Wahnsinn auf Vinyl

15.06.2007
Es ist eines der meistverkauften Alben der Popgeschichte und geht immer noch jährlich 250.000 Mal über die Ladentische. Nach der Veröffentlichung im März 1973 hielt sich die Platte 724 Wochen hintereinander in den amerikanischen LP-Charts und in jedem fünften britischen Haushalt soll diese Platte stehen.
Allein aus diesen Fakten ist ersichtlich, welchen Stellenwert das Album "The Dark Side Of The Moon" der englischen Gruppe Pink Floyd in der Pophistorie und für deren Macher einnimmt.

"The Dark Side Of The Moon" entstand unter dem Einfluss der verstörenden Erfahrungen mit ihrem einstigen kreativen Kopf Syd Barrett. Der geniale, hypersensible Musiker war ab Ende der sechziger Jahre nach stetig steigendem Drogenkonsum geistig und körperlich nicht mehr in der Lage, Auftritte zu absolvieren und sich an der Studioarbeit der Band zu beteiligen, so dass man Barrett kurzerhand durch den Gitarristen David Gilmour ersetzte.

Roger Waters, Bassist und neuer Ideengeber der Band, beschäftigte sich seit Ende der sechziger Jahre immer intensiver mit Themen wie Wahnsinn, Tod, Angst und Entfremdung, den zentralen Motiven der Platte. Aber auch der Frust der Musiker über den wachsenden Druck der Plattenindustrie, die mehr auf Umsätze und weniger auf die Inhalte der Musik Wert legte, als noch in den frühen Tagen der Beatmusik, floss ebenfalls in den 45-minütigen Soundreigen mit ein. Der Verlust der Utopie der frühen Hippiejahre, dem statt der naiven Weltverbesserungs-Parolen Love, Peace und Understanding in den frühen siebziger Jahren der Vietnam-Krieg, Watergate und die ersten prominenten Drogentoten gegenüberstanden, finden zudem ihre subjektive Entsprechung in dem Album.

Die Band arbeitete ungewöhnlich lange sieben Monate an dem Album. Die Aufnahmen wurden allerdings immer wieder von kurzen Tourneen unterbrochen, auf denen die Band die Songs live spielte und dabei ständig weiterentwickelte.

Der bis heute beeindruckende musikalische Streifzug durch die Abgründe des menschlichen Daseins, wurde mit den damals neuesten technischen Möglichkeiten umgesetzt. Pink Floyd konnten mit der gerade eingeführten 24-Spur-Technik aufnehmen und auf frühe Synthesizer zurückgreifen. Zusätzlich verwendete man Soundschnipsel wie Herzklopfen, Wecker und Geldmünzen und schuf mittels modernster Stereo und Quadro-Effekte eines der konsequentesten Konzeptalben der Popmusik. Soundtechnisch setzte das Quartett einen hohen Standart, der lange Zeit Bestand hatte und selbst heute, nach der Aufbereitung für Lasertechnik, 35 Jahre nach der Fertigstellung, immer noch brillant klingt. Die Band fand mit ihrem achten Album "The Dark Side Of The Moon" nach den frühen experimentellen und den folgenden elegischen, manchmal zu esoterischen Werken, genau den Punkt zwischen musikalischem Anspruch und kommerziellen Überlegungen, wodurch sich Pink Floyd weitaus größere Hörerkreise erschlossen und damit zu Superstars avancierten.

Der englische Autor und Musikjournalist John Harris recherchierte zwei Jahre für das Buch. Er sprach mit allen vier Mitgliedern von Pink Floyd, um aus erster Hand zu erfahren, wie die Aufnahmen zu "The Dark Side Of The Moon" über die Bühne gingen. Bassist und Songschreiber Roger Waters, Gitarrist Dave Gilmour, Keyboarder Rick Wright und Schlagzeuger Nick Mason erläutern in diesen Gesprächen in aller Offenheit, unter welchen Umständen ihr Meisterwerk entstand. Harris gibt damit aber nicht nur die Meinung der Musiker wieder, sondern setzt die Aussagen der Beteiligten in Relation und schafft so ein objektives und ungeschminktes Bild der Band und ihres wohl wichtigsten Albums.

Darüber hinaus kommen auch der Tontechniker Alan Parsons, Manager, Grafiker und die beteiligten Gastmusiker zu Wort. Vor allem durch Parsons Erklärungen über seine Arbeitsweise und technischen Improvisationen entsteht ein genaues Bild über die Produktion der Platte.

John Harris hat mit "Pink Floyd und The Dark Side Of The Moon - Die Entstehung eines Meisterwerks" ein faktenreiches und höchst unterhaltsames Buch geschrieben, das einerseits die Produktion eines der wichtigsten Alben der Popgeschichte aufzeigt und andererseits in den Kontext zum Schaffen der Band stellt. Ein Buch, das für Pink Floyd-Fans zur Standardlektüre gehören sollte.

Rezensiert von Uwe Wohlmacher

John Harris: Pink Floyd und The Dark Side Of The Moon
Die Entstehung eines Meisterwerks

Aus dem Englischen von Jörg Gülden
Hannibal Verlag
200 Seiten, 24,90 Euro
Der Schlagzeuge der Band Pink Floyd, Nick Mason, zu Gast im Deutschlandradio Kultur.
Der Schlagzeuge der Band Pink Floyd, Nick Mason© Deutschlandradio / Bettina Straub