Wo Musiker und ihre Fans der Obrigkeit trotzten
Gaschwitz, Limbach-Oberfrohna: DDR-Rockfans suchten sich für ihre Mini-Festivals gepflegte Kleinstädte und beschauliche Dörfer aus. Hier pulsierte junges Kulturleben, das der Obrigkeit trotzt. - Bei uns kommen Fans und Musiker zu Wort, die damals dabei waren.
Gekürztes Manuskript zur Sendung:
Lieder wie diese sind inzwischen gesamtdeutsches Kulturgut: Nina Hagen, Silly, Engerling, City, Puhdys, Karat und all die anderen sind Künstler des Ganzen. In vielen Jahren habe ich mir einen Überblick über die Rockszene der DDR verschafft und ein gewisses Maß an Expertenwissen erarbeitet. Das konnte ich dann als Musik- und später Kulturredakteur im West-Berliner Sender RIAS verwerten.
Einige werden sich noch an unsere Sendereihe Rock Over Rias mit Walter Bachauer und Barry Graves erinnern. Was mich jetzt interessiert und durch diese Deutschlandrundfahrt aufgedeckt werden soll, sind die Nischen, die mystischen, ziemlich unbekannten Orte, in denen auf kleinen Bühnen aktuelles Lebensgefühl und ein spezielles Daseinsideal entfacht und betanzt wurde. Die musikalische Grundorientierung war und ist der Blues, eine sehr variable Musikrichtung, die nichts zementiert.
So klang sie wirklich, die Renft-Combo mit "Cäsars Blues", und sie führt uns zum Thema. Da ich in meinen Sendungen auch Musik von Rockbands der DDR spielte, hatte ich das Vertrauen der dortigen Szene erworben. Bei Besuchen "drüben" erfuhr ich Einzelheiten aus deren Innenleben – von Pilgerfahrten langhaariger Kuttenträger in die Provinz, von Minifestivals, per Postkarte organisiert – bekanntlich waren Telefone rar in der DDR, Handys noch nicht erfunden. Also Mund zu Mund Propaganda, wenn in Orten wie Limbach-Oberfrohna, Ebersbrunn-Lichtentanne, im Amorsaal zu Mülsen St.Niclas, in Pössnack-Schlettwein oder Altdöbern am Wochenende die Post abgehen sollte.
Thüringen scheint dabei die aktivste Region gewesen zu sein. Hier wurde, sozusagen im richtigen Leben, eine Musik vorgeführt, die in den DDR-Medien nur begrenzt auftauchte und vom Staat misstrauisch beäugt wurde, denn die Vorbilder kamen auf Ätherwellen aus dem Westen.
Aus "Party-Time" wurde "Party-Zeit"
Mein erstes Reiseziel ist Erfurt. Dort treffe ich Familie Naue, seit Jahrhunderten hier ansässig. Prinzipal Karli Naue war eine wichtige Persönlichkeit der DDR-Populärkultur und ist auch heute noch eine Instanz.
Karli Naue: "Wenn man mit oder in der DDR groß geworden ist und mit der DDR dann gelebt hat, kannte man gewisse Verhaltensregeln, gell, wie man sich da zurecht finden musste und auch manchmal konnte. Wir haben ja mal, als kleines Beispiel, ein paar Titel bei AMIGA auf einer LP aufgenommen. Und einer der Titel sollte von meiner Seite aus heißen 'Party-Time'. Und da haben mir die Herrschaften gesagt: Das ist Englisch, geht nicht. Ich sagte, na dann. Gut, dann nennen wir das Ding 'Party-Zeit'. 'Party-Zeit' ist durchgegangen, wobei Party ja immer noch Englisch ist."
Die Party-Time – pardon: Party-Zeit – mit dem Karli Naue Sextett. Die Platte ist 1968 beim DDR-Staatslabel AMIGA erschienen. Der Bandleader ist heute über 80, Genaueres verrät er nicht.
Seine Familie, Amtssitz in der Mittelhäuser Straße, besitzt und behütet seit Jahrhunderten eine Perlgraupenmühle von mühlengeschichtlicher Bedeutung mit drei funktionsfähigen, unterschlächtigen, also von unten angetriebenen Wasserrädern. Viel gesehen habe ich nicht davon, nur eine eindrucksvolle Schneelandschaft, denn der Winter hatte sich grade heftig bemerkbar gemacht. Die Familie muss viel Geld aufwenden, um die Perlgraupenmühle instand zu halten, noch ist ihre Zukunft gesichert – später auch?
Graupen? Und so eine schöne Mühle, wie geht das?
Karli Naue: "Richtig, jawoll, deswegen gibt’s auch die berühmten Spitznamen für diese Graupen – Treppenspringer, Kälberzähne. Das waren Grundnahrungsmittel und ein sehr unbeliebtes Grundnahrungsmittel. Das waren übrigens damals, die Körner, die nicht zerbrochen waren, also nicht klein gerissen waren und dass dieses Zerkleinern und wieder Rundschleifen zu kleinen Perlen, das ist hier in unserer Mühle entwickelt worden. Ungefähr 1890, ach nee, noch eher – 1850/60 ist das hier entwickelt worden, dass das dann die Körner zerkleinert wurden und wieder rundgeschliffen wurden. Und dann war es nicht mehr ein so ganz unbeliebtes Nahrungsmittel."
"Die Kinder haben sich geekelt, wir mussten es essen, aber es war schlimmer als Gries. Schlimmer als Grießbrei."
Das mit dem Grießbrei sagte gerade Jürgen Kerth, soeben eingetroffen, ein Freund des Hauses und einer der besten Blues-Gitarristen der DDR – noch heute aktiv.
Seine ersten Erfahrungen sammelte er 1964 in einer Schülerband, die sich Spotlights nannte. Sie musste sich auf Druck von oben in Rampenlichter umbenennen. Zwei Jahre später wurde sie verboten.
Man kennt sich seit Ewigkeiten. Mit am Tisch sitzt neben Kehrt nun auch Jürgen Naue, der Junior, um die 40, von Beruf Elektromeister. Er fühlt sich der Mühlentradition verpflichtet, aber auch dem Blues. Er organisiert nebenbei Blues- und Rockkonzerte. Und so ist der Raum, in dem wir plaudern, Kaffee trinken und Kekse futtern, dicht beklebt mit den Plakaten der jeweiligen Veranstaltungen, die in dem Haus neben der Mühle stattfanden und stattfinden werden.
Von der Mühle ist heute kein Geräusch vernehmbar, sie ist winterlich erstarrt, sie läuft nur frostfrei. Man nennt sie übrigens die "Heiligen Mühle", sie hat aber keinen Gottesbezug. Das "Heiligen" geht vielmehr auf einen frühen Vorbesitzer zurück. So bleibt nur ein Blick ins Internet unter "Heiligen Mühle Erfurt", da findet sich ein schönes Foto.
Dies noch: In "Deutsche Mugge", einer Internet-Fachzeitschrift, war 2009 von Jürgen Naue eine kluge Analyse des DDR-Blues zu lesen, die auch eine Hommage an seinen Vater enthielt.
Sicherlich war diese Art Freizeitgestaltung so nur zu dieser Zeit und in diesem Land möglich. Man hatte seinen eigenen Lebensstil gefunden ohne sich dem System DDR zu sehr anzupassen.
Das fand ich einen sensationellen Satz.
Jürgen Naue: "Man hat sich sozusagen eine Nische gesucht. Wer musikinteressiert war und wo es solche Möglichkeiten gab, ist man dann eben zu solchen Blues-Bands gefahren."
Die Veranstaltungen fanden überwiegend in Dorfkneipen statt, die zumeist konventionell-miefig dekoriert waren, manchmal auch in Kulturhäusern, aber äußerst selten in privaten Räumen. Sie waren vor Mitternacht beendet, man musste ja noch nach Hause kommen. Schafft man den letzten Zug noch? Oder muss man, mit unterschiedlichem Erfolg, im Heuschober übernachten bei strengstem Rauchverbot? Und einen Trabbi oder Wartburg hatten die meisten Eltern auch nicht.
***
Es wird Zeit, Erfurt und Thüringen gen Sachsen zu verlassen, weil ich bei Zwickau ein Rockkonzert besuchen will.
Thüringen scheint, aus der begrenzten Bahnperspektive, ein eher sanftes Land zu sein. Mit großen, derzeit winterkargen Feldern, in denen Hügel und Täler weich ineinander übergehen und wo der Horizont durch Waldstreifen begrenzt ist.
Die Landschaft prägt auch die Mentalität ihrer Bewohner. Sie geben sich unaufgeregt. Ihr sonorer Dialekt, im Mund noch zusätzlich leicht zermalmt, zwingt den Fremden zum genauen Hinhören. Solarplattenbedeckte Häuserdächer sind eher rar, Windkraftpropeller, die den Himmel zerschneiden, sind häufiger anzutreffen und Laubenpieper werden wie überall in Gesamtdeutschland in die Nähe von Bahntrassen verschoben.
Nun Sachsen mit der Bahn. Mir gegenüber sitzt ein Mann, an dem das Schicksal bös' genagt hat. Er streckt mir die Hand entgegen. Ich gebe ihm einen Euro, und damit sitze ich in der Falle.
Er spielt mit meinem Ärger und meinem schlechten Gewissen, er will einen Zehner, immer wieder, lässt nicht locker, hält mir einige Münzen hin, will sie gegen einen Zehn-Euro-Schein austauschen. Wie verhält man sich da? Ich erreiche Dresden und kann der Situation entfliehen.
Mein heutiges Ziel – Ebersbrunn, bei Zwickau gelegen, genauer: Lichtentanne, Ortsteil Ebersbrunn, Gasthof Zum Löwen.
Hier wird Engerling auftreten, nicht zum ersten Mal, auch nicht zum letzten. Man ist bekannt und man ist vertraut. Engerling, früher Engerling Blues Band mit DDR-Hintergrund, ist eine der langjährigsten und beständigsten Bands ihres Genres, ansässig in Berlin und mit weltweiten Kontakten.
Für Jürgen Naue aus Erfurt, den wir kennengelernt haben, war es ein Schlüsselerlebnis, als er im Sender "Stimme der DDR" zum ersten Mal einen Titel dieser Band hörte, ihr berühmtes "Mama Wilson", eine Erinnerung an den Tod eines Musikers der US-amerikanischen Band Canned Heat. Dies war keine der berühmten westlichen Popstars à la Deep Purple oder Rolling Stones, sondern eine Band aus eigenem Land. Die Musik und der Text waren "einwandfrei". Eine DDR-typische "Like"-Vokabel.
Der Löwensaal ist groß und hoch, solide altmodisch, mit einer Theke an der Stirnseite gegenüber der Bühne, viele Schwingtüren, die in die Wandelgänge führen oder nach draußen. Den Eingang werden später ein paar kräftige Burschen bewachen, und wer dann mal nach draußen will, bekommt eine Retourkarte.
Soundchecks. Wir sind im Saal, so hört sich´s an. Die Überprüfung der Instrumente, der Anlage und eben des Sounds, sie ist sowas wie ein Konzert vor dem Konzert. Alle Musiker haben ein kurzes Solo zur Klärung eines akustischen Sachverhalts.
Und das mit der Modenschau ist nur ein Jux.
Kurzzeitige technische Probleme gehören auch immer dazu. Der Mann am Mischpult – es sind zumeist Männer – ist immer der, den die Hunde beißen, er haftet stets für alle Pannen, aber am Ende liegt man sich beseelt in den Armen. Ich habe ihn gefragt, ob es wahr sei, dass alle Leute am Mischpult taub seien. Seine Antwort: Was hast du gerade gefragt?
Der Saal ist ziemlich groß, nicht ganz gefüllt anlässlich des miesen Wetters draußen. Man holt sich am Tresen ein Bierchen und beobachtet, den Partner im Arm wie Gitarren gestimmt, Equipment verschoben, Lautsprecherboxen ausgerichtet werden, im Backstage-Bereich wird noch an der Tolle gezupft, eine Unklarheit im Arrangement ist zu bereinigen und einige Zigaretten kommen ihrem natürlichen Ende näher, bevor es losgeht.
Es wird geschwatzt, geflirtet, es wird getrunken, es wird getanzt, geklatscht – alles im grünen Bereich. Engerling spielt heute ohne den Chef Wolfram "Boddi" Bodag, er wurde tourneeweise an die Band Pankow ausgeliehen, statt seiner hat Gala das Mikro in den Händen und die Mundharmonika im Halfter. Gala ist ein hinlänglich bekannter Rockstar und strotzt vor rustikaler Kraft. Er hält die zweieinhalb Stunden locker durch, es gibt viele Zugaben und am Ende erfahren wir noch etwas aus dem Intimleben von Musikern. In aller Kürze – bitte genau hinhören.
Blues, na ja – das ist, wenn man eng tanzt.
Blues, das ist wie der Tango – Feuer im Arsch und Tränen im Herzen.
Der Blues lebt von Zwischentönen – in Text und Musik. Die Blue-Notes sind die, die nicht exakt zu orten sind, es sind Töne für die Zwischenzeiten, für die Dämmerung, für die Grauzonen, für das Unkonkrete, mit dem sich das Konkrete besser definieren lässt.
Engerling gibt es seit 1975. Anfänglich fungierte sie als Engerling Blues Band, entwickelte dann einen eigenen unprätentiösen Stil, der aber bluesorientiert blieb.
An ihrer Seite: Gert Leiser, Bürger mit Westhintergrund würden ihn Manager nennen. Ein Job, der in der Rockszene der DDR nicht gerade häufig zu finden war.
Nicht "Manager", sondern als "organisatorischer Leiter"
"Also, es gibt zwei Seiten. Ich war Veranstalter von 1970 bis 75 in Thüringen, also praktisch auf der anderen Seite, habe Bands eingekauft, um sie in einem Dorfsaal zu veranstalten. Und ab 1978 bei Engerling allerdings als organisatorischer Leiter."
"Warum nicht als Manager – durfte man diesen Ausdruck nicht benutzen?"
"Wurde nicht gern gesehen, war auch nicht gebräuchlich, und es hatte ja alles immer einen offiziellen Anstrich. Man brauchte ja auch 'ne Zulassung. Um als Freiberuflicher arbeiten zu können, brauchte man ja ´ne Steuernummer und ´n Ausweis dafür, also ´ne Art Spielerlaubnis. Die in Zusammenhang mit einer Band war. Ich hatte einen Techniker-Ausweis als organisatorischer Leiter der Band Engerling."
Freiberufler zu sein war in der DDR für viele ein Traum. Aber er war schwer zu realisieren. Wer zum Beispiel Diskjockey sein wollte, dort Schallplattenunterhalter genannt, musste einen richtigen Beruf nachweisen. Beliebt war Totengräber. Das war noch nicht das Ideal.
"Ja, das war dieser Freiberuflerstatus, den konnte man nur erreichen, indem man so wie ich für eine Berufsband gearbeitet hat. Also die Band, die Musiker, waren Berufsmusiker, die hatten einen Ausweis, den sie erworben hatten durch Ausbildung, durch Studium. Sie waren Berufsmusiker und die Berufsmusiker haben eine Berufsformation gegründet, und diese Berufsformation konnte auch mit Personal arbeiten, sprich Techniker. Oder eben, wie bei mir, mit dem organisatorischen Leiter, der dann, wie gesagt, die Band nach außen hin organisatorisch repräsentiert hat."
"Man kann sagen, dass jeder Profimusiker, oder fast alle Profimusiker in der DDR eine richtige solide Ausbildung haben?"
"Ja, das war immer offiziell und inoffiziell. Es gab natürlich nach wie vor auch 'ne ganze Menge Bands, die diesen Status nicht hatten, die aber einfach davon gelebt haben,. dass sie gespielt haben, ohne diesen Ausweis zu haben, ohne diesen Berufsausweis zu haben. Das war aber im Prinzip 'ne Grauzone. In dem Moment, wo man das offiziell machen wollte, brauchte man den Berufsausweis. Und den konnte man in der Regel nur über ein umfangreiches Studium oder ein Fernstudium oder Abendstudium kriegen. Oder aber indem man als Musiker mit Berufsmusikern zusammengespielt hat."
Wenn Veranstalter heute mit Musikern Verträge vorbereiten, wird nicht nur die Gage festgelegt, sondern häufig auch die Whisky-Marke, die bereitstehen muss. Wenn nicht noch mehr.
Gab es für DDR-Bands wenigstens eine einfache Form der Grundversorgung?
"Das war gar nicht geplant. Die staatlichen Kulturhäuser, die haben einen Vertrag abgeschlossen über ein Konzert, das beinhaltete aber weder Übernachtung noch 'ne Verpflegung. Also zu DDR-Zeiten musste man sich um all diese Dinge selber kümmern. Also, die haben dir vielleicht noch'n Hotel organisiert, aber du musstest es dann selber bezahlen. Es war nicht Bestandteil des Vertrages."
Es gibt Wallfahrtsorte, sakral oder weltlich. Bei dem, um den es jetzt geht, weiß man nicht, zu welcher Kategorie er gehört. Der "Amorsaal Mülsen St. Niclas". Nahe Zwickau. Der von Experten meistgenannte Kultort einstmaliger und heutiger Rock- und Blueskonzerte. Das Bier für die Musiker war und ist Freibier. Schon diese Tatsache schafft unzerstörbare Erinnerungen.
Hier sei mal Werbung für ein Familienunternehmen gestattet, das seit 1935 besteht. Die Tochter des Gründerehepaars, Anneliese Döhn, hatte 70 Jahre später, 2005, zum Jubiläum einen Text verfasst, den ich wiederum ihre Tochter, Kerstin Döhn, auszugsweise vorzulesen ermunterte:
Mich erfüllt dabei eine tiefe Dankbarkeit, dass ich Ihnen zum Wohle des Vermächtnisses meiner Eltern Fanny und Max Irmisch, die den Amorsaal im Oktober 1935 übernahmen, in all den Jahren erhalten konnte. Unabhängig von politischen Wandlungen, Engpässen, Versorgungslücken und auch Anfeindungen stehen wir als bekannte und ich denke auch beliebte gastronomische Einrichtung für gute Küche, gepflegte Getränke, Freude und Entspannung im Mülsengrund und Umgebung.
Aus den 70 Jahren sind 2015 80 Jahre geworden. Ob die Mutter von Kerstin Döhn mit den "Anfeindungen" Reaktionen auf das jugendliche Rockpublikum gemeint hat, weiß man nicht. Sie ist verstorben. So frage ich Kerstin Döhn, die mit ihrem Partner Steffen Friedrich und ihren Töchtern den Amorsaal weiterhin als eine Kultstätte der Musik erhalten wollen.
"Der Staat hat das ja nicht gern geseh'n."
"Davon gehen wir aus, dass es da große Auseinandersetzung gab, das gab's in der gesamten Musikszene in der ganzen DDR-Geschichte. Das wissen wir. Aber dass auch die Leute im Ort sagen, da kommen so komische Leute mit langen Haaren und Parka?"
"Also das war eigentlich weniger, weil unsere Gäste, die damals hier waren, die waren immer sehr anständig. Muss man wirklich sagen. Die haben zwar hier im Umkreis auch übernachtet, in der Scheune oder sowas, aber die haben nie – nichts Schlechtes vorgehabt. Die haben nichts kaputt gemacht und nichts. Also das ist nie vorgekommen. Na gut, die älteren Leute, die haben dann schon geguckt wenn sie da mit den Studentenkutten kommen – und die langen Haare, es war ja ungewöhnlich, nicht? Aber eigentlich von dieser Seite weniger, weil wir doch auch jetzt noch Musik machen. Und, Sie sehen's ja selber, bei uns sind überall rings herum Wohnhäuser, nicht? Und die Lautstärke war damals so. Und die ist heute so. Wir sind immer gut ausgekommen, sag ich mal, mit unseren Nachbarn. Damals wie heute."
Leider hatte die Staatsmacht DDR die jungen Leute mit ihrem unkonventionellen Outfit doch auf dem Kieker und sah in ihnen Feinde des Sozialismus.
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Und hat was von dieser Art rustikalem Entertainment nun überlebt? Das Flair der 70er und Anfang 80er Jahre ist verflogen. Die schlichten Bühnen von damals sind zumeist noch in Takt, vielerorts ist man bemüht, Bands einzuladen, die alten aber auch die jüngeren, ein Publikum für sie lässt sich finden. Sogar heute noch.
Die Dress-Codes, die Kleider- und Frisurenordnung der damaligen Rockszene, sind aufgehoben, heute strebt man nach dem eigenen Stil, ich meine: Style. Klamotten als Indiz der Lebensweise, als Beleg gesellschaftlichen Verhaltens, haben ausgedient. Allenfalls ein paar kleine Accessoires sind en vogue. Derzeit dominieren schwarze Brillen und bei Männern Bärte. Auch das werden wir überstehen. Und der Blues wird uns überleben. (huc)