Wahlkampf im Saarland

Genossen hoffen auf Schulz-Effekt

Mit zwei großen Plakaten werben am Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU, l) und Anke Rehlinger (SPD) in Saarbrücken (Saarland) um Wählerstimmen.
Mit zwei großen Plakaten werben am Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU, l) und Anke Rehlinger (SPD) in Saarbrücken um Wählerstimmen. © dpa/ picture alliance/ Oliver Dietze
Von Tonia Koch · 22.03.2017
Es wird spannend an der Saar. Zwei Frauen wollen Ministerpräsidentin werden - und das Rennen ist offen. Wer wird siegen am 25. März 2017? Die amtierende CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer oder ihre SPD-Herausforderin Anke Rehlinger?
"Hallo gudde moie! Un? Jo! Gudd."
Un, jo, gudd, drei Worte markieren eine perfekte saarländische Unterhaltung. Anke Rehlinger, die Spitzenkandidatin der SPD bei der saarländischen Landtagswahl beherrscht die landestypische Kurzform des Dialoges. "Un" bedeutet: Wie geht es Ihnen? Die Antwort "Jo" signalisiert: privat, mit den Kindern und beruflich ist alles in Ordnung. Und das "Gudd" am Ende heißt: Das freut mich für Sie!
"Guten Morgen, da hast Du aber kein gutes Wetter erwischt für nach Wadern, das ist egal, wir kommen bei allen Wettern, dürfen wir Ihnen noch ein Röschen mitgeben, ins schöne Körbchen hinein und noch ein bisschen Material, damit man weiß, worum es geht, am 26. März."

SPD-Spitzenkandidatin profitiert vom Schulz-Effekt

Anke Rehlinger ist in Wadern unterwegs. Das Städtchen im nördlichen Saarland hat knapp 16.000 Einwohner. Die Gegend mit viel Wald, satten Wiesen und ein bisschen Industrie gilt als strukturschwach. Hier ist die amtierende saarländische Wirtschaftsministerin aufgewachsen, hier lebt sie mit Familie. Es ist Markt in der Hochwaldgemeinde aber heute drängen sich kaum Menschen an den Ständen. Der Gewürzhändler deutet in Richtung des Wahlkampfstandes der SPD auf dem Marktplatz.
"Es ist der Teufel los da vorne, nee, die SPD ist da, da wo mir sin, ist viel los."
Unter dem Zeltdach suchen viele Passanten Schutz vorm Regen.
"So viele Leute waren selten hier am Stand."
Berthold Brust ist über 80 und zählt zum sozialdemokratischen Urgestein. Vergnügt schaut er auf die Wahlhelfer der CDU, die ihren Wahlkampfstand direkt neben den Genossen aufgebaut haben. Selbst der Blechkuchen kommt aus der gleichen Bäckerei. Nur der Zuspruch dort hält sich in Grenzen. Aber die hätten halt eben auch keinen Martin Schulz.
"Als bekannt geworden ist, dass der Schulz Kanzlerkandidat geworden ist, da haben mich meine Kinder angerufen und gesagt, so Papa, jetzt können wir wieder SPD wählen."

Saar-SPD im Aufwind dank Bundestrend

Davon könne die SPD auch bei der Landtagswahl profitieren, glaubt Siegfried Gruber, der für die SPD im Kreistag sitzt.
"Ja, ich bin da guter Dinge. Durch Martin Schulz ist eine gewisse Aufbruchsstimmung schon da, auch im Saarland und ich denke mir, das wird sich auch in den Zahlen niederschlagen am 26. März."
Es wäre nicht die erste Wahl, die im Saarland durch den Bundestrend entschieden wird. Die Saar-SPD hat das 1999 schmerzlich erfahren müssen. Im Bund regiert rot-grün unter Kanzler Gerhard Schröder und der wichtigste Mann im Kabinett, der Saarländer Oskar Lafontaine schmeißt Knall auf Fall die Brocken hin, ohne Angabe von Gründen. Auch den SPD-Vorsitz hängt er an den Nagel. Die Genossen an der Saar sind geschockt. Über die zu diesem Zeitpunkt ansehnliche Bilanz einer SPD-geführten saarländischen Landesregierung redet kein Mensch mehr. Die Landtagswahl geht knapp verloren, die CDU macht das Rennen. Ob sich Geschichte wiederholt? Ob sich das Blatt trotz hoher Sympathiewerte für CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer zu ihren Ungunsten wenden könnte? Kanzleramtsminister Peter Altmaier, der Saarländer in Berlin, versucht die Basis zu beruhigen.
"Deshalb werden wir nicht zulassen, dass andere diese Landtagswahl kidnappen für ihre eigenen politischen Ziele und Zwecke. Es wird über Landespolitik entschieden und über sonst gar nichts in dieser Landtagswahl."

CDU unter Druck

Durchhalteparolen, denn es ist nicht von der Hand zu weisen, der Schulz-Effekt hat die Christdemokraten an der Saar kalt erwischt. Manche sind nervös, andere üben sich in Zuversicht.
"Ich hab‘ das Problem, dass diese Schulz-Euphorie für unsere Landtagswahl vielleicht noch zu stark ist. Wir wollen unsere Annegret behalten. Das ängstigt mich vielleicht für die Bundestagwahl, aber ich glaube nicht, dass das im Saarland Auswirkungen hat. Er ist im Moment ein großer Macher und zieht auch viele Leute an, aber unsere Annegret hat hier eine Position, die ist unantastbar, würde ich glatt sagen, unantastbar fürs Saarland: Annegret Kramp-Karrenbauer. Der Stimmungswandel insbesondere durch die Ausländerproblematik, und die Politik der Bundeskanzlerin wird insgesamt zum Nachdenken der Leute führen. In der Landespolitik ist soweit alles o.k., aber wenn ein Restzweifel bleibt, dann spielen bundpolitische Ereignisse und Meinungsbilder auch in eine landespolitische Entscheidungsfindung mit hinein. Es wird sehr schwierig werden, weil auch für die Bevölkerung ist die SPD nun wieder wählbarer als zu den Zeiten vor Schulz, obwohl sich nichts verändert hat. Es kann eng werden, aber ich hoffe ja, dass die Saarländerinnen und Saarländer über die Ratio gehen und nicht über die Emotio."
Emotionen flammen beim politischen Aschermittwoch der Saar-CDU keine auf. Allenfalls die Blaskapelle, die in Schwalbach zum Einmarsch der Ministerpräsidentin und CDU-Landesvorsitzenden aufspielt, bringt Schwung in den Saal.

Verstand statt Emotionen

Die Ratio regiert. Annegret Kramp Karrenbauer teilt nicht aus, sie sucht keine Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner, sie hält eine Grundsatzrede. In langen, anderthalb Stunden, lässt sie nichts aus. Von der Bildung über den Breitbandausbau bis hin zu Landwirtschaft und Windenergie. Schließlich findet sie auch noch lobende Worte für Martin Schulz, den Kanzlerkandidaten der SPD.
"Jemand, der wie Martin Schulz eine solche Biographie hat und wirklich seine zweite Chance genutzt hat, der hat auch meine Hochachtung und hat auch unsere Hochachtung verdient."
Der Heilsbringer der Genossen, der soziale Gerechtigkeit auf seine Fahnen schreibt, bestimmt die politische Debatte auch ohne dass er im Saarland zur Wahl steht. Hier tritt Anke Rehlinger an. Sie weiß, dass ihr nichts Besseres hätte passieren können als Schulz. An seiner Seite fällt es leicht zu lächeln.
"Er ist ein halber Saarländer, er ist ein Europäer. Wir sind das europäischste aller Bundesländer. Und er setzt auf das zentrale Thema soziale Gerechtigkeit, und das passt zu unserem Wahlkampf, das passt zu unserem Land."
Anke Rehlinger, SPD Spitzenkandidatin für die Landtagswahl, und SPD Kanzlerkandidat Martin Schulz geben sich am 08.03.2017 in der Glückauf Halle in Spiesen-Elversberg (Saarland) die Hand. 
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz besucht das Saarland.© dpa/ picture alliance/ Oliver Dietze

Schulz mobilisiert Genossen

Überdies mangelt es der Rechtsanwältin und ehemaligen Leistungssportlerin nicht an Selbstvertrauen.
"Rehlinger und Schulz, wir wirken zusammen und zwar in einem sehr positiven Sinne und ich bin natürlich froh, weil das was wir ohnehin als Kurs schon angelegt hatten in unserer Politik aber auch in unserem Wahlkampf, das wird durch das, was Martin Schulz in diesen Tagen macht und sagt verstärkt. Er wirkt also als Beschleuniger aber ohne dass es die Substanz von uns gegeben hätte, könnte auch nichts beschleunigt werden."
Schulz mobilisiert die Genossen, die Mitgliederzahlen steigen, im Saarland hat die SPD in den letzten 6 Wochen 220 neue Parteibücher ausgegeben. Ein Wahlkampfauftritt in der Saarlouiser Innenstadt lockt viele Schaulustige an. Schulz posiert für Fotos.
"Endlich, endlich haben wir eins erwischt…ja, ein Selfie."
Der SPD-Kanzlerkandidat schüttelt Hände, besucht Geschäfte, isst Curry-Wurst mit Pommes.
"Ich bin eigentlich kein SPDler, er wirkt anders, irgendwie näher dran, er ist offener, er sagt auch mal Klartext, nicht wie das die Politiker gerne machen, immer drum rum und eigentlich nix sagen, das finde ich nicht schlecht. Das kommt auch bei den Wählern gut an. Der spricht einfach die Sachen aus, die vielen Leuten auf der Seele liegen. Ob man das alles halten kann, ist eine andere Sache, aber die Leute wollen mal eine Sprache verstehen. Er spricht halt die Leute besser an, weil er auf das Thema setzt, das untergegangen ist in den letzten Jahren, auf Gerechtigkeit in der Gesellschaft."

"Halber Saarländer" auf Stimmenfang

Auch sein Cousin, Klaus Rief ist nach Saarlouis gekommen. Ein bisschen Stolz sei der saarländische Zweig der Familie schon auf "den Martin". Vor allem sei Verlass auf ihn.
"Die Ahnen waren also Bergleute, ehrliche Leute, fleißige und ehrliche Leute."
Selbst die im Saarland tot geglaubte FDP profitiere von der Aufbruchstimmung bei den Genossen, ist der Bundesvorsitzende der FDP, Christian Lindner überzeugt.
"Ich glaube, dass die Stärke von Schulz zu Lasten der Grünen geht, die nicht mehr in den Landtag kommen und er zugleich, da die CDU ja keine Kontur in der Wirtschaftspolitik hat, die FDP stärkt."
Lindner, der auch Spitzenkandidat der Freien Demokraten bei der Landtagswahl im Mai in Nordrhein-Westfalen ist, absolviert Termin um Termin im Saarland, immer an seiner Seite ein überwiegend gut gelaunter saarländischer FDP-Landesvorsitzender, Oliver Luksic.
"Es kommen auch zu uns wieder Überzeugungstäter nachdem es lange sehr, sehr still war. Und was wir vor allem merken, ist, dass bei den Veranstaltungen wieder mehr Bürger sind, die sich informieren wollen, die neugierig sind, was die FDP zu bieten hat, inhaltlich, weil es schon eine Enttäuschung gibt mit der großen Koalition im Land, da schauen sich die Leute nach Alternativen um."

FDP auferstanden aus Ruinen

Wer kaum noch Mitglieder hat, der kann keine mobilisieren. Deshalb umwerben die Liberalen die Unentschlossenen mit einem niederschwelligen Angebot.
"Es kostet keinen Beitrag, es ist vertraulich, es geht nicht raus, wer da Mitglied ist."
Helmut Isringhaus ist der Initiator einer Art "Freundeskreis" der FDP.
"Es wollen ganz viele die FDP unterstützen, aber sie wollen nicht in eine Partei gehen."
Dieses Mal hat er in eine Kunstgalerie eingeladen. An den Wänden hängt Street Art, Graffiti-Kunst aus Südfrankreich und den Gastvortrag hält Wolfgang Clement. Der ehemalige Bundesminister für Wirtschat und Arbeit hat die SPD verlassen und macht sich seitdem für die FDP stark. Er füllt die Stuhlreihen, 50 -60 Leute sind gekommen.
"Ich denke schon, dass die Partei gute Unterstützung auf diese Weise bekommt durch Leute, die in der Gesellschaft einen guten Namen haben wie Wolfgang Clement und dass dadurch Interesse auf die Partei gelenkt werden kann. Ich bin Freiberufler und viele Leute - wie ich - sind ein bisschen frustriert über die Grünen, die ja theoretisch auch eine Zielgruppe für Leute wie mich sind. Und jenseits davon, bei den etablierten Parteien, da geht ja gar nix mehr, da ist ja keinerlei Unterscheidung mehr durch die große Koalition möglich, das sind ja nur noch Nuancen."

Wie die Grünen im Saarland kämpfen (müssen)

Die Saar-Grünen sind ein Sonderfall, vor allem wegen ihrer personellen Struktur. Aber auch ihre Kampagne ist ein wenig verstörend. Sie werben bei der Landtagswahl mit dem Wahrheitsbegriff. Plakate künden von der schreienden, der vergessenen, der dummen, der strahlenden, der traurigen und der schmutzigen Wahrheit. Letztere erschließt sich dem Wähler wohl am ehesten. Gemeint damit sind Probleme, die von den stillgelegten Kohlegruben ausgehen.
Wöchentlich informieren die Grünen darüber, das Trinkwasser werde verunreinigt, wenn das Wasser aus den alten Grubenbauten nicht mehr abgepumpt wird sondern bis zur Tagesoberfläche ansteigt. Relevant wird diese Problematik, wenn überhaupt, frühestens in zehn Jahren. Noch fehlt eine Genehmigung, die dem Bergbaubetreiber freie Hand lässt. Die Leute müssten jedoch bereits jetzt wach gerüttelt werden, sagt Yvonne Brück.
"Warten bis das Wasser schwarz aus dem Wasserhahn kommt und dann schreien, huch, das Wasser ist schlecht, ist vielleicht ein bisschen spät."
Sie hat ihre Pferdepension für die Informationsveranstaltung zum Grubenwasser zur Verfügung gestellt. Die Besucher - überwiegend Pferdehalter - sitzen im Halbrund in der mit Kerzen und Fähnchen geschmückten Reithalle.
"Es beunruhigt mich sehr, ich sehe da keinen Sinn drin in der Grubenflutung. Weil ich Mitte, Ende 30 bin, bin ich schon sehr interessiert daran, weil ich noch ein paar Jahre auf dem Erdball leben will. Das ist etwas, was nicht reparabel ist, wenn das Grubenwasser einmal gestiegen ist und das Grundwasser verseucht ist, kriegen sie das nie wieder weg."
Es ist zweifelsohne das Verdienst der Grünen, dass das Thema Grubenwasser auf breiter Front im Land diskutiert wird. Aber sie schüren damit bei vielen Menschen auch Angst. Barbara Meyer-Gluche, Teil der grünen Doppelspitze, sieht das anders.
"Nein, nein, wir machen keine Angst, Grubenwasser kann ein Problem werden deshalb ist es wichtig, die Leute darüber aufzuklären."

Grüne Zitterpartie

Jüngsten Umfragen zufolge müssen die Grünen um den Einzug in den Landtag bangen. Nach Überzeugung vieler Mitglieder liegt das jedoch nicht in erster Linie an der Kampagne sondern am langjährigen Landesvorsitzenden Hubert Ulrich.
"Viele Menschen, mit denen ich rede, die sagen, naja, man kann die Grünen hier im Land nicht wirklich wählen, das ist sicher ein Problem des Parteivorsitzenden hier. Das ist natürlich die bekannte Frage, ob der Hubert Ulrich nicht besser mal zurückgetreten wäre und hätte einer zweiten Frau, den Spitzenplatz überlassen."
Der machtversessene Dauervorsitzende Ulrich kandidiert auf Platz 1 der Landesliste. Barbara Meyer-Gluche, die Frau, die dort nach Satzung hingehört, hat er auf Rang zwei verwiesen. Ein fragwürdiger Schachzug, da helfen auch keine demütigen Gesten.
"Ja, liebe Freundinnen und Freunde, hier steht der Mann an Barbaras Seite."
Auch die Bundesvorsitzende der Grünen, Simone Peter, bekommt im eigenen saarländischen Landesverband keinen Fuß auf den Boden. Sie hat es nicht geschafft, an Hubert Ulrich vorbei zu kommen. Die Mobilisierung der eigenen Mitglieder fällt den Saar-Grünen schwer.
"Ich werde keinen sehr engagierten Wahlkampf in der Landespolitik machen, bestimmt nicht, da halte ich mich zurück."
Auf kommunaler Ebene und auf Bundesebene, da sei da was anders, ergänzt Roselie Stief, seit langen Jahren Partei-Mitglied. Helfen könnte den Grünen unter Umständen, dass sich SPD und CDU nicht wie 2012 bereits vor der Wahl darauf verständigt haben, eine große Koalition zu bilden. Die SPD will sich nicht binden trotz intensiven Werbens der CDU. Anke Rehlinger:
"Weil wir uns nun einmal vorgenommen haben, nicht auf Platz zu spielen, sondern wir spielen hier auf Sieg. Unser Ziel ist nicht irgendeine Koalitionsoption zu erhalten, sondern unser Ziel ist es, in diesem Land stärkste Kraft zu werden, das wollen wir erreichen, das ist unser Ziel."
Überdies ging die Koalitionsaussage 2012 klar zu Lasten der Wahlbeteiligung, sie lag bei nur knapp 62 Prozent. Begründet wurde die Zusammenarbeit der beiden großen Parteien seinerzeit mit den Herausforderungen vor denen das Land stehe, in erster Linie die prekäre finanzielle Situation. Das Saarland schiebt 14 Milliarden Euro Schulden vor sich her, pro Jahr muss es dafür 500 Millionen Euro Zinsen aufbringen. Das heißt, um zu gestalten, bleibt kaum Geld im Haushalt übrig. Aber seit den erfolgreichen Verhandlungen über einen neuen Bund-Länder-Finanzausgleich hat sich die Stimmung aufgehellt.
Saarländische Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur
© dpa / picture alliance / Oliver Dietze

Kramp-Karrenbauer zieht positive Bilanz

"Wir haben Zukunft in dieses Land geholt. Wir haben dafür gesorgt, dass ab dem Jahr 2020 Jahr für Jahr 500 Millionen Euro in dieses Land kommen, um Zukunft zu gestalten, darauf können wir stolz sein."
Die Sanierungshilfen gezahlt vom Bund und den übrigen Bundesländern sind zweifelsohne ein Verhandlungserfolg für Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Frage ist nur, was sind sie Wert? Wenn die Zinsen wieder steigen, dann schmilzt das Geld dahin, warnen die Industrie- und Handelskammer und auch die Opposition. Finanzminister Stefan Toscani hält dagegen.
"Es gibt sicherlich ein Zinsrisiko. Aber wir können mit Fug und Recht sagen, wir haben diese Risiken auf dem Schirm und wappnen uns dagegen."
Das historisch niedrige Zinsniveau erlaube es dem Land in den kommenden Monaten umzuschulden. Kredite könnten auf lange Sicht zu günstigeren Kondition abgeschlossen werden, damit sinke die Zinslast. 100 Millionen Euro könnten dadurch jährlich für zusätzliche Investitionen in Schulen, Kindergärten und notwendige Infrastrukturmaßnahmen ausgegeben werden. Damit werde endlich auch der negative Kreislauf durchbrochen, dass die Wirtschaftsleistung des Landes permanent von der erdrückenden Schuldenlast überlagert werde.
"Wir sind nicht das Armenhaus der Republik, die rote Laterne Deutschlands. Wirtschaftlich betrachtet, von unserer Wirtschaftskraft pro Einwohner, sind wir ein Land, das in der Bundesliga absolut im Mittelfeld spielt. Unsere Wirtschaftskraft ist höher als die aller ostdeutschen Bundesländer - gut, die haben einen langen Nachholprozess - die ist auch besser als die von Schleswig-Holstein, als von Niedersachsen. Unsere Wirtschaftskraft ist auch höher als die von Rheinland-Pfalz, d.h. was die wirtschaftliche Entwicklung anlangt, haben wir überhaupt kein Problem."

Hohe Schulden trotz guter Wirtschaftsleistung

Sechs Jahrzehnte nachdem das Saarland 1957 in die Bundesrepublik Deutschland eingegliedert wurde, sind Rufe verstummt, das kleine Land aufzulösen. Als eine der letzten Amtshandlungen vor der Wahl führte der Landtag aus Anlass von 60 Jahren Zugehörigkeit zu Deutschland und 60 Jahren römische Verträge eine Debatte über Europa. Man war sich einig, dass es den Saarländerinnen und Saarländern ohne Europa sehr viel schlechter ginge, dass der europäische Lebensstil, der die Grenzregion in besonderer Weise prägt, verteidigt werden muss.
"Vieles ist hier möglich, wir können hier zusammen leben, zusammen arbeiten und zusammen wachsen, das verdanken wir der europäischen Integration. Für uns gibt es keinen Schritt zurück, denn jeder Schritt zurück ist ein unglaublicher Verlust für dieses Saarland."
Michael Hilberer wird sich im Landtag nicht mehr für eine Vertiefung der europäischen Union einsetzen können, denn er scheidet aus und mit ihm die Piraten.

Die Gegner Europas im Land der überzeugten Europäer

Die Gegner Europas, die Populisten von rechts, haben hingegen die Chance in den neuen Landtag einzuziehen. Sie möchten Mauern in den Köpfen und ganz real Zäune entlang der Grenzen wieder hoch ziehen. Für viele heimatverbundene Saarländerinnen und Saarländer und ihre oft grenzüberschreitenden Lebensentwürfe eine seltsame Vorstellung.
"Ich wohne in Merzig, das ist an der Grenze zu Schengen, da bin ich immer hautnah daran erinnert wie schön diese europäische Idee ist, wie wunderbar man über die Grenzen fahren kann und wie schlimm das ist, wenn das alle wieder zurück gedreht werden sollte. Das wäre das Schlechteste was man machen könnte. Für mich ist das nicht nachvollziehbar, dass man die Grenze wieder zumacht, gerade in Mitteleuropa, und wir sind ja mitten drin und da ist es so wichtig, dass die Grenze offen sind, gerade diese Reisefreiheit ist doch unbeschreiblich gut."
Gerhard Vetter und Erwin Rose haben eine Reise nach Paris gewonnen. Die Landesregierung hat sie aus Anlass der Jahrestage ausgelobt. Sie werden am Bahnhof von der Ministerpräsidentin verabschiedet.
"Für uns ist wichtig, dass das Bekenntnis zu Deutschland, aber auch das Bekenntnis zur deutsch-französischen Freundschaft und zu Europa für uns untrennbar verbunden sind. Und deswegen gehört es sich, an seinem Geburtstag sowohl nach Paris als auch in die ehemalige Bundeshauptstadt Bonn zu fahren."
Der TGV braucht von Saarbrücken nicht einmal 2 Stunden bis Paris. Reisende sind schneller dort als in Frankfurt. 18.000 französische Grenzgänger arbeiten im Saarland, fast 8.500 Saarländer in Luxemburg. Darüber hinaus strömen täglich tausende Franzosen zum Einkaufen ins Saarland. Ein Drittel ihrer Umsätze machen der Handel und die Gastronomie in der Landeshauptstadt Saarbrücken mit ausländischen Kunden. Das erklärt auch, warum das Saarland sich vehement gegen die Mautpläne von Bundesverkehrsminister Dobrindt stellt und sich für Ausnahmen an den Grenzen einsetzt.
Bitte keine Eintrittskarten für das Land, lautet die Devise. Ganz anders die Alternative für Deutschland. Sie möchte lückenlose Grenzkontrollen und sollte das der Wirtschaft schaden, na, dann sei das eben so, argumentiert AfD-Spitzenkandidat Rolf Müller.
"Das ist eine Sache, die in diesem Fall zweitrangig ist."
Das Saarland ist ein Industrieland. Es lebt von der Automobilindustrie, dem Maschinenbau der Stahlindustrie und der Versicherungswirtschaft. Und es ist ein großer Warenumschlagsplatz. Sieht man von Hamburg und Bremen einmal ab, die wegen ihrer Seehäfen eine Sonderrolle einnehmen, dann importiert das Land pro Kopf der Bevölkerung mehr Waren als alle anderen Bundesländer und beim Export belegt es hinter Baden-Württemberg Platz 2. Das verpflichtet jede Landesregierung zur größtmöglichen Offenheit.
Die AfD hat nicht viel übrig für Europa und seine Errungenschaften, die für das Saarland so wichtig sind. Der freie Warenverkehr, die uneingeschränkte Reisefreiheit der EU-Bürger oder den Euro, alles verzichtbar findet der AfD-Landesvorsitzende Josef Dörr.
"Dieses Europa, was die Herrschaften mit dem neuen Heilsbringer der SPD fabriziert haben und dem Jean-Claude Juncker, das ist nicht das Europa, das wir wollen."

AfD-Wahlprogramm ohne Konzepte

Auch zur Sicherung der industriellen Basis und der Arbeitsplätze im Land bietet das AfD-Wahlprogramm keine Rezepte. Aber darum geht es der Partei auch nicht. Hauptsache drin im Landtag, das sei das Ziel, verkündet der 79jährige im Wahlkampf. Und "drin" bedeute, mit satten Ergebnissen.
"Ich habe mal geschätzt 20 Prozent. Die Meinungsumfragen machen ja auch Politik so ein bisschen dämpfend, aber ich glaube da immer noch dran."
Dörrs Blütenträume werden wohl nicht reifen. Umfragen sagen der AfD an der Saar sechs bis sieben Prozent voraus. Das hängt neben dem allgemeinen Umfragetief der Partei sicherlich mit einer starken Linken an der Saar und ihrer Galionsfigur Oskar Lafontaine zusammen. Die Linke hat den Platz als Sachwalter der Interessen des "kleinen Mannes" bereits besetzt. Lafontaines Mantra kann inzwischen jeder herunterbeten: Die Reichen mit einer Vermögenssteuer belasten und die ärmeren Bevölkerungsschichten entlasten.
Umverteilung lehnt die AfD hingegen ab, sie will stattdessen Steuersenkungen für die Reichen und die Mittelschicht. Den sozial Benachteiligten hilft das wenig. Sie dürften sich überwiegend bei Oskar Lafontaines Linker besser aufgehoben fühlen. Man unterscheide sich grundsätzlich, so Lafontaine im saarländischen Rundfunk.
"Die AfD ist eine neoliberale Partei, ich übersetzte das, sie ist für Lohndrückerei, sie ist gegen jede Reichensteuer, sie ist für Aufrüstung, für Interventionskriege, das ist die ganze politische Palette insofern war die ganze Kampagne, es gäbe eine Nähe zwischen der AfD und der Linken, immer eine Lügenkampagne."

Lafontaine führt Saarland-Linke im Wahlkampf

Das nasskalte Wetter der vergangen Wochen ist nicht nach dem Geschmack von Wahlkämpfer Lafontaine, der sich gerne auf den Straßen tummelt und den Kontakt zu den Menschen sucht. Die wenigen sonnigen Tage nutzt er. In der Saarbrücker Innenstadt stellt er sich den Selfie-Jägern und lässt mit einer Polaroid-Kamera Erinnerungsfotos schießen.
"Wahrscheinlich so 70 bis 80, ich weiß es nicht genau."
Lafontaine ist bereit für ein rot-rotes Experiment an der Saar, das nach jüngsten Umfragen möglich erscheint.
"Es sieht so aus, als ob das möglich wäre, also wollen wir sehen, dass die SPD mit uns nach der Landtagswahl eine andere Politik macht."

Kein Amt für den Ex-Genossen

Er selbst strebt keine Ämter an, das hat er klargestellt. An seiner Person, die bei vielen SPD-Anhängern nach wie vor umstritten ist, soll eine rot-rote Alternative zur Großen Koalition im Saarland nicht scheitern.
Landespoltische Themen spielen in diesem Landtagswahlkampf kaum eine Rolle. Die CDU ist davon ausgegangen, dass die Landtagwahl eine klare Angelegenheit für sie werden wird. Sie hatte nicht einmal ein Programm. Erst als sie gewahr wird, dass der Schulz-Effekt doch kein Strohfeuer ist, hat sie im kleinen Kreis ein paar programmatische Leitlinien verabschiedet: Mehr Geld für Familien und Kinder, mehr Geld für die Hochschulen. Bundesprominenz verirrt sich kaum ins Land. CDU Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer ist sich sicher, dass sie keine Unterstützung nötig hat. Sie stemmt sich gegen die bundespolitische Sogwirkung dieser Wahl.
"Die Bundestagswahl wird im September entschieden, jetzt im März geht es um unsere Zukunft, um die Zukunft unserer Kinder und die lassen wir uns von niemanden fremdbestimmen, egal wie sie auch heißen mögen."
Martin Schulz heißt derjenige, der an der Saar hineinfunkt ins politische Geschehen, denn auch für den SPD-Kandidaten geht es um einen ersten Test.
"Ich habe den Anspruch, der nächste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu sein."
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