Walter: Krise wird an vielen Unternehmen vorbeigehen
Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, beobachtet die aktuelle Krise am US-Hypothekenmarkt mit Sorge. Die Nervosität sei sehr groß. Dennoch erwarte er für viele Unternehmen in Europa und Asien keine negativen Auswirkungen, sagte Walter.
Christopher Ricke: Wer in US-Werten direkt oder indirekt investiert hat, hat es in den vergangenen Tagen und Wochen schon gespürt. Die wachsende Sorge über die Krise am Hypothekenmarkt hat die US-Börsen schon gehörig unter Druck gesetzt. Es wird bereits geunkt, die jüngsten Turbulenzen seien Vorboten einer platzenden Spekulationsblase, so wie vor sieben Jahren. Damals waren es allerdings nicht die Immobilien, damals war es der neue Markt, der den Aktionären große Sorge bereitete. Norbert Walte ist der Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Guten Morgen, Herr Professor Walter.
Norbert Walter: Guten Morgen.
Ricke: Müssen wir denn jetzt wirklich zittern? Ist das Szenario jetzt mit dem des Jahres 2000 zu vergleichen?
Walter: Nein, 2000 ist es nicht, zittern ist auch nicht meine Art, aber in Sorge sein und wachsam sein, das müssen wir. Denn es gibt natürlich nicht nur diesen sogenannten Subprime Market in den USA, der Anlass zu Nachdenklichkeit ist, sondern es ist so, dass der Hausmarkt in den USA in den letzten Jahren wirklich massiv übertrieben hat. Die Hauspreise sind enorm gestiegen auf Höhen, die mit den Einkommen nicht mehr viel zu tun hatten. Und nicht nur diejenigen, die Subprime Market sind ja die Leute, die kein regelmäßiges Einkommen haben und trotzdem Immobilien erworben haben. Auch die Leute, die anständiges Einkommen haben, sind natürlich nun mehr, wo Häuserpreise, statt wie bisher ständig zu steigen, sinken, in einer schwierigeren Lage, die Finanzierung ihrer Häuser weiter zu bewerkstelligen. Die Zinsen steigen, und es spricht dafür, dass damit natürlich die Möglichkeiten für solche Haushalte, ihre bisherigen Ausgabegewohnheiten aufrecht zu erhalten, eher eingeschränkt werden. Und wir sehen es ja auch jetzt in den USA, die Käufe von Autos haben ja bereits auch einen kräftigen Dämpfer bekommen.
Ricke: Ist die europäische, ist die deutsche Kreditwirtschaft ähnlichen Risiken ausgesetzt wie die US-amerikanische?
Walter: Das betrifft zuerst und zuvorderst die amerikanische Seite, die finanziert hat. Aber wir wissen ja alle, dass unsere modernen Finanzierungsinstrumente immer öfter im Unklaren lassen, wo eigentlich die Risiken sind. Ganz viele Finanzinstitute, so die amerikanischen aber auch viele deutsche, haben zwar Geschäfte gemacht, die hohe Risiken beinhalten, aber dann die Risiken entsprechend verpackt, entsprechend mit dem Kunden informiert, dann weiter verkauft. Und diese Risiken sind dann zum Teil bei Pensionsfonds, die sind zum Teil bei Privaten gelandet, die sind zum Teil aber offenkundig auch in anderen Finanzierungsinstituten gelandet. Und dort, wo diese Risiken natürlich angekommen sind und noch in den Büchern stehen, gibt es die unmittelbaren Risiken. Das ist das eine. Aber man sollte andererseits auch sehr, sehr deutlich erkennen, dass die Institutionen, die Geschäfte gemacht haben und Risiken verkauft haben und die jetzt diese Risiken nicht mehr weiter verkaufen können, weil der Appetit der Kundschaft geringer ist, die werden natürlich auch diese eher risikoreichen Finanzierungsgeschäfte, die sie jetzt fünf, sechs, sieben Jahre lang gemacht haben, auch auf der Basis niedriger Refinanzierungskosten durch die Zentralbanken, nicht mehr machen können. Die Refinanzierung ist mindestens in den USA und in Europa natürlich teurer geworden.
Ricke: Entscheidend ist nun - das kann man als Faustregel hernehmen – dass die Wirtschaft gut genug läuft, um alle Turbulenzen durchzustehen. Darum lautet die Gretchenfrage jetzt, ist sie stark genug?
Walter: Ich glaube, dass es eine Reihe von Unternehmen gibt, die gerade in Europa aber auch in vielen asiatischen Ländern, die derzeit so gute Geschäfte machen, dass sie so viele Einnahmen an ihren Märkten generieren, dass sie selbst für die hohen Investitionen, die sie vornehmen wollen, oftmals weder den Kapitalmarkt noch die Banken brauchen. Und dort, wo man natürlich aus selbst verdientem Geld an den Märkten, die man selber bedient, auch seine eigenen Investitionen finanzieren kann, ist man natürlich vor solchen Problemen gefeit. Da ist die Bereitschaft zur Finanzierung durch die Finanzmärkte nicht relevant, da kommt es nicht darauf an, dass man Rückzahlungswünschen und Rückzahlungsverpflichtungen nachkommt. All das gilt für solche Unternehmen, wie ich sie gerade eben charakterisiert habe, nicht. Und solche Unternehmen – noch einmal – gibt es derzeit glücklicherweise in Europa und in vielen asiatischen Ländern zu Hauf.
Ricke: Es gibt aber noch genügend Unternehmen, die Geld bei den Banken sich leihen müssen, und bei den Banken ist auch nicht so alles im Reinen. Auch deutsche Banken sind betroffen. Da ist die Schieflage bei der Mittelstandsbank IKB, da brauchte man Milliardenzusagen, um das Problem einigermaßen auffangen zu können. Und auch ihr eigenes Haus hat in den letzten Wochen spürbare Kursrückgänge erlebt, so wie andere Banken auch. Sind das denn jetzt Dinge, die direkt mit der Krise bei den Hypotheken in den USA zu tun haben, oder streifen uns hier die Ausläufer eines Sturms?
Walter: Das sind nach meiner Einschätzung Ausläufer des Sturms, aber die allgemeine Besorgnis, dass es Risiken gibt, die man nicht genau beurteilen kann und die man jetzt auf alles, was sich bewegt, natürlich überträgt. Insofern gibt es ja nicht nur an ein paar Märkten, sondern an relativ vielen Märkten, auch an den im Prinzip starken asiatischen Märkten, beträchtliche Kursrückgänge. Wir haben wieder gerade mal so drei Prozent Kursrückgang beispielsweise in Hongkong gesehen. Und dies ist ein Hinweis darauf, dass die Nervosität an mehreren Märkten groß ist, wo gar nicht sicher ist, dass die ursprünglich auslösende Sache in den USA irgendwelche Wirkungen auf die Bilanzen und/oder die Unternehmen hätte.
Ricke: Was bedeutet denn das jetzt für den deutschen Kleinaktionär, der in den letzten Jahren ja doch recht verwöhnt worden ist?
Walter: Ja, der Kleinaktionär ist zwar in den letzten Jahren verwöhnt worden, wenn er investiert hat, aber unglücklicherweise, das wissen Sie ja, sind nach dem New-Economy-Boom, als die Aktienkurse bei uns recht kräftig zusammengebrochen sind, am neuen Markt dramatisch zusammengebrochen sind, ganz viele Kleinaktionäre nicht nur ausgestiegen, sondern nie mehr wieder eingestiegen. Mit anderen Worten, den Kursanstieg des DAX von unter 2500 auf über 8000 haben die meisten Kleinaktionäre in Deutschland durch zuschauen von außen mitgemacht, also nicht profitiert davon. Insofern ist dort natürlich jetzt auch keine Kalamität bei den kleineren Kurskorrekturen, die wir jetzt hinter uns haben, eingetreten. Auf der anderen Seite vermute ich, dass die kleinere Kalamität jetzt erneut die Besorgnis vieler Kleinanleger, dass sich Aktien für sie nicht lohnen und sie solches nicht erwägen sollen, eher verstärkt hat. Insofern bin ich in Sorge, dass die deutsche Aktienkultur, die sich ja nur einmal kurzzeitig um die Jahrzehntwende entwickelt hat, weiterhin in dem Dornröschenschlaf bleibt, in dem sie eigentlich schon immer ist und dass auf diese Weise natürlich die Deutschen bei den rentierlichen Anlagen, die andere Länder, andere Gesellschaften, die etwas mehr Risikobereitschaft haben, immer wieder eingehen, dass die bei uns nicht stattfinden. Ich befürchte also, weder die jetzige Krise schadet den deutschen Kleinaktionären, noch werden sie Gelegenheiten, die sich künftig bieten werden, nutzen.
Norbert Walter: Guten Morgen.
Ricke: Müssen wir denn jetzt wirklich zittern? Ist das Szenario jetzt mit dem des Jahres 2000 zu vergleichen?
Walter: Nein, 2000 ist es nicht, zittern ist auch nicht meine Art, aber in Sorge sein und wachsam sein, das müssen wir. Denn es gibt natürlich nicht nur diesen sogenannten Subprime Market in den USA, der Anlass zu Nachdenklichkeit ist, sondern es ist so, dass der Hausmarkt in den USA in den letzten Jahren wirklich massiv übertrieben hat. Die Hauspreise sind enorm gestiegen auf Höhen, die mit den Einkommen nicht mehr viel zu tun hatten. Und nicht nur diejenigen, die Subprime Market sind ja die Leute, die kein regelmäßiges Einkommen haben und trotzdem Immobilien erworben haben. Auch die Leute, die anständiges Einkommen haben, sind natürlich nun mehr, wo Häuserpreise, statt wie bisher ständig zu steigen, sinken, in einer schwierigeren Lage, die Finanzierung ihrer Häuser weiter zu bewerkstelligen. Die Zinsen steigen, und es spricht dafür, dass damit natürlich die Möglichkeiten für solche Haushalte, ihre bisherigen Ausgabegewohnheiten aufrecht zu erhalten, eher eingeschränkt werden. Und wir sehen es ja auch jetzt in den USA, die Käufe von Autos haben ja bereits auch einen kräftigen Dämpfer bekommen.
Ricke: Ist die europäische, ist die deutsche Kreditwirtschaft ähnlichen Risiken ausgesetzt wie die US-amerikanische?
Walter: Das betrifft zuerst und zuvorderst die amerikanische Seite, die finanziert hat. Aber wir wissen ja alle, dass unsere modernen Finanzierungsinstrumente immer öfter im Unklaren lassen, wo eigentlich die Risiken sind. Ganz viele Finanzinstitute, so die amerikanischen aber auch viele deutsche, haben zwar Geschäfte gemacht, die hohe Risiken beinhalten, aber dann die Risiken entsprechend verpackt, entsprechend mit dem Kunden informiert, dann weiter verkauft. Und diese Risiken sind dann zum Teil bei Pensionsfonds, die sind zum Teil bei Privaten gelandet, die sind zum Teil aber offenkundig auch in anderen Finanzierungsinstituten gelandet. Und dort, wo diese Risiken natürlich angekommen sind und noch in den Büchern stehen, gibt es die unmittelbaren Risiken. Das ist das eine. Aber man sollte andererseits auch sehr, sehr deutlich erkennen, dass die Institutionen, die Geschäfte gemacht haben und Risiken verkauft haben und die jetzt diese Risiken nicht mehr weiter verkaufen können, weil der Appetit der Kundschaft geringer ist, die werden natürlich auch diese eher risikoreichen Finanzierungsgeschäfte, die sie jetzt fünf, sechs, sieben Jahre lang gemacht haben, auch auf der Basis niedriger Refinanzierungskosten durch die Zentralbanken, nicht mehr machen können. Die Refinanzierung ist mindestens in den USA und in Europa natürlich teurer geworden.
Ricke: Entscheidend ist nun - das kann man als Faustregel hernehmen – dass die Wirtschaft gut genug läuft, um alle Turbulenzen durchzustehen. Darum lautet die Gretchenfrage jetzt, ist sie stark genug?
Walter: Ich glaube, dass es eine Reihe von Unternehmen gibt, die gerade in Europa aber auch in vielen asiatischen Ländern, die derzeit so gute Geschäfte machen, dass sie so viele Einnahmen an ihren Märkten generieren, dass sie selbst für die hohen Investitionen, die sie vornehmen wollen, oftmals weder den Kapitalmarkt noch die Banken brauchen. Und dort, wo man natürlich aus selbst verdientem Geld an den Märkten, die man selber bedient, auch seine eigenen Investitionen finanzieren kann, ist man natürlich vor solchen Problemen gefeit. Da ist die Bereitschaft zur Finanzierung durch die Finanzmärkte nicht relevant, da kommt es nicht darauf an, dass man Rückzahlungswünschen und Rückzahlungsverpflichtungen nachkommt. All das gilt für solche Unternehmen, wie ich sie gerade eben charakterisiert habe, nicht. Und solche Unternehmen – noch einmal – gibt es derzeit glücklicherweise in Europa und in vielen asiatischen Ländern zu Hauf.
Ricke: Es gibt aber noch genügend Unternehmen, die Geld bei den Banken sich leihen müssen, und bei den Banken ist auch nicht so alles im Reinen. Auch deutsche Banken sind betroffen. Da ist die Schieflage bei der Mittelstandsbank IKB, da brauchte man Milliardenzusagen, um das Problem einigermaßen auffangen zu können. Und auch ihr eigenes Haus hat in den letzten Wochen spürbare Kursrückgänge erlebt, so wie andere Banken auch. Sind das denn jetzt Dinge, die direkt mit der Krise bei den Hypotheken in den USA zu tun haben, oder streifen uns hier die Ausläufer eines Sturms?
Walter: Das sind nach meiner Einschätzung Ausläufer des Sturms, aber die allgemeine Besorgnis, dass es Risiken gibt, die man nicht genau beurteilen kann und die man jetzt auf alles, was sich bewegt, natürlich überträgt. Insofern gibt es ja nicht nur an ein paar Märkten, sondern an relativ vielen Märkten, auch an den im Prinzip starken asiatischen Märkten, beträchtliche Kursrückgänge. Wir haben wieder gerade mal so drei Prozent Kursrückgang beispielsweise in Hongkong gesehen. Und dies ist ein Hinweis darauf, dass die Nervosität an mehreren Märkten groß ist, wo gar nicht sicher ist, dass die ursprünglich auslösende Sache in den USA irgendwelche Wirkungen auf die Bilanzen und/oder die Unternehmen hätte.
Ricke: Was bedeutet denn das jetzt für den deutschen Kleinaktionär, der in den letzten Jahren ja doch recht verwöhnt worden ist?
Walter: Ja, der Kleinaktionär ist zwar in den letzten Jahren verwöhnt worden, wenn er investiert hat, aber unglücklicherweise, das wissen Sie ja, sind nach dem New-Economy-Boom, als die Aktienkurse bei uns recht kräftig zusammengebrochen sind, am neuen Markt dramatisch zusammengebrochen sind, ganz viele Kleinaktionäre nicht nur ausgestiegen, sondern nie mehr wieder eingestiegen. Mit anderen Worten, den Kursanstieg des DAX von unter 2500 auf über 8000 haben die meisten Kleinaktionäre in Deutschland durch zuschauen von außen mitgemacht, also nicht profitiert davon. Insofern ist dort natürlich jetzt auch keine Kalamität bei den kleineren Kurskorrekturen, die wir jetzt hinter uns haben, eingetreten. Auf der anderen Seite vermute ich, dass die kleinere Kalamität jetzt erneut die Besorgnis vieler Kleinanleger, dass sich Aktien für sie nicht lohnen und sie solches nicht erwägen sollen, eher verstärkt hat. Insofern bin ich in Sorge, dass die deutsche Aktienkultur, die sich ja nur einmal kurzzeitig um die Jahrzehntwende entwickelt hat, weiterhin in dem Dornröschenschlaf bleibt, in dem sie eigentlich schon immer ist und dass auf diese Weise natürlich die Deutschen bei den rentierlichen Anlagen, die andere Länder, andere Gesellschaften, die etwas mehr Risikobereitschaft haben, immer wieder eingehen, dass die bei uns nicht stattfinden. Ich befürchte also, weder die jetzige Krise schadet den deutschen Kleinaktionären, noch werden sie Gelegenheiten, die sich künftig bieten werden, nutzen.