Wann ist ein Mann ein Mann?
Männer! 1984 war dieser Song von Herbert Grönemeyer der Hit des Jahres. Das ist nun zwar 23 Jahre her – aber die Platte wird immer noch gespielt, ganz so, als würden sich Männer nie weiter entwickeln, obwohl Frau sich schon damals nicht sicher war, wie ernst oder wie ironisch der gute Herbert das nun wieder auf seine Geschlechtsgenossen gemünzt hatte:
"Männer sind so verletzlich, Männer sind auf dieser Welt einfach unersetzlich." Dann folgt der Refrain, nach der letzten Strophe klingt er wie ein Hilfeschrei:"Wann ist ein Mann ein Mann?"
Nichts ist mehr so, wie es vor dem Feminismus und dem ganzen Gedöns – angeblich - mal war: so sicher, so klar aufgeteilt, so herrlich. Die Männerwelt in Deutschland ist in Aufruhr. Ihr Geschlecht ist in Gefahr!
Nicht, dass Männer ihre Führungspositionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wirklich streitig gemacht würden. Erst ein Viertel der Plätze in den eher mittleren Etagen der Privatwirtschaft und ungefähr ein Fünftel in den öffentlichen Ämtern sind von Frauen besetzt. Armut und Alterspflegebedürftigkeit sind auch weiblich.
Was also macht den Männern nun Angst? Worin liegt die Gefahr? Die Antwort, vielfach in den Medien hin- und hergewendet: Die Jungs sind in Not.
Denn, so listen die Alten auf, Jungen haben doppelt so häufig wie Mädchen keinen Schulabschluss. Ein Drittel gilt bereits im Alter von zehn Jahren als Analphabeten. Ein weiteres Drittel hat überhaupt nur die Hauptschule absolviert. Mädchen werden bevorzugt, gefördert, durch überflüssige Gleichstellungsverordnungen aus ihren angestammten Milieus in die traditionellen männlichen Bereiche gedrängt. Trotz Jahrtausende alter patriarchaler Netze und Kulturen sind sie, die Mädchen, in diesen ihnen artfremden Bereichen auch noch in allem besser. Und Jungen fallen hinten runter. Nicht mehr "das katholische Mädchen auf dem Land" ist das Stiefkind aller PISA- Studien, sondern "der türkische Junge aus dem Großstadtkiez". Sie genügen nicht mehr den Ansprüchen der Männer in dieser Gesellschaft. Sie versagen.
Nur, welcher Mann lässt sich schon gern nachsagen, dass er ein Versager ist? Noch schlimmer, welcher Vater möchte hören, dass sein Sohn, sein Geschlecht, ein Versager ist? Eben.
Und wer ist schuld an diesem Durcheinander? An dieser Orientierungslosigkeit der Männer? Richtig, die Frauen. Sie sind als Gebärende, Kinderfrauen, Tagesmütter, Kindergärtnerinnen, Grundschullehrerinnen, überhaupt Lehrerinnen, als Geliebte, Ehefrauen, Schwiegermütter, Großmütter, Tanten, Sekretärinnen, Assistentinnen - die Ursache allen männlichen Übels. Sie stürzen die Männer von Geburt an mit ihrem Hegen und Pflegen ins Unglück. Der Junge erblickt das Licht der Welt und sieht nur noch Frauen um sich herum. Das, so stellen die Meinungsführer empört fest, sei unverantwortlich. Wie bitte schön, soll denn in diesen Zuständen aus dem hoffnungsvollen Nachwuchs ein Mann werden?
Ein Mann, keine Memme. Ein Leistungsträger, kein Schulversager. Ein Mann, der die Welt oder wenigstens eine Haupt-Abteilung dirigiert, kein Hausmann.
Mann o Mann. Welch leicht durchschaubare Strategie, bei der Männer nichts mit dem zu tun haben wollen, was sie verursachen. Mann mogelt sich aus allem raus und hat dieses Outsourcing-Denken über die eigene Verantwortung längst bis in die Ökonomie durchgesetzt. Von Aktiengesellschaften bis zu Callcentern, von der Börse bis zur digitalisierten Computerwelt – wen wollte man da verantwortlich machen in dieser neuen Welt der undurchsichtigen Entscheidungsstrukturen? Diese Welt aber spiegelt die Psyche des Mannes und widerspiegelt seine Sozialisation. Nicht wegen der zu vielen Frauen, sondern wegen der mangelnden männlichen Vorbilder versagt er. Dabei hat Papa doch alle Macht der Welt, sich um seinen Nachwuchs zu kümmern. Er müsste sich mit seinen Geschlechtsgenossen nur einig sein.
Aber hat man je schon davon gehört, dass Männer darum kämpfen, ihre Arbeitswelt familienkompatibel zu gestalten? Reißen sich Männer darum, "wertvolle Familienzeit" mit ihren Kindern zu verbringen? Wird etwa gerade diskutiert, dass Väter mehr Krippenplätze einklagen und dafür ein selbstredend zukunftsorientiertes Finanzierungskonzept anbieten? Sorgen Männer mit Blick auf die Nachhaltigkeit von Gesellschaft sowohl materiell als auch sozial für Bildung und Ausbildung, eine intakte Umwelt und Moral? Sind sie die, die Respekt vorleben – gegenüber den Mitmenschen, der Natur und nicht zuletzt gegenüber ihnen, den Söhnen? Die Antwort, wann ein Mann ein Mann ist, ist wirklich ganz einfach: Sobald er seine Verantwortung übernimmt, die er für sich und seine Nachkommen hat. Dann hätten die Jungs wieder eine Chance, dann würde die Welt besser aussehen.
Rosemarie Bölts, Journalistin: Nach abgeschlossenem Hochschulstudium Redakteurin im Ressort Politik bei der Wochenzeitung "Deutsche Zeitung/Christ und Welt" und arbeitete anschließend beim Deutschlandfunk in Köln. Seit Jahren ist sie freischaffend tätig als Journalistin, Autorin, Moderatorin, Reporterin und Diskussionsleiterin. Außerdem arbeitet sie als redaktionelle Mitarbeiterin sowie Fernsehkritikerin für ARD-Hörfunk-Anstalten und Printmedien
Nichts ist mehr so, wie es vor dem Feminismus und dem ganzen Gedöns – angeblich - mal war: so sicher, so klar aufgeteilt, so herrlich. Die Männerwelt in Deutschland ist in Aufruhr. Ihr Geschlecht ist in Gefahr!
Nicht, dass Männer ihre Führungspositionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wirklich streitig gemacht würden. Erst ein Viertel der Plätze in den eher mittleren Etagen der Privatwirtschaft und ungefähr ein Fünftel in den öffentlichen Ämtern sind von Frauen besetzt. Armut und Alterspflegebedürftigkeit sind auch weiblich.
Was also macht den Männern nun Angst? Worin liegt die Gefahr? Die Antwort, vielfach in den Medien hin- und hergewendet: Die Jungs sind in Not.
Denn, so listen die Alten auf, Jungen haben doppelt so häufig wie Mädchen keinen Schulabschluss. Ein Drittel gilt bereits im Alter von zehn Jahren als Analphabeten. Ein weiteres Drittel hat überhaupt nur die Hauptschule absolviert. Mädchen werden bevorzugt, gefördert, durch überflüssige Gleichstellungsverordnungen aus ihren angestammten Milieus in die traditionellen männlichen Bereiche gedrängt. Trotz Jahrtausende alter patriarchaler Netze und Kulturen sind sie, die Mädchen, in diesen ihnen artfremden Bereichen auch noch in allem besser. Und Jungen fallen hinten runter. Nicht mehr "das katholische Mädchen auf dem Land" ist das Stiefkind aller PISA- Studien, sondern "der türkische Junge aus dem Großstadtkiez". Sie genügen nicht mehr den Ansprüchen der Männer in dieser Gesellschaft. Sie versagen.
Nur, welcher Mann lässt sich schon gern nachsagen, dass er ein Versager ist? Noch schlimmer, welcher Vater möchte hören, dass sein Sohn, sein Geschlecht, ein Versager ist? Eben.
Und wer ist schuld an diesem Durcheinander? An dieser Orientierungslosigkeit der Männer? Richtig, die Frauen. Sie sind als Gebärende, Kinderfrauen, Tagesmütter, Kindergärtnerinnen, Grundschullehrerinnen, überhaupt Lehrerinnen, als Geliebte, Ehefrauen, Schwiegermütter, Großmütter, Tanten, Sekretärinnen, Assistentinnen - die Ursache allen männlichen Übels. Sie stürzen die Männer von Geburt an mit ihrem Hegen und Pflegen ins Unglück. Der Junge erblickt das Licht der Welt und sieht nur noch Frauen um sich herum. Das, so stellen die Meinungsführer empört fest, sei unverantwortlich. Wie bitte schön, soll denn in diesen Zuständen aus dem hoffnungsvollen Nachwuchs ein Mann werden?
Ein Mann, keine Memme. Ein Leistungsträger, kein Schulversager. Ein Mann, der die Welt oder wenigstens eine Haupt-Abteilung dirigiert, kein Hausmann.
Mann o Mann. Welch leicht durchschaubare Strategie, bei der Männer nichts mit dem zu tun haben wollen, was sie verursachen. Mann mogelt sich aus allem raus und hat dieses Outsourcing-Denken über die eigene Verantwortung längst bis in die Ökonomie durchgesetzt. Von Aktiengesellschaften bis zu Callcentern, von der Börse bis zur digitalisierten Computerwelt – wen wollte man da verantwortlich machen in dieser neuen Welt der undurchsichtigen Entscheidungsstrukturen? Diese Welt aber spiegelt die Psyche des Mannes und widerspiegelt seine Sozialisation. Nicht wegen der zu vielen Frauen, sondern wegen der mangelnden männlichen Vorbilder versagt er. Dabei hat Papa doch alle Macht der Welt, sich um seinen Nachwuchs zu kümmern. Er müsste sich mit seinen Geschlechtsgenossen nur einig sein.
Aber hat man je schon davon gehört, dass Männer darum kämpfen, ihre Arbeitswelt familienkompatibel zu gestalten? Reißen sich Männer darum, "wertvolle Familienzeit" mit ihren Kindern zu verbringen? Wird etwa gerade diskutiert, dass Väter mehr Krippenplätze einklagen und dafür ein selbstredend zukunftsorientiertes Finanzierungskonzept anbieten? Sorgen Männer mit Blick auf die Nachhaltigkeit von Gesellschaft sowohl materiell als auch sozial für Bildung und Ausbildung, eine intakte Umwelt und Moral? Sind sie die, die Respekt vorleben – gegenüber den Mitmenschen, der Natur und nicht zuletzt gegenüber ihnen, den Söhnen? Die Antwort, wann ein Mann ein Mann ist, ist wirklich ganz einfach: Sobald er seine Verantwortung übernimmt, die er für sich und seine Nachkommen hat. Dann hätten die Jungs wieder eine Chance, dann würde die Welt besser aussehen.
Rosemarie Bölts, Journalistin: Nach abgeschlossenem Hochschulstudium Redakteurin im Ressort Politik bei der Wochenzeitung "Deutsche Zeitung/Christ und Welt" und arbeitete anschließend beim Deutschlandfunk in Köln. Seit Jahren ist sie freischaffend tätig als Journalistin, Autorin, Moderatorin, Reporterin und Diskussionsleiterin. Außerdem arbeitet sie als redaktionelle Mitarbeiterin sowie Fernsehkritikerin für ARD-Hörfunk-Anstalten und Printmedien