Marina Münkler über den Film „Die Wannseekonferenz“

„Das Leid der Menschen wird ausgeblendet“

10:15 Minuten
ZDF-Film Die Wannseekonferenz - Von links: Dr. Rudolf Lange (Frederic Linkemann), Dr. Eberhard Schöngarth (Maximilian Brückner), Dr. Josef Bühler (Sascha Nathan), Dr. Georg Leibbrandt (Rafael Stachowiak), Dr. Alfred Meyer (Peter Jordan), Adolf Eichmann (Johannes Allmayer), Ingeburg Werlemann (Lilli Fichtner), Heinrich Müller (Jakob Diehl), Reinhard Heydrich (Philipp Hochmair), Otto Hofmann (Markus Schleinzer), Dr. Gerhard Klopfer (Fabian Busch), Friedrich Wilhelm Kritzinger (Thomas Loibl), Dr. Wilhelm Stuckart (Godehard Giese), Martin Luther (Simon Schwarz), Erich Neumann (Matthias Bundschuh), Dr. Roland Freisler (Arnd Klawitter).
Banalität des Bösen oder eine Banalisierung des Bösen? Der ZDF-Film "Die Wannseekonferenz". © ZDF / Julia Terjung
Marina Münkler im Gespräch mit Jana Münkel · 22.01.2022
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Der ZDF-Film „Die Wannseekonferenz“ zeichnet nach, wie Vertreter des NS-Regimes vor 80 Jahren den Massenmord an den Juden organisierten. Die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler findet den Film trotz historischer korrekter Darstellung nicht gelungen.
Die Darstellung der Ereignisse sei "sicherlich sehr korrekt", sagt die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler über den Film „Die Wannseekonferenz“ von Regisseur Matti Geschonneck. Der historische Spielfilm zeichnet anhand des Protokolls die Ereignisse der Wannseekonferenz nach, bei der Vertreter der Ministerialbürokratie sowie Partei- und SS-Funktionäre am 20. Januar 1942 die „Endlösung der Judenfrage“ planten.
Laut Münkler zielt der Film auf das, was Hannah Ahrendt über den Eichmann-Prozess in Jerusalem geschrieben habe – auf die „Banalität des Bösen“. Etwa würde in den Film so gesprochen, „als würde man über x-beliebige organisatorische Dinge reden – und nicht über die Ermordung von Millionen von Menschen“.
Trotzdem findet die Literaturwissenschaftlerin den Film nicht gelungen. Denn „was der Film damit leistet, ist eine Banalisierung des Bösen, und das ist etwas ganz anderes als die Banalität des Bösen“. Dies sei von Regisseur Matti Geschonneck aber sicherlich nicht intendiert.

Ignoranz in der Bevölkerung

Wie im Protokoll der Wannseekonferenz sei auch im Spielfilm der Hinweis auf die Ermordung der Juden weitgehend ausgeblendet, so Münkler. Damit werde noch einmal nicht sichtbar gemacht, was eigentlich der Gegenstand des Geschehens sei. Für Münkler ist „der große Pferdefuß des Filmes“, dass das „ungeheuerliche Leid der Menschen“ ausgeblendet werde.
„Wenn Sie das ausblenden, auch die Ignoranz in der Bevölkerung gegenüber diesen Opfern, dann macht man einen Fehler, glaube ich.“

Relativ hoher Anteil an Antisemitismus

Münkler bezweifelt, dass die bürokratische Darstellung der Geschehnisse der Wannseekonferenz alle Zuschauer in der beabsichtigten Weise erreicht. Man könne nicht voraussetzen, dass sich alle Deutschen und jeder bei uns Lebende mit der NS-Zeit auskenne und sofort wisse, was Auschwitz bedeute, sagt sie.
Auch gebe es einen relativ hohen Anteil an Antisemitismus in der Bevölkerung. Das könne man etwa an den antisemitischen Äußerungen im Zuge der Querdenkenbewegung sehen. Ob diese Menschen den Film so wahrnehmen, wie er intendiert sei, „daran habe ich starke Zweifel".
(tmk)

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