Wahlprogramm der Union

Von Silvia Engels |
Das Gute vorweg: Die Union hat sich bemüht, konkret zu werden. Konkreter jedenfalls als die Wahlprogramme von Rot oder Grün, in denen vieles nicht gegenfinanziert ist. Zweiter Pluspunkt: CDU und CSU haben sich getraut, auch Unangenehmes in ihr Konzept zu schreiben.
Der für den Bürger schwerste Brocken: Die Mehrwertsteuer steigt wohl auf 18 Prozent, wenn die Union bei den geplanten Wahlen die Mehrheit bekommt. Im Gegenzug will sie den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung senken. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Er verbilligt den Faktor Arbeit und beteiligt alle Konsumenten an den Kosten. Das kann helfen, sozialversicherungspflichtige Jobs wieder etwas attraktiver zu machen. Doch zugleich beleuchtet der Punkt Mehrwertsteuer im Wahlprogramm beispielhaft drei Grundprobleme der Union.

Erstens: Es ist erschreckend, dass die Unionsministerpräsidenten, allen voran CSU-Chef Edmund Stoiber, sich durchgesetzt haben, die Steuermehreinnahmen zum Teil in die Länderhaushalte zu leiten. Das könnte dort den notwendigen Spardruck mindern. Zudem zeigt der Streit die Probleme einer möglichen Kanzlerin Merkel. Wie will sie den Bundeshaushalt sanieren, wenn die starken Unionsministerpräsidenten schon jetzt darauf aus sind, bei jeder Gelegenheit Gelder für sich abzuzweigen?

Zweitens: Die Mehrwertsteuererhöhung spült Geld in die maroden Sozialkassen, ohne dass direkt mit dem Strukturumbau begonnen wird. Die Reformen von Arbeitsmarkt, Gesundheitssystem, Pflegeversicherung und Rentenkasse kommen erst später. Das geplante Prämienmodell, bei dem ein fester Betrag pro Kopf zur Krankenversicherung gezahlt werden soll, ist zwar im Ansatz richtig, Gesundheitskosten und Faktor Arbeit müssen entkoppelt werden. Aber bislang weist das Konzept noch gewaltige Finanzierungslücken auf.

Drittens offenbart die Mehrwertsteuer ein Dauerproblem der Union mit der FDP. Die Liberalen sind gegen die Erhöhung dieser Abgabe. Sie sei bei einem glasklaren Steuersystem ohne Ausnahmen nicht nötig. Ob das stimmt, ist umstritten. Klar ist aber, dass sich die Liberalen mit ihrer Gegenwehr auf Kosten der Union profilieren wollen. Der Grund: Die Mannschaft um Guido Westerwelle fürchtet das Gespenst einer großen Koalition und kämpft darum für sich allein.

Und das wird sich zum Leidwesen von Angela Merkel auch nicht dadurch ändern, dass weite Teile des Unionsprogramms durchaus wirtschaftsliberale Konturen zeigen: Steuertarife senken und Ausnahmen streichen, Kündigungsschutz lockern, Langzeitarbeitslose unter Tarif bezahlen, betriebliche Bündnisse gesetzlich regeln. Das sind ermutigende Ansätze für Firmen, Arbeitsplätze zu schaffen. Doch das ist zugleich harter Tobak für den Arbeitnehmerflügel der CDU und Teile der CSU. Die Parteispitze hat versucht, dem Rechnung zu tragen, indem sie bei vielen Maßnahmen klare Terminvorgaben vermied. Zu Lasten der Aussagekraft des Programms.

Man muss nicht viel Phantasie haben, um sich vorzustellen, dass mancher in der Union diesem Konzept nur deshalb zugestimmt hat, weil es eben ein Wahlprogramm ist. Ein Wahlprogramm, das ohnehin nie komplett umgesetzt werden wird. Falls Angela Merkel tatsächlich zur Kanzlerin gewählt wird, ist ihr zu wünschen, noch klarer als nach dem heutigen Konzept den Strukturumbau in Deutschland voranzubringen. Doch es ist wahrscheinlicher, dass sie dann ihre ganze Energie darauf konzentrieren muss, ihre Partei, ihre Ministerpräsidenten und ihren Koalitionspartner dazu zu bringen, wenigstens das umzusetzen, was nun Programm ist.