Wahlnachlese

Thüringer SPD stürzt ab

Die Bildkombo vom 20.08.2014 zeigt Großplakate der Parteien (von links oben im Uhrzeigersinn) CDU, Linke, FDP und SPD, die in Thüringen das Bild an den Straßen bestimmen.
Plakate der Parteien vor der Wahl - hat die SPD ihre Wahlversprechen nicht gehalten? © picture alliance / dpa / Michael Reichel
Von Thilko Grieß · 15.09.2014
Massive Stimmenverluste bei der Landtagswahl in Thüringen, nur ein Platz mehr im Erfurter Landtag als die AfD - bei den Sozialdemokraten übt man sich in Selbstkritik und in der Fehleranalyse.
Massiv Stimmen verloren, die Fraktion um ein Drittel geschrumpft: Einig ist sich die SPD nur in einem.
"Das ist ein harter Tag für die Thüringer SPD."
Andreas Bausewein, Erfurter Oberbürgermeister, Sozialdemokrat. Nur: Welche Gründe für das in Thüringen schlechteste Wahlergebnis Ausschlag gebend waren – darüber herrscht keine Einigkeit: Ein Student aus Erfurt, selbst SPD-Mitglied, meint: Seine Partei hätte sich im Wahlkampf entscheiden müssen:
"Wir sind so abgestürzt, weil wir keine klare Aussage gemacht haben. Viele Leute interessiert das, wer wird Ministerpräsident oder wer wird Ministerpräsidentin, und das haben wir nicht beantwortet, weil wir es selber nicht wussten, das hat viele nicht zufrieden gestellt. Ich gehe davon aus, viele haben deswegen die Linke gewählt, weil sie einen Regierungswechsel wollten oder viele haben die CDU gewählt, weil sie eben keinen linken Ministerpräsidenten wollten."
Es gibt andere Sozialdemokraten, die nicht allein diesen Wahlabend im Kopf haben und sich erinnern: Vor fünf Jahren hat die SPD schon einmal über ein Rot-Rot-Grünes Bündnis verhandelt, die Mehrheit im Landtag hätte es gegeben – doch am Ende konnten sich die Verhandlungsführer nicht auf Posten und Kompetenzen einigen. Die SPD wählte, was übrig war: eine Koalition mit der CDU unter Christine Lieberknecht.
"Ich glaube, die Wählerinnen und Wähler haben uns nicht mehr vertraut",
meint diese Sozialdemokratin.
Versprechen nicht gehalten
"Wir haben 2009 einen Wechsel versprochen, haben ihn nicht gehalten, sind dann mit der CDU in Bett gegangen sozusagen, und ich glaube, das hat sich jetzt gezeigt, dass die Wählerinnen und Wähler doch nachtragender sind, als wir geglaubt haben."
Nun fehlt es der SPD an Vielem: Schon seit Jahren sind sie in Kommunen und Landkreisen schlechter verankert als Linke und CDU. Jetzt wirkt ihr Spitzenpersonal ratlos und in Berlin verlangt Parteichef Sigmar Gabriel per Interview einen Neuanfang in Thüringen.
"Tja, Patentrezept hat keiner"
Auch nicht Andreas Bausewein, der Oberbürgermeister Erfurts. Er regiert die größte Stadt des Landes. Immerhin ein Sozialdemokrat, der schon einmal eine Wahl gewonnen hat – und den sich mancher in der SPD wohl als neuen Landeschef wünscht. Sein Vorschlag:
" ... Dass wir noch bürgerorientierter werden, die Leute mitnehmen, auf die Leute zugehen und über Personen versuchen, das Ergebnis wieder hochzuziehen."
Kaum erträglich ist für Bausewein, dass die SPD nur einen Sitz mehr im Landtag stellt als die neue Konkurrenz, die Alternative für Deutschland.
AfD zweite konservative Kraft im Erfurter Landtag
"Wir werden konstruktiv sein, gar keine Frage, aber wir werden auch deutliche Töne artikulieren."
Kündigt Björn Höcke an, Geschichtslehrer in Osthessen, wohnhaft in Westthüringen und AfD-Landeschef. Er nimmt für sich und seine Partei in Anspruch, Standpunkte auszusprechen, die sich andere Parteien längst nicht mehr zu sagen trauten:
"Wenn Sie mich so fragen, antworte ich jetzt mal ganz populistisch: Wer sagt, dass die Masseneinwanderung, wie sie im Augenblick abläuft, nämlich unkontrolliert, weil wir kein Einwanderungsgesetz haben – wer darauf hingewiesen hat, dass das gefährlich ist, weil es die Aufnahmebereitschaft unserer Menschen überfordert und die staatliche Integrität gefährdet, der wurde ganz schnell als Ausländerfeind tituliert. Da müssen wir einfach offen drüber reden dürfen. Punkt."
Der Wahlerfolg der AfD löst Stirnrunzeln bei der CDU aus – die thüringischen Christdemokraten pflegen nach bayerischem Vorbild das Selbstverständnis, die einzige konservative Kraft zu sein. Im neuen Erfurter Landtag gibt es, wie inzwischen auch in anderen Parlamenten, seit gestern zwei.
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