Hilfsmittel

Wann ist ein Rollator sinnvoll?

08:01 Minuten
Ein Bewohner eines Pflegeheims geht mit einem Rollator einen Gang entlang.
Rollatoren können hilfreich sein, aber auch die Sturzgefahr erhöhen. © dpa / picture alliance / Marijan Murat
Von Peter Kolakowski · 24.03.2024
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Rollatoren sind die am häufigsten vom Arzt verschriebenen Hilfsmittel - gerade im Alter. Doch wenn man sich zu früh darauf verlässt, kann ein Rollator auch zum Risiko werden. Was ist zu beachten? Wir haben mit einem Rehatrainer gesprochen.
Die 80-jährige Astrid Lenz, unlängst gestürzt, wird betreut von Sportlehrer Larson Lechler. Lechler leitet das Sportstudio im Kölner Hildegardis Krankenhaus.

Training soll vom Rollator unabhängig machen

Sein Training soll vom Rollator unabhängig machen. Solche Bewegungsangebote sind an Kliniken allerdings noch die große Ausnahme. In großen „Rollatorhochburgen“ wie Seniorenheimen gibt es sie bisher überhaupt nicht.

Ziel ist der Rückgewinn der Alltagskompetenz und der Eigenständigkeit, also den Rollator auch wieder loszuwerden. Zu früh an den Rollator gebunden zu sein, bedeutet fast verschenkte Jahre. Man baut eigene Strukturen, Muskulatur, Haltung, einfach Kompetenz ab, wenn man sich an den Rollator bindet.

Sportlehrer Larson Lechler

Nach ihrem Sturz kam Astrid Lenz zunächst in die Kölner Uni-Klinik - und mit vier Rädern wieder heraus, erzählen Astrid Lenz und ihr Mann Arthur nach dem Training ihre Vorgeschichte:

Arthur Lenz: „So, dass sie nur gelegen hatte oder mal auf die Toilette gegangen ist. Dadurch hatte sie Null Muskulatur. Als man sie dann vier Wochen dort behalten hatte, stellte man fest, dass sie nicht eine therapeutische Behandlung während dieser Zeit bekommen hatte.“

Astrid Lenz: „Ja, eine Weiterbehandlung im Krankenhaus therapeutischer Art war nicht vorgesehen. Dann haben sie mich die paar Kilometer weiter zu Hause wieder abgeworfen.“

Wann Rollatoren sehr hilfreich sind

Bei Larson Lechler gewinnt die Seniorin jetzt ihre Kraft, ihre Mobilität und ihre Unabhängigkeit auf zwei Beinen zurück.
Doch viele Rollatornutzer würden sich diesen Schritt gar nicht trauen, so Sportlehrer Lechler - sondern seien überzeugt, dass es ohne Gehhilfe eben nicht mehr gehe.

Rollatoren machen bei bestimmten Indikationen wie nach einer Operation an Knochen und Gelenken, bei ständigem Schwindel, einer Parkinson-Erkrankung, einer Demenz, oder nach einem Schlaganfall natürlich Sinn, ergänzt die Sportwissenschaftlerin und Rehabilitationstrainerin Marion Oldekamp-Koop vom Turnverein Bergisch-Gladbach-Refrath.

„Weil ich da diese Bewegungskontrolle nicht mehr habe oder auch nicht mehr die Kontrolle über die Muskulatur, wie ich es mir wünsche und wie es eigentlich sein sollte.  Aber wichtig ist auch immer zu bedenken: Das Ganze sollte man mit einem speziellen Training kombinieren, bei dem es darum geht, erst mal den Rollator richtig zu bedienen, dann aber dahin zu kommen, den Rollator abzutrainieren, sodass ich mich dann wieder ohne Rollator fortbewegen kann, wieder in meiner geraden, aufrechten Körperhaltung mich bewege und mich eigenständig und selbstständig durch den Tag bewegen kann.“
Das gilt gerade für die, welche nur aus subjektivem Sicherheitsempfinden heraus einen Rollator vor sich herschieben wollen.

Rollatoren können sogar Sturzgefahr erhöhen

Die Gefahr, dass durch den Rollator auf lange Sicht Mobilität und Gehsicherheit zurückgehen und vielmehr die Pflegebedürftigkeit und Sturzgefahr steigen, ist den meisten nicht bewusst, warnt der emeritierte Sportwissenschaftler Hans-Andreas Bloss.
Er wirbt stattdessen für Balanced Fitness - sprich: regelmäßige Gymnastik kombiniert mit Gleichgewichtstraining.
Selbst Krankenkassen warnen nachdrücklich vor einer Mobilmachung durch Rollatoren, falls keine schweren und irreversiblen Beeinträchtigungen der Orientierungsfähigkeit und des Gangbildes dafür sprechen. 

„Ist die Nutzung eines Rollators angebracht, sollte die Nutzungsdauer unbedingt zeitlich begrenzt werden. Denn: Sich den Rollator nach längerer Nutzung oder im Alter wieder abzugewöhnen, ist erst schwierig, dann so gut wie unmöglich,“ erklärt die Barmer.

Rehatrainer Lechler sieht aber auch noch einen anderen Grund, warum immer mehr Rollator fahren statt zu gehen:

Dass es eben ums Verkaufen geht. Wie wahrscheinlich so oft im Gesundheitssystem spart man sich die Qualität weg. Ich denke, es ist einfach ein Kostenfaktor, der dazukommt und eine Reduzierung von Betreuungspersonal, was dazukommt. Letztlich läuft es immer wieder auf den maximalen Gewinn hinaus.

Rehatrainer Larson Lechler

Oft nicht an Körpergröße angespasst

Oft sind Rollatoren nicht an die Körpergröße und die individuelle Schrittlänge der Benutzer angepasst. Auch die wichtige Einweisung für die Benutzung findet weder in Arztpraxen, selten in Sanitätshäusern und schon gar nicht bei Billigmodellen vom Discounter statt.
Der Spitzenverband der Krankenkassen empfiehlt Ärzten und Anbietern, eine individuelle typgerechte Beratung vorzunehmen. Verpflichtet sind sie dazu bis heute nicht!
So sieht man viele, die gebeugt und zu stark nach vorne geneigt hinter ihrem Vierrad herlaufen. Geht es dann noch bergab oder über Kopfsteinpflaster, sind Stürze fast vorhersehbar.

Welche Anti-Rollator-Übungen es gibt

Die Bewegungspädagogin und Gleichgewichtsexpertin Dorothea Beigel hat mehrere Bücher über Anti-Rollator-Übungen geschrieben.
Denn: Es gehe auch ohne Gehhilfe. Kein Rollator, stattdessen ein Sportkurs auf Rezept für gezielte Gleichgewichts-, Kraft- und Koordinationsübungen.

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