo in der Deckung liegen: Kniehoch wächst das Buschgras, goldgelb und vertrocknet. Dornbüsche stehen dicht an dicht, ihre Äste schwarz, wie verkohlt. Die langen Dornen schimmern weiß wie Knochen. Es ist acht Uhr morgens und schon sehr warm, schätzungsweise 30 Grad. Unter seinem kakifarbenen Basecap hervor späht Horsti in den stahlblauen Himmel: Keine Regenwolke weit und breit.
Horsti Hansen: "Die alten Tiere und die Tiere, die etwas schwächer veranlagt sind, die gehen ein im Feld. Und wenn es richtig regnet und viel regnet und oft regnet, dann braucht man halt nicht Kadaver aufzuheben oder zu sehen im Feld, was ja auch nicht schön ist."
In kurzen Khakihosen und T-Shirt schwingt Horsti sich hinters Steuer des Landrovers und startet zur Kontrolltour. Täglich hält er jetzt Ausschau nach toten Antilopen. Er fährt zum nächstgelegen Wasserloch. Kambaku ist eine ehemalige Rinderfarm, erzählt Horsti. Vor ein paar Jahren wurden die inneren Zäune weggerissen und der Busch den Wildtieren überlassen. Etwa 1500 Großantilopen leben jetzt auf der Farm: Eland, Gnus, Oryx, Kuhantilopen und Kudus, das Wappentier Namibias. Rund 300 aus dem Nachbarland Botswana importierte Impalas, 15 Straußenpaare und 10 Giraffen.
Für umgerechnet 1200 Euro pro Stück wurden sie vor einigen Monaten neu eingekauft, berichtet Horsti: Attraktionen für die Safari-Touristen. Die können sich Kambakus Wildtiere zu Fuß angucken, mit dem Mountainbike, vom Pferderücken oder vom Jeep aus. Um die 1000 Euro kostet das pro Woche. Trophäenjäger, die aus Deutschland anreisen, um Hörner als Souvenirs mitzunehmen, zahlen weitaus mehr.
Der 40 Jahre alte Wagen rumpelt über Steine und durch tiefe Löcher, die Erdferkel auf nächtlicher Termitenjagd graben. Horsti reißt das Steuer herum: Eine Warzenschwein-Bache schießt aus einem Loch am Wegrand, gefolgt von zwei Frischlingen. Alle drei tragen die Schwänze hoch gereckt wie Antennen. Blitzschnell sind die Schweine im Dornendickicht verschwunden.
Horsti stoppt an einem der neun Wasserlöcher von Kambaku. Sie werden über Leitungen mit Grundwasser gespeist, das eine Pumpe aus 120 Metern Tiefe holt. Horsti studiert die vielen Tierspuren rund um die in Beton eingefasste Tränke:
"Also hier waren schon mal ein Haufen Oryxe beim Wasser. Dieses hier ist zum Beispiel ne Zebraspur. Die waren also auch da. Und das waren Perlhühner, die auch zum Wasser gekommen ist (sic). man sieht’s: Wasser ist lebensnotwendig."
Daran mangelt es den Tieren nicht, aber am Futter. Der dürre Busch gibt nicht mehr viel her. Horsti zündet sich eine Zigarette an, lehnt sich an den Landrover. Er ist 29, untersetzt, trägt einen kurzen Vollbart. Sein Großvater ist in die ehemalige Kolonie Deutsch-Südwest-Afrika ausgewandert. Horsti hat mit elf Jahren das Schießen gelernt, ist leidenschaftlicher Jäger. Mit Hilfe von Fährtenlesern führt er die Jagdgäste auf Kambaku ans Wild heran:
"Heutzutage ist es so, dass die Leute das Erlebnis und das Drumherum auch sehr schätzen. Wenn man lange gepirscht ist hinter sehr kapitalen, das heißt meistens in der Regel sehr alten Stücken, die natürlich sehr heimlich und sehr vorsichtig sind, und wenn man die dann austricksen kann und dann auch strecken kann mit einem Schuss und wenn du dann bei diesem Stück stehst, was sehr alt ist und wo du weißt, du hast dich gut rangepirscht, sehr gut geschossen und so, dann ist das schon kleiner Adrenalinstoß. Bisschen Macho ist auch mit drinne, ja."
Im Moment ist Schonzeit: Drei Monate im Jahr wird die Trophäenjagd in Namibia ausgesetzt. Aber Horsti hat genug zu tun. Er setzt sich ins Auto, fährt zum Außenzaun.
Als der deutsche Besitzer von Kambaku von Rindern auf Antilopen umsattelte, haben Arbeiter einen zwei Meter 40 hohen Wildzaun rund um die Farm gezogen. Nur die großen Kudubullen schaffen es in der Brunftzeit da drüberzuspringen. Warzenschweine buddeln sich allerdings unter dem Zaun durch.
Am Zaun angekommen, begrüßt Horsti Pit und seine Mannschaft, die gerade schwere, weiße Kalksteine von einem Anhänger ablädt. Der kleine, krumme Pit hat mit seinen Männern den Zaun hochgezogen. 34 Kilometer - Knochenarbeit. Seitdem wird er zum Flicken angeheuert. Um die 60 Namibiadollar verdient ein Arbeiter damit am Tag: etwa sechs Euro. Pit und seine Mannschaft kommen aus Ojiwarongo: Die nächste Kleinstadt, knapp 100 Kilometer entfernt, für namibische Verhältnisse gleich um die Ecke.
Einer der Gehilfen ist Pits Sohn Jeremiah: groß, schlank, Anfang 20. Er wälzt einen Steinbrocken in ein Loch am Zaunrand, greift zum Spaten, schaufelt das Loch zu.
Jeremiah: "So viele Löcher! Und das hier ist so groß. Aber wir haben schon viele zugeschaufelt. Die Steine finden wir hier auf der Farm. Die Löcher müssen immer zugemacht werden, damit die Warzenschweine und die Impalas drinbleiben."
Die Impalas sind klein genug, sich auch durch die Löcher aus dem Staub zu machen. Auch Oryxantilopen gehen unter dem Zaun durch, erklärt Horsti. Löcher grabende Tiere sind aber nur ein Grund, ständig ein Auge auf den Zaun zu haben.
Horsti: "Einfach nur die Kontrolle zu haben. Um zu sehen, wurde da gewildert, ist da jemand über den Zaun gestiegen, wurde der Zaun kaputt geschnitten. Zaunkontrolle ist in erster Linie sehr, sehr wichtig. Vor allem für eine Wildfarm."
Die Wilderer kommen nachts, schneiden Löcher in den Maschendrahtzaun, schießen eine Antilope und verkaufen das Fleisch auf dem Schwarzmarkt.
Horsti: "Was in meinen Augen eine absolute Schande ist. Wenn einer jetzt ein Stück Wild erlegt und das aufisst, weil er fast vor Hunger eingeht, na ja gut, da könnt ich noch ein Auge zu machen. Aber dass, was die Leute teilweise machen ist wirklich eine Schurkerei."
Horsti verabschiedet sich von Pit, fährt zurück zur Lodge. Er kurvt über den rötlichen Sandweg, den plötzlich drei junge Elandantilopen queren. 50 Meter weiter stoppen sie und schauen sich zum Jeep um. Horsti Hansen hält an. Die Elande sind dürr, leere Zementsäcke, sagt Horsi. Weil sie sogenannte Selektiväser sind, Feinschmecker. Frisches grünes Gras muss es schon sein.
Horsti: "Und dann fressen die gerne Kampferbusch, den fressen die sehr gerne, aber ich sehe, die haben ziemlich wenig Kampferbusch zur Zeit hier."
Es gibt aber noch ein zweites Problem:
"Wir haben auf Kambaku zur Zeit zu viele Elands. Wovon wir mindestens die Hälfte rausholen müssen dieses Jahr. Wenn es hoffentlich gut geregnet hat, werden wir das mit dem Hubschrauber machen und bestimmt 100 oder 120 raus fangen. Und den Rest werden wir übers Jahr aufgeteilt raus schießen, für Fleisch. Und das halt verkaufen."
Andere Wildfarmen in Namibia und Südafrika kaufen die raus gefangenen Tiere.
Am Horizont taucht die Lodge auf, Horsti rattert am Reitplatz vorbei zur Lagerhalle und Werkstatt.
Dort trifft er auf Werner de Fries, der Nachbar ist von seiner Rinderfarm "Glücksburg" zu Besuch gekommen. Er steht im Schatten eines Baumes voller Webervögel-Nester. Ob es auf Kambaku geregnet hat, will er als Erstes wissen. Auch auf seiner Farm: Fehlanzeige. Er macht sich Sorgen, dass es wird wie 2006. Das war kein gutes Jahr für ihn, sagt Werner de Fries. Er ist Ende 50, groß, schlank, wettergegerbt:
" Ja, das ist einfach so: Der Regen ist ausgefallen oder ausgeblieben, und wir mussten die Rinder mindestens um die Hälfte reduzieren, weil da ist nix gewachsen in der Zeit. Das ist das Problem.""
Zuchtkühe hat de Fries behalten. Er hofft.
"Wir müssten in zwei, drei Monaten mindestens 350 bis 400 Millimeter gut verteilten Regen haben, damit das Feld sich wieder erholt."
Und es sollte bald mal anfangen zu regnen. Sonst müssen die Rinderfarmer für viel Geld zufüttern oder noch mehr Vieh verkaufen
Werner de Fries: "Wenn ne Trockenheit ist, ist einfach böse. Alle meinen, das hat mit der Globalerwärmung zu tun. Ob das jetzt stimmt, weiß man nicht, aber man sieht ja die Katastrophen auf der Welt überall."
Seine Frau hat ihm verboten, das Wort Regen im Haus noch in den Mund zu nehmen, erzählt Werner. Das Warten macht die Farmer mürbe.
Werner de Fries: "Weil ne Trockenheit, sach ich immer, ist so wie Krebs : Du weißt, es geht dem Ende zu, aber Du weißt nicht wann es so weit ist bist Du alles verloren hast. Du versuchst ja, dann kaufst du dir Gras und sagst dir, komm, wir probiern noch einen Monat weiter, und wenn es dann nicht is’. Und so wird’s immer schlimmer, immer schlimmer. Du wirst im Kopf krank. Du siehst die Viecher da, du kannst denen eigentlich nicht helfen."
Horsti und Werner gehen Kaffee trinken. Dann fährt der Rinderzüchter durch den Busch nach Hause. Es ist Abend. Horsti bringt in der gemauerten Feuerstelle im Garten der Lodge Kameldornäste zum Brennen. Bald hat er einen Haufen Glut.
"Ein Namibianer wär ohne seinen Grill kulturlos."
…, sagt Horsti und schiebt den Grillrost über die Glut.
"Brai heißt das bei uns, das traditionelle Brai."
Die Gäste sitzen auf der Terrasse an weiß gedeckten Tischen. Das Fleisch ist fertig, die Ersten schlendern mit ihren Tellern über den Rasen.
Als alle mit Fleisch versorgt sind, steigt Horsti in einen weißen Kleinbus, er will zwei Gäste von einem Wasserloch abholen, wo sie in der Dämmerung Wildtiere beobachtet haben. Er schaut prüfend in den Abendhimmel. Aber die Wolken stehen in der falschen Richtung, sagt er: im Westen.
Horsti: "Im Westen liegt der Atlantische Ozean und von da aus kommt kein Regen. Niemals. Unser Regen kommt immer von Nordost so."
Aus Angola und Mozambique also. Dort regnet es schon seit Tagen. Der Sambesi, der durch beide Länder fließt, steigt und steigt. Aber in Namibia ist noch nicht viel Regen angekommen. Der Bus zieht eine Staubspur durch die Dunkelheit. Im Scheinwerferlicht taucht eine Gruppe Kuhantilopen auf.
Horsti: "Da ist ne Kuh, und die hat nen ziemlichen Bauch. Du dummes Viech du! Muss der Regen jetzt mal bald kommen, Du, mei o mei."
Wenn ihre Mütter kaum etwas zu fressen finden, haben kleine Kälber nur schlechte Überlebenschancen, erklärt Horsti.
Nach kurzer Fahrt kommt er am Hochsitz an. Die beiden Gäste steigen ein. Und – welche Tiere habt ihr gesehen, fragt der Berufsjäger.
Gast: "Alles mögliche: Oryx, nen starken Gnubullen, den starken Keiler, der mit seinem Adjutanten hier immer lang tappst. Kleiner Springbock mit nem ganz kleinen Kalb."
Horsti: "Starker Keiler? Wie stark?"
Gast: "Na, so 70 Kilo, wirklich stark."
Horsti: "Da sind Feldhasen. Ich mein jetzt von den Waffen her."
Gast: "Ich hab nicht so die Vergleiche Horsti, aber er ist im Wildbret stärker als jedes Schwein, das ich hier irgendwie gesehen hab."
Horsti rumpelt durch die Nacht zurück zur Lodge. Schon nach wenigen Minuten ist das Ziel erreicht. Horsti verschwindet in seinem kleinen Bungalow am Rand der Lodge. Die Gäste gehen früh schlafen, müde von der Hitze, den Natureindrücken und dem südafrikanischen Rotwein. Der Wind dreht in dieser Nacht und bringt ihn endlich: den Regen. Begleitet von einem Gewitter, so heftig, wie man es in Deutschland selten erlebt: Gewaltige Blitze krachen, lassen den nachtschwarzen Busch taghell aufleuchten.
Das deutschsprachige Radioprogramm aus Windhoek meldet Regen in ganz Nord- und Zentral-Namibia. Am nächsten Morgen steht das Wasser in großen Pfützen auf den Wegen. Die Luft ist frisch und duftet nach Kampferbusch. Ein starker, scharfer Geruch wie in einer Kräuterapotheke
Horsti kommt mit einem Becher Kaffee in der Hand aus der Küche, trotz der deutlich kühleren Luft wie immer in Shorts. 21 Millimeter hat er im Regenmesser gefunden, strahlt er. Die sind überall auf Kambaku verteilt: Trichter aus durchsichtigem Plastik mit Markierungen am Rand. So sehnsüchtig der Regen auch erwartet wird: heftige Gewitter bringen auch Probleme: Auf der Lodge ist der Strom ausgefallen: Blitzeinschlag, auch das Telefon ist tot. Schlimmer ist, dass der große Kühlraum für das Wildfleisch ohne Strom nicht mehr kühlt. Das Fleisch wird sehr schnell verderben. In Ojiwarongo gibt es Supermärkte und Metzgereien, aber der Weg steht unter Wasser: Bis zur Teerstraße in die Stadt sind es 17 Kilometer Piste durch den Busch.
Für die Gäste wird aber Fleisch gebraucht. Horsti und Johannes beschließen, am Abend auf die Jagd zu gehen. Trophäen darf man jetzt nicht schießen, Fleisch aber schon. Johannes, genannt Jojo, ist der Sohn des Besitzers der Farm, der in Deutschland lebt, einige Monate im Jahr aber auf der Farm verbringt. Jojo ist 23, studiert BWL in Münster, ist jetzt für ein längeres Praktikum auf Kambaku.
Horsti setzt Jojo im Busch ab, fährt mit dem Jeep ein Stück weiter. Gebückt, die Winchester auf dem Rücken hängend, schleicht Jojo gegen den Wind durch die Dornbüsche. Schon so kurz nach dem Regen wird der Busch grün: Die scheinbar toten Dornbüsche bekommen winzige neue Blätter. Aus dem Boden sprießen die ersten saftigen Grashalme. Jojo orientiert sich mit einem GPS-Gerät, als in der Ferne ein Schuss kracht: Horsti!
Langsam wird es dämmrig, das nächste Gewitter zieht grummelnd heran. Jojo kauert sich am Rand einer Lichtung auf die Fersen, wartet. Im Dickicht knackt und knirscht es: ein kapitaler Elandbulle. Ein Trophäentier, also tabu.
Es wird jetzt schnell dunkel. Jojo gibt die Pirsch auf, geht eilig zum Fahrweg zurück, das GPS stets im Blick. Dass eine Jagd ohne Schussmöglichkeit endet, ist nichts Ungewöhnliches.
Jojo: "Das ist eher wahrscheinlich, als dass man was bekommt. Vor allem in dem dichten Busch muss man da ziemlich aufpassen. Viel weiter als 80 Meter kann man an vielen Stellen nicht gucken. Man muss vor allem ruhig sein dabei."
Am Horizont nähern sich zwei helle Punkte: Horsti kommt mit dem Landrover. Auf der Ladefläche eine junge Elandkuh: Blattschuss. Jojo wünscht Waidmannsheil, setzt sich auf den Rücksitz, Horsti gibt Gas, denn das Gewitter ist jetzt nahe
Neben der Werkstatthalle ist der Schlachtplatz: eine asphaltierte Fläche, darüber ein Stahlgerüst. Der Strom ist wieder da: Horsti macht eine starke Lampe an, legt eine Seilwinde um die Hinterläufe der Antilope, zieht sie mit einer Motorwinde hoch, bis das Tier in der Luft baumelt. Es ist so groß wie ein Pferd, wiegt an die 300 Kilo.
Horsti zückt ein scharfes Messer mit Holzgriff und breiter Klinge, zieht der jungen Elandkuh Stück für Stück das Fell ab. Drei oder vier Jahre ist sie alt geworden.
In zwei Bottichen daneben dümpeln Gnuschädel in einer fauligen Lake: Das Fleisch wird zersetzt, nur die blanken Knochen und die Hörner bleiben übrig. Das Präparat kommt dann in die Post, Wandschmuck für den Schützen, der längst nach Deutschland, Österreich oder in die Schweiz zurückgekehrt ist.
Obwohl der auffrischende Wind den infernalischen Gestank der Brühe zu ihnen herüberweht, sitzen neben dem Schlachtplatz Pits Zaunarbeiter um zwei Kochfeuer. In ausgedienten Blechdosen kochen sie Innereien: Horsti hat den Männern das Fleisch aus dem Kühlraum gegeben, das zu vergammeln drohte.
Jeremiah: "Wir kochen die Zungen von den Tieren, die man uns gegeben hat. Die hier ist vom Oryx und von welchem Tier die andere ist, weiß ich nicht so genau. Wenn du sie gut kochst, ist es okay. "
Schlagartig schüttet es wie aus Kübeln. Die schwere Arbeit ist getan , und Horsti, der Jäger zufrieden:
" "Du musst das Tier anpirschen, musst das Tier schießen, musst das Tier aufladen und es selber auseinandertrennen, es selber verarbeiten, dann haste ganze Arbeit gemacht."
Es wird die ganze Nacht regnen. Und den nächsten Tag auch. Das Leben auf Kambaku geht weiter.