Wahlverlierer CSU

Die Junge Union leidet besonders

Hans Reichart, der Landesvorsitzende der Jungen Union Bayern, sitzt bei der Landesversammlung der Jungen Union Bayern auf dem Podium.
Hans Reichart, der Landesvorsitzende der Jungen Union Bayern. © picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand / dpa
Von Tobias Krone · 15.10.2018
Der Chef der bayerischen Jungen Union, Hans Reichhart, versuchte im Wahlkampf Themen wie Digitalisierung und Wohnen in den Vordergrund des CSU-Wahlkampfes zu stellen. Gezogen hat das nicht. Die Enttäuschung ist groß.
Müde und abgeschlagen wirkt Hans Reichhart, Chef der Jungen Union Bayern, als er zusammen mit dem Pulk um Markus Söder den trotzigen Pflichtapplaus für die Kameras spendet. Augenringe, die von einem verlorenen Wahlkampf zeugen. An seiner Truppe soll es nicht gelegen haben.
"Allein bei mir daheim waren heute Nacht noch über 40 Ju-ler unterwegs, die Türanhänger verteilt haben bis nach Mitternacht und alles. Die haben gekämpft bis zum Umfallen, aber – ja, es hat halt diesmal nur für ein Wahlergebnis zwischen 35 und 36 Prozent gereicht."
Am Ende sind es 37,2 Prozent für die CSU. Das schlechteste Ergebnis seit 1950. Seine Stimmung fasst Reichhart knapp zusammen.

Analyse statt Lautstärke

"Es gab schon bessere Tage."
Reichhart ist ein JU-Chef, der nicht für seine Lautstärke bekannt ist. Doch die Klarheit seiner Analyse ist jetzt unüberhörbar.
"Dass es ein beschissenes Ergebnis ist und dass wir einfach schauen müssen, wie wir hinkommen, wie wir zurechtkommen und – das bittere ist ja, dass wir im Endeffekt eine komplette Erosion der Koalitionsparteien in Berlin erleben. Die SPD halbiert, wir zweistellig verloren und das muss auch zu denken geben."

Ist Horst Seehofer schuld?

Vor allem die Jungen in der Partei leiden unter dem Ergebnis. Sie standen wie Reichhart vor allem auf den Listen für die Zweitstimme. Doch diesmal schafften es bei der CSU nur die Direktkandidaten. Selbst ein JU-Chef wie Reichhart, der sich als Staatssekretär um die Digitalisierung Bayerns kümmert, muss zusehen, wie aus seinem Wahlkreis Günzburg der 68-Jahre alten lokale Platzhirsch Alfred Sauter weitermachen darf – und er seinen Schreibtisch im Münchner Landtag räumen muss. Hat die CSU die Zeichen der Zeit verkannt? Oder ist doch vor allem der 69 Jahre alte Parteichef Horst Seehofer schuld?
"Wir haben vor einem Jahr den Fehler gemacht, dass wir um 18.05 Uhr rausgegangen sind rausgegangen sind mit einer Analyse."
Das ist eine indirekte Kritik an Horst Seehofer, der 2017, als die CSU 38 Prozent bei der Bundestagswahl erhielt, unmittelbar erklärte, die Partei müsse ihre rechte Flanke schließen. Trotzdem. Voreilige Schlüsse will jetzt auch Reichhart nicht ziehen. Klar aber sei. Inhalte müssten sich ändern.

Das soziale Gewissen ist raus

"Wir müssen uns über Europapolitik unterhalten, wo wir jetzt mit dem Manfred Weber als Spitzenkandidat einziehen werden. Wir müssen auch über vieles diskutieren, wo wir sagen, Mensch, sind wir von der Struktur noch so aufgestellt, wie wir, ja, als Volkspartei aufgestellt sein müssen?
Die Chiffre Volkspartei. An diesem Wahlabend hört man sie öfter bei der CSU. Auch von der Grande Dame der Partei, die ebenfalls rausgeflogen ist: Barbara Stamm. Die 73 Jahre alte Landtagspräsidentin galt schon lange als soziales Gewissen der Christsozialen, das einzige verbliebene. Nun redet sie Klartext, wo sie den Mangel in der Volkspartei sieht.
"...dass ich seit einem Dreivierteljahr in parteiinternen Gremien ganz deutlich gesagt habe, wir können rechts gar nicht so viel gut machen wie wir in der Mitte verlieren. Und das ist heute eingetreten. Ich wollte nicht Recht bekommen, aber leider habe ich Recht bekommen."

CSU-Themen haben die Interessen der Menschen verfehlt

Doch Söder und Seehofer haben im Wahlkampf alles getan, um rechts vermeintlich Boden gutzumachen. Dabei hätten die Parteioberen einfach nur mal selbst auf der Straße Wahlkampf machen müssen, um zu verstehen: Das Thema Asyl zieht nicht mehr.
"Nicht nur, dass man auf dem Thema Asyl rumreitet, sondern dass man wichtigere Themen anspricht, die für uns wichtig sind. Wie Wohnungsnot zum Beispiel. Ich denke, dass das andere Thema eher ausgelutscht, so langsam."
Bemerkenswert: Diese Sätze stammen von vor der Wahl, vor einem Monat, als der Wahlkampf auf Hochtouren lief – und zwar von Bastian Suß. Er ist Ortsvorsitzende der JU Theugn, das in Niederbayern liegt, fernab der Metropolen. Doch auch hier ist Wohnen wichtiger als die Scharmützel um die Asylfrage. Bei diesem Wähler, Benjamin Wahl, 34, aus Bayreuth ebenfalls. "Die drei vier Migranten oder Flüchtlinge, die hier in der Stadt rumlaufen – das ist doch eigentlich überhaupt kein Thema mehr. Ich kann’s auch von der CSU eigentlich nicht mehr hören."
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