Sterbende Wälder

Erst die Trockenheit, dann der Borkenkäfer

07:10 Minuten
Totholz steht im Brockengebiet im Harz.
Totholz steht im Brockengebiet. Die Trockenheit und der Borkenkäfer haben den Bestand der Fichtenwälder im Harz wie hier auf dem Brocken weitestgehend zerstört. © picture alliance/dpa / Matthias Bein
Von Marko Pauli · 04.07.2022
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Die Fichte ist immer noch die häufigste Baumart Deutschlands. Doch die Zukunft sieht düster aus. Der Baum reagiert besonders empfindlich auf Trockenheit und ist anfällig für den Borkenkäfer. Um den Wald zu retten, braucht es widerstandsfähigere Arten.
Peter Wendt leitet das Forstamt Sellhorn in der Lüneburger Heide in Niedersachsen. Mitten in dem von ihm betreuten Wald steht er nun vor einer lichten Fläche, etwa zwei Fußballfelder groß. Der Sturm hat hier im Forst mehrere solcher Schneisen gerissen.
„Hier waren die stärksten Orkanböen in Niedersachsen, dadurch ist das Forstamt Sellhorn relativ stark getroffen worden. Wir haben einen Holzanfall, also umgeworfenes Holz von 140.000 Festmeter, das entspricht etwa dem Doppelten eines üblichen Jahreseinschlages.“

Die Fichte trifft es besonders hart

Hier, aber auch in ganz Deutschland trifft es die Fichte besonders hart. Sie ist mit einem Anteil von 25 Prozent immer noch die häufigste Baumart Deutschlands, doch die Zukunft des für die Holzwirtschaft so rentablen Baumes sieht düster aus. Laut dem Waldzustandsbericht von 2021 weist sie im Vergleich zu den anderen Baumarten die höchste Sterberate auf. Sie reagiert besonders empfindlich auf Trockenheit, und die Dürrejahre seit 2018 haben sie geschwächt und angreifbar gemacht. Dort, wo sie eigentlich nicht Zuhause ist, dort, wo sie ohne andere Arten steht, kann ein Sturm sie leicht umwerfen.
„Wir haben Glück, dass wir nicht so große einheitliche Flächen haben, das wechselt sich immer ab, dahinter steht gleich wieder ein Buchenwald, dadurch ist immer eine natürliche Bremse gegeben.“

Diesen Sommer droht eine weitere Dürre

Im Harz etwa fehlt so eine Bremse, binnen drei Jahren sind 28 Prozent der Fichten gestorben. Laut dem zum Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, kurz BMEL, gehörenden Thünen-Institut verursachten die Extremwetterereignisse 2018 bis 2020 Schäden in Höhe von 12,7 Milliarden Euro. Nach einem etwas feuchteren 2021 droht in diesem Sommer eine weitere Dürre, befürchtet Manuela Rottmann, die parlamentarische Staatssekretärin ist im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft für Wald und Forst zuständig.
„Wir haben wieder ein sehr, sehr trockenes Jahr, das heißt es kommt auf einen geschädigten Wald eine weitere Trockenphase drauf und deswegen rechne ich damit, dass wir erhebliche Schäden haben werden dieses Jahr.“
Aus einem Wald mit Douglasien geht ein Mann mit seinem Hund bei Sellhorn in Niedersachsen spazieren
Im Wald bei Sellhorn wird bereits seit über 40 Jahren der Waldumbau betrieben, weg von den reinen Fichtenbeständen, hin zu einem Mischwald mit einheimischen Buchen und Eichen, aber auch importierten Douglasien.© picture-alliance/ dpa / Peter Steffen
Doch nicht alle Wälder zeigen sich derart beeindruckt von den neuen heißen, trockenen und stürmischen Zeiten.

Monokulturen müssen umgebaut werden

„Ich habe mir in den letzten Tagen viele Wälder angeschaut, die ganz gut durch die letzten Jahre gekommen sind und die zeichnen sich alle dadurch aus, dass sie altersdurchmischt sind und dass sie auch von den Baumarten sehr durchmischt sind.“
Dort, wo Monokulturen vorherrschen, sei jetzt ein Umbau dringend notwendig.
„Wir haben in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg die Wälder oft sehr schnell auf einen hohen Holzbedarf ausgerichtet, deswegen viele Fichten-Monokulturen angelegt. Wir rechnen damit, dass 25 Prozent des deutschen Waldbestandes wirklich sehr sehr gefährdet sind durch die starken Trockensommer, die wir jetzt haben und die müssen wir als allererste umbauen."

Befallenes Holz muss schnell aus dem Wald

Im gut 135 Quadratkilometer großen Waldgebiet des Forstamts Sellhorn bleiben die Schäden übersichtlich, wohl auch, weil hier bereits seit über 40 Jahren der Waldumbau betrieben wird, weg von den reinen Fichtenbeständen, hin zu einem Mischwald mit einheimischen Buchen und Eichen, aber auch importierten Douglasien, die in diesem Forst seit über 100 Jahren wachsen.
„Man hatte Glück, dass in diesen Fichtenbeständen so etwa 5 bis 10 Prozent Douglasien stehen, die ist ein wenig standfester, dadurch sind einige einzeln stehengeblieben.“
Von den Fichten, die hier noch 18 Prozent des Waldes ausmachen, hat es nun viele getroffen. Das Holz musste schnell aus dem Wald, so Peter Wendt, denn wenn Fichten nicht mehr über ihre Wurzeln mit Wasser versorgt werden, hat ein kleiner, auf Fichten spezialisierter Käfer leichtes Spiel.

20.000 Käfer in einer Fichte

„Wenn der Borkenkäfer günstiges Brutmaterial vorfindet, kann er sich einnisten und produziert dann im Jahr mehrere Generationen und kann dadurch eine Population aufbauen, die dann in der Lage ist, gesunde stabile Fichten zu befallen. Dem wollten wir zuvorkommen, indem wir versucht haben, möglichst schnell zu ernten.“
Wenn es heiß und trocken ist, sind die Bedingungen für den Käfer günstig, dann können in einer befallenen Fichte gut 20.000 Käfer heranwachsen, die dann 20 benachbarte Bäume befallen, aus denen wiederum 400.000 Käfer herausschwärmen und weitere 400 Fichten befallen. Um das exponentielle Wachstum in diesem Wald zu verhindern, sind Forstarbeiter aus ganz Deutschland, aber auch aus Estland und Österreich in die Lüneburger Heide gekommen, um mit schwerem Gerät das Holz aus dem Wald zu holen.
„Dadurch waren wir sehr schnell, so dass wir heute sagen können, wir haben es geschafft. Auch das Holz ist größtenteils schon abgefahren. Wir haben das Glück gehabt, dass wir aktuell normale Holzpreise haben und die holzverarbeitende Industrie es abnimmt und zeitnah abfährt. Wir haben jetzt jede Woche drei, vier Ganzzüge, die wir komplett mit Holz beladen.“

Sparsamer mit Holz umgehen

Jetzt gehe es darum, den Waldbestand so zu verändern, dass er besser mit dem veränderten Klima klarkomme, sagt Staatssekretärin Rottmann.
„Deswegen ist unser Weg, jetzt den Waldbesitzern dabei zu helfen, diesen Umbau zu stemmen. Das kann auch bedeuten, dass man eine Zeit lang weniger Holz entnimmt, schlicht und einfach um den Aufwuchs besser zu schützen vor Sonneneinstrahlung, und auch das bedeutet der Verzicht auf wirtschaftliche Einnahmen.“
Es gehe auch darum, zukünftig sparsamer mit Holz umzugehen. gut die Hälfte des Holzes wird derzeit noch verheizt, das müsse deutlich reduziert werden. Waldbesitzer, die weniger Holz entnehmen, sollen dafür künftig belohnt werden, sagt Staatssekretärin Rottman.
„Dafür sind vorgesehen für die nächsten Jahre 900 Millionen Euro. Wir wollen gerne in diesem Jahr damit anfangen und honoriert wird damit eine Waldbewirtschaftung, die den Wald umbaut zu einem widerstandsfähigen Wald, dazu gehört der Verzicht auf Kahlschläge, dazu gehört die Forcierung der Naturverjüngung, auch die Bodenschonung ein ganz wichtiger Punkt.“

Welche Arten können standhalten?

Die gerodeten Flächen im Wald von Peter Wendt liegen nicht ungeschützt da, junge Buchen sind stehen geblieben und einiges an Totholz ist liegen gelassen worden. Junge Eichen sollen gepflanzt werden, die dank der strengen Wildregulierung auch eine Chance haben, nicht aufgefressen zu werden.
„Weil die Licht braucht, da nutzen wir so ein Sturmereignis, um da solche Lichtbaumarten zu bringen.“
Doch wenn es Jahr für Jahr weiterhin trockener und heißer wird, welche Arten können dem standhalten?
„Am empfindlichsten ist die Fichte, dann kommt die Buche, Douglasie, Roteiche. Mit am wenigsten Wasser kommen die Eichenarten klar und die Kiefer. Am besten ist aber ein wohlsortiertes Warenlager.“

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