Waldbrand-Risiko durch kleinteilige Landwirtschaft verringern

Eduardo Rojas im Gespräch mit Nana Brink · 10.05.2011
Immer länger werdende Trockenperioden, so zum Beispiel auch in diesem Frühjahr in Deutschland, erhöhen die Waldbrandgefahr. Zugleich haben Flächenbrände wie in Griechenland oder Russland Einfluss auf die weitere Erderwärmung, sagt der UN-Experte Eduardo Rojas.
Nana Brink: Wir freuen uns über die frühsommerlichen Temperaturen und ignorieren dabei gern, dass es in diesem Frühjahr einfach viel zu wenig geregnet hat. Die Landwirte ächzen und die Waldbrandgefahr steigt stetig in Deutschland. Erst am Wochenende sind in Nordrhein-Westfalen mehrere Waldstücke in Flammen aufgegangen. Auch wenn diese Brände ein Klacks sind gegen die Brände, die Australien an jenem Black Saturday 2009 oder Russland zum Beispiel letztes Jahr erlebt hat, die Gefahr von Großbränden steigt in den letzten Jahren immens an, und auch wir sind nicht gefeit. Und genau darum geht es bei der fünften internationalen Wildland Fire Conference. Mit dabei und am Telefon bei uns ist jetzt Eduardo Rojas, stellvertretender Generalsekretär für Landwirtschaft und Ernährung bei den Vereinten Nationen. Einen schönen guten Tag, Herr Rojas!

Eduardo Rojas: Guten Tag!

Brink: Wann bezeichnet man Waldbrände als Großbrände?

Rojas: Das hängt vom Land ab. Ein kleinflächiges Land wie die Schweiz oder die Niederlande würde wahrscheinlich ab 100 Hektar das als Großbrand bezeichnen, während die USA, Kanada, Russland sicherlich von mehreren tausend Hektar sprechen würden.

Brink: Wo gibt es denn die größten Waldbrände oder Großbrände auf dieser Welt?

Rojas: Die wichtigsten sind in den trockenen Gebieten der reicheren neu entwickelten Nationen, sei es viele Teile der USA, Australien oder das Mittelmeer. Daneben haben wir Großwaldbrände in den Tropen, in den trockenen Tropen, in den sogenannten Savannenregionen, wo normalerweise die Waldbrände auch keine größeren Schäden bringen. Und zunehmend haben wir Brände in der borealen Zone wie letztes Jahr in Russland, die wahrscheinlich durch den Klimawandel sich verstärken, auch in Kanada. Diese Brände in der Vergangenheit waren nicht so kritisch, weil sie nur unten am Unterstand gebrannt haben und nur ausnahmsweise mal im gesamten Bestand gebrannt haben, aber mit der Klimaerwärmung werden sie kritischer. Und dann zurückkommend in den richtigen grünen Tropen, feuchten Tropen. durch Entfaltungserscheinungen, und in trockenen Zeiten kriegen wir auch Waldbrände in einer Region, die eigentlich nicht so natürliche Waldbrände hatte.

Brink: Dabei sind wir schon bei den Ursachen. Die Gefahr von so genannten Großbränden ist ja immens gestiegen, wie Sie gesagt haben, wo liegen denn Ursachen?

Rojas: Es ist eine Kombination von Ursachen. Auf der einen Seite Klimawandel ist richtig, vor allem in den borealen Gebieten, aber mehr als das ist das Zurückziehen der menschlichen Aktivitäten, vor allem, wie gesagt, in diesen entwickelten trockenen Ländern wie das Mittelmeer, wie die Vereinigten Staaten, wie Australien. Die ganze ländliche Aktivität ist zusammengebrochen, die Leute sind in die Städte gewandert, und die Macchia, die Wälder, die Buschländer haben sich ausgebreitet, sind unheimlich monoton, und dadurch besteht eine große Gefahr, dass dann ganze Landstriche brennen. Das typischste Beispiel ist in Australien, wo die Aborigines die Gewohnheit hatten, alle maximal zehn Jahre jedes Stück zu verbrennen, immer mit kleinen Waldbränden, die sie in den eher feuchteren Zeiten ansteckten, sodass keine Großwaldbrandgefahr bestand, und dadurch sich die Akkumulation von brennbarem Material sich in Grenzen hielt und das Ökosystem unheimlich viel reicher war an Ernährung für die Kängurus, die ja ihre wesentliche Proteinquelle waren.

Brink: Heute stellen Sie auf der internationalen Waldbrandkonferenz ein Papier vor mit der interessanten These: Die ansteigende Zahl der Großbrände befeuert – sprichwörtlich sozusagen – die Erderwärmung. Wie kommen Sie zu dieser These?

Rojas: Ja, Waldbrände sind natürlich eine große Quelle von Kohlenstoffemissionen. Sehr wenig betrachtet wird das Risiko, dass wir in wenigen Stunden und Tagen, praktisch was wir über Jahre hinweg an Kohlenstofffixierung durch die Wälder geschafft haben, über große Waldbrände verlieren. Und in vielen Ländern werden diese Emissionen gar nicht kalkuliert. Und wir sind der Überzeugung, dass bei entsprechenden kohärenten Politiken es möglich wäre, dieses Risiko zu minimieren. Wir haben in dieser Studie festgestellt, dass Gebiete wie Südwest-Australien oder Florida, die sehr beispielhafte Waldbrand-Verhütungspolitiken aufgesetzt haben, das Risiko von Megafeuern unheimlich reduziert worden ist, indem man weiterhin die Landschaft bewirtschaftet hat und nicht diese Akkumulation von brennbarem Material unkontrolliert behalten hat und vor allem die Landschaft kleinflächig gestaltet hat.

Brink: Ist das also die Lösung, Wiederaufforstung oder überhaupt Verhinderung?

Rojas: Wer einen Waldbrand in Griechenland vor vier Jahren erlebt hat, der weiß, dass es da nicht genügend Wasser im Mittelmeerraum gibt, um so einen Waldbrand zu stoppen. Es ist nicht möglich, über technische Maßnahmen das zu erreichen. Dieses Gebiet zum Beispiel, in Griechenland, was brannte, war früher voll zersiedelt mit Kleinlandwirtschaft, Viehwirtschaft, Waldstücke, und das alles ist einfach verlassen worden. Die Leute sind nach Athen und an die Küste gegangen, und das ist alles zu einer ausgedehnten Macchia geworden. Dieses Modell ist nicht nachhaltig in unseren Gebieten, das müssen wir vermeiden, dass unser Patient, der Wald, in diesen Trockengebieten in einer Situation ist, dass er einen Stress aushalten kann, und entsprechend wie in der Gesundheitspolitik wir nicht einen cholesterin-geschädigten Patienten haben, sondern einen wesentlich gesünderen Patienten haben, was heute in vielen dieser Situationen nicht der Fall ist.

Brink: Eduardo Rojas, stellvertretender Generalsekretär für Landwirtschaft und Ernährung bei den Vereinten Nationen. Schönen Dank für das Gespräch!

Rojas: Danke Ihnen!

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