Wahlschlappe für Lafontaine

Von Günter Hellmich |
Er gibt es nicht zu. Und so selbstverliebt wie Oskar Lafontaine ist, glaubt er es selbst vermutlich wirklich nicht. Aber: Dieses Abstimmungsergebnis ist für ihn eine Niederlage. Neu Prozent weniger als im vorigen Jahr sind nicht nur die Quittung für den autoritären Führungsstil des Napoleon von der Saar, sondern auch ein Denkzettel dafür, dass er bei jedem Auftritt klarmacht, dass für ihn nichts anderes zählt als sein Privatkrieg gegen die SPD.
Insbesondere für die ostdeutschen Linken die durchaus an weiteren Regierungskoalitionen mit der SPD interessiert sind, ist das keine akzeptable Linie. Dass Parteigeschäftsführer Dietmar Bartsch und der Co-Vorsitzende Bisky ihre Ergebnisse bei der Vorstandswahl verbessern oder halten konnten, muss Lafontaine doppelt ärgern. Er wird das als Übergangserscheinung werten, als normale Reaktion im Ost- West Integrationsprozess der fusionierten Partei, und insgeheim vermutlich auf die dummen Ossis schimpfen, die nicht begreifen, dass er gerade dabei ist eine historische Rolle zu übernehmen.

Das legt zumindest seine Parteitagsrede nahe, in der Oskar Lafontaine mit gewohnt eindringlicher Rhetorik seine Traditionslinie zu Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg zog und oben drein den "Wind der Geschichte" als Antriebskraft für seine Politik reklamierte. So groß der vor allem hinter vorgehaltener Hand geäußerte Unmut vieler ostdeutscher Genossen über Lafontaine ist – die große Mehrheit hat ihn dennoch gewählt. Weil die nämlich noch immer fasziniert ist vom Erfolg, den seine populistischen Auftritte bei den Wählern im Westen haben. Weil erst Lafontaine damit die PDS zu einer wirklichen Größe in der bundesrepublikanischen Politik gemacht hat, scheuen viele, die ihn eigentlich satt haben vor der Konsequenz ihn nicht zu wählen. Deshalb hinterlässt dieser Parteitag einen zwiespältigen Eindruck:

Die gelbe Karte für Lafontaine ist der Hinweis, dass nicht alle den Weg in den zumindest verbalen Fundamentalismus mitgehen wollen. Ebenso die Abstimmungsergebnisse, mit denen entsprechende Änderungen des Leitantrages abgewehrt wurden. Andererseits folgt die Partei dem Populismus Lafontaines, indem sie illusionäre Forderungen wie ein jährliches Investitionsprogramm von 50 Milliarden Euro beschließt. Obendrein machten die Redebeiträge vieler westdeutscher Linke klar, dass Lafontaine ein Potenzial von Leuten in die Partei geführt hat, die für realistische Politik nicht in Frage kommen, weil sie erst nach der Revolution oder überhaupt nicht regieren wollen. Die Frage quo vadis hat die Partei in Cottbus nicht beantwortet.