''Waldsterben'' war mal
Als sich vor 20 Jahren das Schlagwort Waldsterben in die Umweltdiskussion drängte, wanderten die Bürger in ihre Wälder um dem Sterben zuzuschauen. Es gab wenig zu sehen. Gleichwohl sind große Wälderflächen abgestorben.
Dann taufte man den von Menschen gemachten Angriff auf die Wälder um in Walderkrankung, weil angeblich nur Teile der Wälder erkrankten, die man "herausoperieren" konnte. Es entstanden Kahlflächen. Heute spricht man nur noch von Waldschäden - aber das Phänomen ist immer gleich geblieben: Auto- und Industrieabgase lassen den Regen säurehaltig werden und den Boden des Waldes versauern. Die Folge: Bäume sterben großflächig ab.
Am Beispiel des Schwarzwaldes beschreibt der folgende Beitrag unseren Umgang mit dem Wald und seinen tödlichen Wunden.
Wenn man den Direktor des Städtischen Forstamtes in Baden-Baden fragt, wie er vor vielen, vielen Jahren den Beginn des so genannten Waldsterbens erlebte, dann erzählt Dr. Anton Hammer diese Geschichte:
"Meine Mitarbeiter haben, als wir die ersten Bäume so näher angeschaut haben, gesagt, haja, das ist ganz normal, das sind die und die Käfer. Und ich war skeptisch. Wir haben die Bäume gefällt, haben die Kronen angeschaut, und haben nach den Käfern gesucht und nichts gefunden. Das heißt: Wir hatten eine neuartige Walderkrankung."
Einen Namen für diese neuartige Walderkrankung hatte man damals noch nicht. Die Förster im Schwarzwald diskutierten, rätselten, ließen untersuchen. Sie waren extrem beunruhigt, die Fälle häuften sich. Der damalige Forstpräsident in Karlsruhe, Dr. Friedemann Kälble, erinnert sich:
"Und zwar war das Neuartige: die Symptome. Während sonst Bäume schon immer, wenn sie unter Trockenheit leiden, es so ist, dass der Baum von oben nach unten abstirbt. Der oberste Gipfel wird dürr, braun, die Nadeln fallen ab. Und bei den neuartigen Erkrankungen, wie man damals gesagt hat, war es so, dass die Bäume von innen nach außen verlichtet sind, und der oberste Teil, etwa in Christbaumgröße, der blieb grün. Die Amerikaner haben das klassisch "Sub-top-dying" genannt, das Absterben unterhalb des Gipfels, und das war ein neues Phänomen."
Es blieb nicht lange ein namenloses "Phänomen" – Anfang der 80er Jahre wurden "Saurer Regen" und "Waldsterben" die öffentlichen Aufreger, nicht nur für den heutigen Geschäftsführer der Forstkammer in Stuttgart, Martin Bentele:
" Ja, mir fallen da 20 sehr bewegte Jahre ein. Als ich Student der Forstwissenschaft in den 80er Jahren in Freiburg war, bewegte das die Gemüter vom Studenten bis zum Professor, vom Waldbesitzer bis zum Landesforstpräsidenten. Es gab kein anderes Thema. Das Waldsterben wühlte die Gesellschaft auf, das Waldsterben wandelte sich in "Waldschäden" und der Waldschadensbericht wandelte sich in einen "Waldzustandsbericht". Insgesamt sind die Schäden im Wald so schlimm wie noch nie. Allerdings ist das öffentliche Bewusstsein von einer Hysterie, möchte ich sagen, in den vergangenen 20 Jahren fast in Desinteresse umgeschlagen."
Jedenfalls – so könnte man neutraler formulieren: die Sache wird heute wesentlich weniger aufgeschreckt gesehen. Der Blick auf den geschädigten Wald ist ruhiger geworden.
Es begann tatsächlich im Schwarzwald, wie gesagt, vor rund 30 Jahren. Noch war keine Rede vom "Waldsterben" – der Begriff kam erst in den 80er Jahren auf. Dr. Kälble, seinerzeit verantwortlich für den Wald im Schwarzwald:
"Es ging los – und zwar die ersten Standorte in der ganzen Bundesrepublik im Raum Freudenstadt im Optimum der Tanne, wo es viel Niederschläge hat, in 900 Meter Höhe, wo man eigentlich gleich gedacht hat, na ja die Trockenschäden vom Vorjahr können’s gar nicht sein. Hier begann es. Und auch in Mischbeständen. Also gemischte Fichte, Tanne, Buche. Da waren die Tannen krank, sogar in Blenderwäldern, wo die Tanne die Hauptbaumart des Schwarzwaldes darstellt, und das hat uns gleich gezeigt, dass es was besonderes sein musste."
Hier bei Freudenstadt, ziemlich genau dort, wo es losging mit dem später so bezeichneten Waldsterben – und zwar in Lossburg - tief im eigenen Wald, lebt Wilhelm Walter mit seiner Familie. Ein Waldbauer.
"Wir haben 95 ha Wald, das ist für unsere Gegend hier ein relativ großer Waldbesitz, und das Tolle daran ist, es ist alles an einem Stück, das Hofgebäude in der Mitte und der Wald drumrum. Und dann haben wir noch 10 ha Wiesen dabei, das wird nebenher bewirtschaftet, mein Hauptaugenmerk gilt dem Wald. Spaßeshalber sagen wir immer dazu: 2/3 der Größe des Fürstentums Monaco."
Ein runder Quadratkilometer Paradies dort, wo es absolut ruhig und friedlich ist. Ein paar Bäume sind immer mal krank geworden. Daran war man auf dem Walterhof gewöhnt. Doch nun mehrten sich die Schäden, Walter kam kaum noch mit dem Fällen erkrankter Bäume nach, um wenigstens ihren Holzwert noch zu retten. Und fast panisch probierte er viele Methoden aus, um seinen kranken Walde zu retten.
"Da gab es natürlich seriöse und weniger seriöse. Der eine hat so ein Mittel ausgesprüht, das irgendwie die Ionen wieder neu ausgerichtet oder weiß der Kuckuck was neu lädt. Ich hab so ein Mittel ausgesprüht, das war von jemandem aus Rastatt, das hat ausgesehen wie Wasser, das hat gerochen wie Wasser, dann gab es einen Herrn Seiler, meines Erachtens hat der gar nichts weiter als Badedas an uns verkauft, das hat geschäumt wie ein Bademittel, das haben wir mit Wasser verdünnt und ausgesprüht und haben da Aktionen durchgeführt."
Er wollte den Wald seiner Vorfahren retten. Seit 350 Jahren bewirtschaftet die Familie Walter diesen Hof oben im Schwarzwald. Stirbt der Wald – und das drohte einzutreten - dann war die Existenz der Familie erledigt.
Das ging nicht nur ihm allein so – inzwischen waren fast alle privaten Waldbesitzer betroffen, nicht nur die im Schwarzwald. Und so entschloss man sich, 1984 auf dem Waldbauerntag, Waldsterben zum Thema zu machen. Der damalige Bundeskanzler Kohl hatte sich als Festredner angesagt.
Walter hat diese Gelegenheit ergriffen, und in einer kleinen Rede und in aller Öffentlichkeit Kohl auf seinem Hof eingeladen.
"Ich hab gedacht, ich hab hier die Möglichkeit. Wenn er kommt, ist OK, wenn er nicht kommt, wenn er nicht kommt, kann man auf ihn dreschen. Dich interessiert’s nicht, war sicher kein Fehler ..."
… sicher nicht, denn Kohl nahm die Einladung an und kam tatsächlich auf den Walterhof, besah sich die absterbenden Tannen, die vorzeitig gefällt werden mussten, und versprach Hilfe. Es war ja ein Schaden, der die Existenz der Walters bedrohte. Der begann seine Waldböden zu kalken, eine wirksame Hilfe, aber eine teure. Bis heute laufen die Schäden bei ihm auf:
"Durch diese Einschränkungen erleide ich jährlich einen Schaden der irgendwo zwischen 25.000 und 35.000 Euro ist, dabei nicht eingerechnet der Niedergang des Holzpreises, der zurzeit bei nur 60 Prozent der früheren Holzpreise ist ..."
. . . und der den Wald generell in Schwierigkeiten gebracht hat. Damals, Anfang der 80er Jahre starrte nun plötzlich die Republik auf ihre sterbenden Wälder. Der Präsident des Baden-Württembergischen Forstvereins, Dr. Anton Hammer:
"Der berühmte Katzenkopf in der Nähe der Hornisgrinde war halt irgendwann einmal kahl. Und das kam nicht von ungefähr. Also: es gab schon ein Sterben im Wald – bei Einzelbäumen, aber auch kleinflächig."
Die Förster sahen es jeden Tag, sie brauchten Hilfe, und das Wort Waldsterben erwies sich als ausgesprochen praktisch, um die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Für die Forstleute war das Wort vom Sterben im Wald auch nicht so furchtbar neu – sie funktionierten es einfach um. Der damalige Forstpräsident für die Schwarzwaldregion, Friedemann Kälble:
"Es hat schon geholfen. Es hat schon geholfen. Es ist ja eigentlich ein schlimmes Wort. Es kam aus der Literatur – schon vor 150 Jahren tauchte in der Tannenliteratur das Wort "Tannensterben" auf. Das waren damals – vor 150 Jahren - auch Symptome, die man sich nicht erklären konnte. Und deshalb hat man den für Forstleute bekannten Begriff "Tannensterben" genommen. Und als dann die Fichte und die anderen Baumarten hinzukamen, hieß dann praktisch das "Waldsterben"."
Ein Wort, mit dem nun Jedermann hausieren ging, um seine Interessen damit durchzusetzen. Und es funktionierte prachtvoll.
Es war das Wort, mit dem die Abgase aus den Kohlekraftwerken entschwefelt wurden, mit dem der Katalysator im Auto und das bleifreie Benzin durchgesetzt wurden, ein Wort mit enormer Durchschlagskraft in der politischen Umweltdiskussion – bis heute.
"Aber da gab’s dann bald Probleme, wo natürlich auch die Fremdenverkehrsverbände da rumgelaufen sind, das sei doch eigentlich ein schrecklicher Begriff, man sollte doch hier was anderes suchen."
Wer macht schon gerne Urlaub in einem sterbenden Wald, sozusagen auf einem Friedhof mit dem Namen Schwarzwald?!
Und es gab sachliche Bedenken gegen das vereinfachende Wort. Der saure Regen konnte nicht mehr allein die Ursache sein – denn er war mit der Entschwefelung der Kohlekraftwerke weitgehend verschwunden.
Offensichtlich starb nicht der ganze Wald, und ganz offensichtlich gab es zweitens eine Vielzahl von Ursachen für die diversen Waldschäden im Schwarzwald. Dr. Hansjochen Schröter, für Waldschutz bei der forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württembergs zuständig, verweigert einfache Antworten beispielsweise auf die Frage: Was schädigt den Wald?
"Das ist sehr schwierig zu sagen. Die Abfolge, die auch damals zu sehen war, ist ja folgende: das eigentlich die Schadstoffe selber die Bäume selten peu a peu zum Absterben bringen. Was peu a peu zu sehen ist, ist dass die immer lichter werden, usw. Aber das Absterben selber wird meistens durch Schädlinge bewirkt. Und das sind meistens, bei den Fichten, die im Schwarzwald sehr stark dominieren, sind es die Borkenkäfer."
Dazu trockene Sommer, dazu allgemeine Klimaveränderung, das heißt Erwärmung – eben eine Vielzahl von Ursachen, die auf das komplexe Ökosystem Wald einwirken. Gleichwohl: so einfach ließ sich vor 20 Jahren das Wort Waldsterben nicht wieder aus der Umweltdiskussion und den Köpfen herausoperieren. Der damalige Forstpräsident Friedemann Kälble:
"Das wär’ halt apokalyptisch gewesen, wenn großflächig der Schwarzwald abgestorben wäre. Wie das viele Pessimisten prognostiziert haben. Und wenn man nichts gemacht hätte, wer weiß, wie das geworden wär! Man hat eben dann Entschwefelungsanlagen in den Großfeuerungsanlagen, es kam der Katalysator, - ich kann mich noch gut erinnern, es waren - glaube ich - gut 1000 DM Mehrkosten selbst für ein kleines Auto …"
. . . Mehrkosten, die der Staat mit Steuernachlässen subventionierte. In der forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg weiß man natürlich auch, dass der Aufstand der Umweltverbände für den Wald zunächst von Nutzen war.
"Der saure Regen – dass er sehr schädigend wirkt - ist in großem Maße besiegt. Vielleicht ein paar Punkte, wo starke Industrialisierung ist, wo es noch nicht ganz so weit ist, aber insgesamt für den Schwarzwald gesehen, auf jeden Fall."
Was auch die Denkmalpfleger dankbar zur Kenntnis nahmen – der Sandstein der alten Kirchen verwittert nicht mehr so schnell wie zu den Zeiten des sauren Regens:
"Auch beim Münster haben sie seit Beginn der 90er Jahre nicht mehr in dem Ausmaß durch Schäden mit saurem Regen zu tun, der ja auch den Sandstein am Freiburger Münster sehr stark geschädigt hat."
Die Förster und Fachleute verbannten Ende der 80er Jahre das Wort "Waldsterben" aus ihrem Wortschatz. Doch mit dem Verschwinden des Katastrophenwortes verlor auch die Sache selbst ihren Sensationswert. Obwohl weiterhin im Wald merkwürdige Dinge geschahen, die man nun unter dem Begriff: "Neuartige Walderkrankung" bündelte. Friedemann Kälble:
"Der Begriff "Neuartige Walderkrankung" ist wirklich zutreffend, weil eben die Immissionsschäden – Luftschadstoffe - das hat man früher nicht gekannt und nicht gewusst. Aber das neuartige an den neuartigen Waldschäden, das in den 80er Jahren derartig bekannt wurde, besteht darin, dass diese Luftschadstoffe über Hunderte von Kilometern transportiert werden. Man hat erkannt, dass die schon teilweise 10 oder 20 Jahre vorher sterbenden Seen in Skandinavien, da stellte man fest, dass bisher fischreiche Gewässer keine Fische mehr haben."
Jedenfalls gab es Schäden im Wald. Und die Waldbesitzer mussten etwas dagegen tun. Sie düngten ihre Böden. Mit Kalk. Im Schwarzwald war es meistens nur vom Hubschrauber aus möglich, die so genannte Meliorationskalkung vorzunehmen.
Teure Maßnahmen für den Waldeigentümer, sei er privat oder kommunal, wie beispielsweise Baden-Baden mit dem größten Kommunalwald in Deutschland.
Wenn der Chef dieses Waldes, Anton Hammer, auf den Schaden schaut, den die neuartige Walderkrankung verursacht, addiert er auf.
"Es gab tote Bäume, absterbende Bäume, allerdings: das Holz war noch in Ordnung. Aber der Schaden für uns als Waldbewirtschafter war natürlich, dass die Bäume nicht zum optimalen Zeitpunkt gefällt werden mussten, sondern viel zu früh zum großen Teil, d.h. es gab so genannte Hiebsunreifeschäden. Der Wald war entweder nicht verjüngt, oder der Baum war noch zu dünn – das sind eigentlich die Schäden –wenn man es juristisch sieht: Vermögensschäden, die dort eingetreten sind."
Dazu kamen die Auslagen für die Bodenmaßnahmen im Wald. Mit ungefähr 2000 Euro pro Hektar beziffert man in Baden-Baden den Totalschaden für den Wald, und zwar seit den 80er Jahren. Rechnet man das auf den ganzen Schwarzwald um mit seinen circa 200.000 Hektar Wald, dann liegt der Schaden für den Schwarzwald bei circa 400 Millionen Euro. Kein Wunder, dass die Waldeigentümer Entschädigung verlangen. Vergeblich bisher, - auch weil sich merkwürdigerweise gegen rechnen lässt. Martin Bentele, Geschäftsführer der Forstkammer Baden-Württemberg:
"Das ist wirklich ne sehr schwere Rechnung, weil wir hier eine sehr komplexe Erscheinung haben: wir haben zwar auf der einen Seite ein belastetes, fast verseuchtes System Waldboden, wo sich diese Schäden summieren, auf der anderen Seite haben wir durch die Stickstoffeinträge schneller wachsende Bestände. Wir haben also mehr Holz im Wald, als wir ohne diese Stickstoffeinfuhr haben. Da kam ein findiger Daimler-Manager mal auf die Idee, dass wir den Automobilherstellern sogar noch etwas zahlen müssten, für diese Einträge. Aber es war sehr schwer, reine Schäden zu monetarisieren, es ist fast unmöglich."
Alle Versuche von Waldeigentümern, Ersatz für ihre Schäden zu erhalten, sind folglich vor den Gerichten gescheitert, und zwar immer mit dem Hinweis, dass der Staat gehalten sei, die Bodenkalkung größtenteils zu finanzieren – was er auch mit rund 90 Prozent tut.
Und noch weiß niemand genau, was die unerwünschte Düngung durch die Autoabgase – also die Stickstoffeinbringung, wie die Fachleute sagen - bewirkt.
"Insgesamt können wir dieses geschädigte Ökosystem Wald mit einem Kind vergleichen, das sich nur noch von Schokolade ernährt. "
Will sagen: der Schwarzwald ist nach wie vor in einem schlechten Zustand. Und nach wie vor wirken Umwelteinflüsse auf das Ökosystem Wald ein: Heizungen und Autos, die Stickoxyde produzieren, die dann in den Waldboden eindringen, aber auch sonstigen Einfluss auf den Boden haben – welchen, weiß man nicht genau. Die Waldschadensberichte der Bundesregierung listen nach wie vor Jahr um Jahr Schäden auf, Schäden, die sich eben nicht verringert haben, im Gegenteil, wie Anton Hammer, Präsident des Forstvereins Baden-Württemberg feststellt:
"Wenn ich es mit heute vergleiche: wir hatten im letzten Jahr den schlechtesten Waldschadensbericht, seitdem es diese Aktion gibt. Und die Politik hat eben nur beiläufig von dem neuesten Waldschadensbericht Kenntnis genommen, weil man sich eben daran gewöhnt hat, dass der Wald nicht ganz intakt ist, und weil es einfach nicht in die politische Landschaft gepasst hat, dass man eventuell Geld für den Wald erneut ausgeben sollte."
Es hat sich nichts Wesentliches für den Wald geändert, meint man auch bei der Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg, auch wenn der saure Regen besiegt ist. Hansjochen Schröter:
"Also – wir sind eigentlich immer noch in diesem Kreislauf drin und in dieser Problematik, aber sie hat sich total verlagert von diesen SO-2 und Stickoxyden auf diese stärker klimatisch beeinflussten Ereignisse."
Und Anton Hammer fügt hinzu:
"Also wenn man es unter dem umweltpolitischen Gesichtspunkt sieht, war der Wald der erste große Bioindikator dafür, dass in unserer Umwelt irgendetwas aus dem Ruder läuft. Der Wald hat dafür herhalten müssen, dass vielleicht nicht viel Schlimmeres für den Menschen passiert."
Die großen Waldeigentümer im Land haben sich irgendwie beholfen. Es sind die kleineren Waldeigentümer, die ihre Zukunft verdunkelt sehen, auch der Waldbauer Wilhelm Walter oben im Schwarzwald in Lossburg bei Freudenstadt. Der Hof auf der Wiesenlichtung mitten im eigenen Tannenwald ist ein kleines Paradies, allerdings, ein gefährdetes Paradies. Seit Jahrhunderten lebt die Familie Walter vom Wald, hat den Hof vom Vater auf den Sohn übergeben. Die Familie hat in Generationen viel für ihren Wald getan, sagt Wilhelm Walter.
"Ich habe einen Baum, der beim Lothar gefällt wurde, die Jahresringe gezählt und bin auf 285 Jahre gekommen. Der Baum ist schon im Wald gestanden, da hat kein Mensch gewusst, dass es einen Mozart gibt."
. . . ein Baum, den einer seiner Vorfahren pflanzte. Jetzt, so fürchtet Walter, könnte es zum ersten Mal eng werden für die Fortsetzung des Familienhofes:
" Wenn ich jetzt sehe, wie der Holzpreisverfall und der Arbeitskostenanstieg sich weiter entwickelt hat, möchte ich jetzt sagen, ich glaube nicht, dass mein Sohn, selbst wenn er sich brennend dafür interessiert, diesen Hof als Vollerwerbsbetrieb bewirtschaften kann . . . "
Die Kosten, auch die Kosten für die so genannten Neuartigen Waldschäden, sind zu hoch.
Am Beispiel des Schwarzwaldes beschreibt der folgende Beitrag unseren Umgang mit dem Wald und seinen tödlichen Wunden.
Wenn man den Direktor des Städtischen Forstamtes in Baden-Baden fragt, wie er vor vielen, vielen Jahren den Beginn des so genannten Waldsterbens erlebte, dann erzählt Dr. Anton Hammer diese Geschichte:
"Meine Mitarbeiter haben, als wir die ersten Bäume so näher angeschaut haben, gesagt, haja, das ist ganz normal, das sind die und die Käfer. Und ich war skeptisch. Wir haben die Bäume gefällt, haben die Kronen angeschaut, und haben nach den Käfern gesucht und nichts gefunden. Das heißt: Wir hatten eine neuartige Walderkrankung."
Einen Namen für diese neuartige Walderkrankung hatte man damals noch nicht. Die Förster im Schwarzwald diskutierten, rätselten, ließen untersuchen. Sie waren extrem beunruhigt, die Fälle häuften sich. Der damalige Forstpräsident in Karlsruhe, Dr. Friedemann Kälble, erinnert sich:
"Und zwar war das Neuartige: die Symptome. Während sonst Bäume schon immer, wenn sie unter Trockenheit leiden, es so ist, dass der Baum von oben nach unten abstirbt. Der oberste Gipfel wird dürr, braun, die Nadeln fallen ab. Und bei den neuartigen Erkrankungen, wie man damals gesagt hat, war es so, dass die Bäume von innen nach außen verlichtet sind, und der oberste Teil, etwa in Christbaumgröße, der blieb grün. Die Amerikaner haben das klassisch "Sub-top-dying" genannt, das Absterben unterhalb des Gipfels, und das war ein neues Phänomen."
Es blieb nicht lange ein namenloses "Phänomen" – Anfang der 80er Jahre wurden "Saurer Regen" und "Waldsterben" die öffentlichen Aufreger, nicht nur für den heutigen Geschäftsführer der Forstkammer in Stuttgart, Martin Bentele:
" Ja, mir fallen da 20 sehr bewegte Jahre ein. Als ich Student der Forstwissenschaft in den 80er Jahren in Freiburg war, bewegte das die Gemüter vom Studenten bis zum Professor, vom Waldbesitzer bis zum Landesforstpräsidenten. Es gab kein anderes Thema. Das Waldsterben wühlte die Gesellschaft auf, das Waldsterben wandelte sich in "Waldschäden" und der Waldschadensbericht wandelte sich in einen "Waldzustandsbericht". Insgesamt sind die Schäden im Wald so schlimm wie noch nie. Allerdings ist das öffentliche Bewusstsein von einer Hysterie, möchte ich sagen, in den vergangenen 20 Jahren fast in Desinteresse umgeschlagen."
Jedenfalls – so könnte man neutraler formulieren: die Sache wird heute wesentlich weniger aufgeschreckt gesehen. Der Blick auf den geschädigten Wald ist ruhiger geworden.
Es begann tatsächlich im Schwarzwald, wie gesagt, vor rund 30 Jahren. Noch war keine Rede vom "Waldsterben" – der Begriff kam erst in den 80er Jahren auf. Dr. Kälble, seinerzeit verantwortlich für den Wald im Schwarzwald:
"Es ging los – und zwar die ersten Standorte in der ganzen Bundesrepublik im Raum Freudenstadt im Optimum der Tanne, wo es viel Niederschläge hat, in 900 Meter Höhe, wo man eigentlich gleich gedacht hat, na ja die Trockenschäden vom Vorjahr können’s gar nicht sein. Hier begann es. Und auch in Mischbeständen. Also gemischte Fichte, Tanne, Buche. Da waren die Tannen krank, sogar in Blenderwäldern, wo die Tanne die Hauptbaumart des Schwarzwaldes darstellt, und das hat uns gleich gezeigt, dass es was besonderes sein musste."
Hier bei Freudenstadt, ziemlich genau dort, wo es losging mit dem später so bezeichneten Waldsterben – und zwar in Lossburg - tief im eigenen Wald, lebt Wilhelm Walter mit seiner Familie. Ein Waldbauer.
"Wir haben 95 ha Wald, das ist für unsere Gegend hier ein relativ großer Waldbesitz, und das Tolle daran ist, es ist alles an einem Stück, das Hofgebäude in der Mitte und der Wald drumrum. Und dann haben wir noch 10 ha Wiesen dabei, das wird nebenher bewirtschaftet, mein Hauptaugenmerk gilt dem Wald. Spaßeshalber sagen wir immer dazu: 2/3 der Größe des Fürstentums Monaco."
Ein runder Quadratkilometer Paradies dort, wo es absolut ruhig und friedlich ist. Ein paar Bäume sind immer mal krank geworden. Daran war man auf dem Walterhof gewöhnt. Doch nun mehrten sich die Schäden, Walter kam kaum noch mit dem Fällen erkrankter Bäume nach, um wenigstens ihren Holzwert noch zu retten. Und fast panisch probierte er viele Methoden aus, um seinen kranken Walde zu retten.
"Da gab es natürlich seriöse und weniger seriöse. Der eine hat so ein Mittel ausgesprüht, das irgendwie die Ionen wieder neu ausgerichtet oder weiß der Kuckuck was neu lädt. Ich hab so ein Mittel ausgesprüht, das war von jemandem aus Rastatt, das hat ausgesehen wie Wasser, das hat gerochen wie Wasser, dann gab es einen Herrn Seiler, meines Erachtens hat der gar nichts weiter als Badedas an uns verkauft, das hat geschäumt wie ein Bademittel, das haben wir mit Wasser verdünnt und ausgesprüht und haben da Aktionen durchgeführt."
Er wollte den Wald seiner Vorfahren retten. Seit 350 Jahren bewirtschaftet die Familie Walter diesen Hof oben im Schwarzwald. Stirbt der Wald – und das drohte einzutreten - dann war die Existenz der Familie erledigt.
Das ging nicht nur ihm allein so – inzwischen waren fast alle privaten Waldbesitzer betroffen, nicht nur die im Schwarzwald. Und so entschloss man sich, 1984 auf dem Waldbauerntag, Waldsterben zum Thema zu machen. Der damalige Bundeskanzler Kohl hatte sich als Festredner angesagt.
Walter hat diese Gelegenheit ergriffen, und in einer kleinen Rede und in aller Öffentlichkeit Kohl auf seinem Hof eingeladen.
"Ich hab gedacht, ich hab hier die Möglichkeit. Wenn er kommt, ist OK, wenn er nicht kommt, wenn er nicht kommt, kann man auf ihn dreschen. Dich interessiert’s nicht, war sicher kein Fehler ..."
… sicher nicht, denn Kohl nahm die Einladung an und kam tatsächlich auf den Walterhof, besah sich die absterbenden Tannen, die vorzeitig gefällt werden mussten, und versprach Hilfe. Es war ja ein Schaden, der die Existenz der Walters bedrohte. Der begann seine Waldböden zu kalken, eine wirksame Hilfe, aber eine teure. Bis heute laufen die Schäden bei ihm auf:
"Durch diese Einschränkungen erleide ich jährlich einen Schaden der irgendwo zwischen 25.000 und 35.000 Euro ist, dabei nicht eingerechnet der Niedergang des Holzpreises, der zurzeit bei nur 60 Prozent der früheren Holzpreise ist ..."
. . . und der den Wald generell in Schwierigkeiten gebracht hat. Damals, Anfang der 80er Jahre starrte nun plötzlich die Republik auf ihre sterbenden Wälder. Der Präsident des Baden-Württembergischen Forstvereins, Dr. Anton Hammer:
"Der berühmte Katzenkopf in der Nähe der Hornisgrinde war halt irgendwann einmal kahl. Und das kam nicht von ungefähr. Also: es gab schon ein Sterben im Wald – bei Einzelbäumen, aber auch kleinflächig."
Die Förster sahen es jeden Tag, sie brauchten Hilfe, und das Wort Waldsterben erwies sich als ausgesprochen praktisch, um die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Für die Forstleute war das Wort vom Sterben im Wald auch nicht so furchtbar neu – sie funktionierten es einfach um. Der damalige Forstpräsident für die Schwarzwaldregion, Friedemann Kälble:
"Es hat schon geholfen. Es hat schon geholfen. Es ist ja eigentlich ein schlimmes Wort. Es kam aus der Literatur – schon vor 150 Jahren tauchte in der Tannenliteratur das Wort "Tannensterben" auf. Das waren damals – vor 150 Jahren - auch Symptome, die man sich nicht erklären konnte. Und deshalb hat man den für Forstleute bekannten Begriff "Tannensterben" genommen. Und als dann die Fichte und die anderen Baumarten hinzukamen, hieß dann praktisch das "Waldsterben"."
Ein Wort, mit dem nun Jedermann hausieren ging, um seine Interessen damit durchzusetzen. Und es funktionierte prachtvoll.
Es war das Wort, mit dem die Abgase aus den Kohlekraftwerken entschwefelt wurden, mit dem der Katalysator im Auto und das bleifreie Benzin durchgesetzt wurden, ein Wort mit enormer Durchschlagskraft in der politischen Umweltdiskussion – bis heute.
"Aber da gab’s dann bald Probleme, wo natürlich auch die Fremdenverkehrsverbände da rumgelaufen sind, das sei doch eigentlich ein schrecklicher Begriff, man sollte doch hier was anderes suchen."
Wer macht schon gerne Urlaub in einem sterbenden Wald, sozusagen auf einem Friedhof mit dem Namen Schwarzwald?!
Und es gab sachliche Bedenken gegen das vereinfachende Wort. Der saure Regen konnte nicht mehr allein die Ursache sein – denn er war mit der Entschwefelung der Kohlekraftwerke weitgehend verschwunden.
Offensichtlich starb nicht der ganze Wald, und ganz offensichtlich gab es zweitens eine Vielzahl von Ursachen für die diversen Waldschäden im Schwarzwald. Dr. Hansjochen Schröter, für Waldschutz bei der forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württembergs zuständig, verweigert einfache Antworten beispielsweise auf die Frage: Was schädigt den Wald?
"Das ist sehr schwierig zu sagen. Die Abfolge, die auch damals zu sehen war, ist ja folgende: das eigentlich die Schadstoffe selber die Bäume selten peu a peu zum Absterben bringen. Was peu a peu zu sehen ist, ist dass die immer lichter werden, usw. Aber das Absterben selber wird meistens durch Schädlinge bewirkt. Und das sind meistens, bei den Fichten, die im Schwarzwald sehr stark dominieren, sind es die Borkenkäfer."
Dazu trockene Sommer, dazu allgemeine Klimaveränderung, das heißt Erwärmung – eben eine Vielzahl von Ursachen, die auf das komplexe Ökosystem Wald einwirken. Gleichwohl: so einfach ließ sich vor 20 Jahren das Wort Waldsterben nicht wieder aus der Umweltdiskussion und den Köpfen herausoperieren. Der damalige Forstpräsident Friedemann Kälble:
"Das wär’ halt apokalyptisch gewesen, wenn großflächig der Schwarzwald abgestorben wäre. Wie das viele Pessimisten prognostiziert haben. Und wenn man nichts gemacht hätte, wer weiß, wie das geworden wär! Man hat eben dann Entschwefelungsanlagen in den Großfeuerungsanlagen, es kam der Katalysator, - ich kann mich noch gut erinnern, es waren - glaube ich - gut 1000 DM Mehrkosten selbst für ein kleines Auto …"
. . . Mehrkosten, die der Staat mit Steuernachlässen subventionierte. In der forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg weiß man natürlich auch, dass der Aufstand der Umweltverbände für den Wald zunächst von Nutzen war.
"Der saure Regen – dass er sehr schädigend wirkt - ist in großem Maße besiegt. Vielleicht ein paar Punkte, wo starke Industrialisierung ist, wo es noch nicht ganz so weit ist, aber insgesamt für den Schwarzwald gesehen, auf jeden Fall."
Was auch die Denkmalpfleger dankbar zur Kenntnis nahmen – der Sandstein der alten Kirchen verwittert nicht mehr so schnell wie zu den Zeiten des sauren Regens:
"Auch beim Münster haben sie seit Beginn der 90er Jahre nicht mehr in dem Ausmaß durch Schäden mit saurem Regen zu tun, der ja auch den Sandstein am Freiburger Münster sehr stark geschädigt hat."
Die Förster und Fachleute verbannten Ende der 80er Jahre das Wort "Waldsterben" aus ihrem Wortschatz. Doch mit dem Verschwinden des Katastrophenwortes verlor auch die Sache selbst ihren Sensationswert. Obwohl weiterhin im Wald merkwürdige Dinge geschahen, die man nun unter dem Begriff: "Neuartige Walderkrankung" bündelte. Friedemann Kälble:
"Der Begriff "Neuartige Walderkrankung" ist wirklich zutreffend, weil eben die Immissionsschäden – Luftschadstoffe - das hat man früher nicht gekannt und nicht gewusst. Aber das neuartige an den neuartigen Waldschäden, das in den 80er Jahren derartig bekannt wurde, besteht darin, dass diese Luftschadstoffe über Hunderte von Kilometern transportiert werden. Man hat erkannt, dass die schon teilweise 10 oder 20 Jahre vorher sterbenden Seen in Skandinavien, da stellte man fest, dass bisher fischreiche Gewässer keine Fische mehr haben."
Jedenfalls gab es Schäden im Wald. Und die Waldbesitzer mussten etwas dagegen tun. Sie düngten ihre Böden. Mit Kalk. Im Schwarzwald war es meistens nur vom Hubschrauber aus möglich, die so genannte Meliorationskalkung vorzunehmen.
Teure Maßnahmen für den Waldeigentümer, sei er privat oder kommunal, wie beispielsweise Baden-Baden mit dem größten Kommunalwald in Deutschland.
Wenn der Chef dieses Waldes, Anton Hammer, auf den Schaden schaut, den die neuartige Walderkrankung verursacht, addiert er auf.
"Es gab tote Bäume, absterbende Bäume, allerdings: das Holz war noch in Ordnung. Aber der Schaden für uns als Waldbewirtschafter war natürlich, dass die Bäume nicht zum optimalen Zeitpunkt gefällt werden mussten, sondern viel zu früh zum großen Teil, d.h. es gab so genannte Hiebsunreifeschäden. Der Wald war entweder nicht verjüngt, oder der Baum war noch zu dünn – das sind eigentlich die Schäden –wenn man es juristisch sieht: Vermögensschäden, die dort eingetreten sind."
Dazu kamen die Auslagen für die Bodenmaßnahmen im Wald. Mit ungefähr 2000 Euro pro Hektar beziffert man in Baden-Baden den Totalschaden für den Wald, und zwar seit den 80er Jahren. Rechnet man das auf den ganzen Schwarzwald um mit seinen circa 200.000 Hektar Wald, dann liegt der Schaden für den Schwarzwald bei circa 400 Millionen Euro. Kein Wunder, dass die Waldeigentümer Entschädigung verlangen. Vergeblich bisher, - auch weil sich merkwürdigerweise gegen rechnen lässt. Martin Bentele, Geschäftsführer der Forstkammer Baden-Württemberg:
"Das ist wirklich ne sehr schwere Rechnung, weil wir hier eine sehr komplexe Erscheinung haben: wir haben zwar auf der einen Seite ein belastetes, fast verseuchtes System Waldboden, wo sich diese Schäden summieren, auf der anderen Seite haben wir durch die Stickstoffeinträge schneller wachsende Bestände. Wir haben also mehr Holz im Wald, als wir ohne diese Stickstoffeinfuhr haben. Da kam ein findiger Daimler-Manager mal auf die Idee, dass wir den Automobilherstellern sogar noch etwas zahlen müssten, für diese Einträge. Aber es war sehr schwer, reine Schäden zu monetarisieren, es ist fast unmöglich."
Alle Versuche von Waldeigentümern, Ersatz für ihre Schäden zu erhalten, sind folglich vor den Gerichten gescheitert, und zwar immer mit dem Hinweis, dass der Staat gehalten sei, die Bodenkalkung größtenteils zu finanzieren – was er auch mit rund 90 Prozent tut.
Und noch weiß niemand genau, was die unerwünschte Düngung durch die Autoabgase – also die Stickstoffeinbringung, wie die Fachleute sagen - bewirkt.
"Insgesamt können wir dieses geschädigte Ökosystem Wald mit einem Kind vergleichen, das sich nur noch von Schokolade ernährt. "
Will sagen: der Schwarzwald ist nach wie vor in einem schlechten Zustand. Und nach wie vor wirken Umwelteinflüsse auf das Ökosystem Wald ein: Heizungen und Autos, die Stickoxyde produzieren, die dann in den Waldboden eindringen, aber auch sonstigen Einfluss auf den Boden haben – welchen, weiß man nicht genau. Die Waldschadensberichte der Bundesregierung listen nach wie vor Jahr um Jahr Schäden auf, Schäden, die sich eben nicht verringert haben, im Gegenteil, wie Anton Hammer, Präsident des Forstvereins Baden-Württemberg feststellt:
"Wenn ich es mit heute vergleiche: wir hatten im letzten Jahr den schlechtesten Waldschadensbericht, seitdem es diese Aktion gibt. Und die Politik hat eben nur beiläufig von dem neuesten Waldschadensbericht Kenntnis genommen, weil man sich eben daran gewöhnt hat, dass der Wald nicht ganz intakt ist, und weil es einfach nicht in die politische Landschaft gepasst hat, dass man eventuell Geld für den Wald erneut ausgeben sollte."
Es hat sich nichts Wesentliches für den Wald geändert, meint man auch bei der Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg, auch wenn der saure Regen besiegt ist. Hansjochen Schröter:
"Also – wir sind eigentlich immer noch in diesem Kreislauf drin und in dieser Problematik, aber sie hat sich total verlagert von diesen SO-2 und Stickoxyden auf diese stärker klimatisch beeinflussten Ereignisse."
Und Anton Hammer fügt hinzu:
"Also wenn man es unter dem umweltpolitischen Gesichtspunkt sieht, war der Wald der erste große Bioindikator dafür, dass in unserer Umwelt irgendetwas aus dem Ruder läuft. Der Wald hat dafür herhalten müssen, dass vielleicht nicht viel Schlimmeres für den Menschen passiert."
Die großen Waldeigentümer im Land haben sich irgendwie beholfen. Es sind die kleineren Waldeigentümer, die ihre Zukunft verdunkelt sehen, auch der Waldbauer Wilhelm Walter oben im Schwarzwald in Lossburg bei Freudenstadt. Der Hof auf der Wiesenlichtung mitten im eigenen Tannenwald ist ein kleines Paradies, allerdings, ein gefährdetes Paradies. Seit Jahrhunderten lebt die Familie Walter vom Wald, hat den Hof vom Vater auf den Sohn übergeben. Die Familie hat in Generationen viel für ihren Wald getan, sagt Wilhelm Walter.
"Ich habe einen Baum, der beim Lothar gefällt wurde, die Jahresringe gezählt und bin auf 285 Jahre gekommen. Der Baum ist schon im Wald gestanden, da hat kein Mensch gewusst, dass es einen Mozart gibt."
. . . ein Baum, den einer seiner Vorfahren pflanzte. Jetzt, so fürchtet Walter, könnte es zum ersten Mal eng werden für die Fortsetzung des Familienhofes:
" Wenn ich jetzt sehe, wie der Holzpreisverfall und der Arbeitskostenanstieg sich weiter entwickelt hat, möchte ich jetzt sagen, ich glaube nicht, dass mein Sohn, selbst wenn er sich brennend dafür interessiert, diesen Hof als Vollerwerbsbetrieb bewirtschaften kann . . . "
Die Kosten, auch die Kosten für die so genannten Neuartigen Waldschäden, sind zu hoch.