Wahlen

"Europa leben!"

Ein Mann steckt eine Europafahne in den Schlitz einer Wahlurne in Frankfurt (Oder).
64,4 Millionen Europäer sind wahlberechtigt. © dpa / picture alliance / Patrick Pleul
03.05.2014
"Stell' dir vor, es ist Europawahl …" - im Zeitraum vom 22. bis 25. Mai ist es wieder soweit, dann wählen die EU-Bürger zum achten Mal ihr Parlament. 64,4 Millionen Europäer können ihre Stimme abgeben - aber wen interessiert das?
Der Wahlkampf dümpelt vor sich hin, Skeptiker befürchten eine noch niedrigere Wahlbeteiligung als 2009, damals lag sie gerade einmal bei 43,3 Prozent. In dem aktuellen "Deutschlandtrend" von Infratest Dimap gibt mehr als die Hälfte der Befragten an, sich "wenig" bis "gar nicht" für die kommende Europawahl zu interessieren.
Warum lässt uns Europa so kalt?
Was bedeutet Europa für uns?
Was für ein Europa wollen wir?
"Im Gespräch" bieten wir auch an diesem Wochenende wieder zum Nachhören an:

Klicken Sie einfach auf den folgenden Link für die erste Stunde zwischen 9.05 und 10.00 Uhr und hier für den zweiten Teil der Sendung zwischen 10.05 und 11.00 Uhr.
"Offen über Ängste diskutieren"
"Europa ist für mich ein Zuhause der Vielfalt", sagt der Journalist und Schriftsteller Nicol Ljubić. Der in Zagreb geborene Deutsche ist in Schweden, Griechenland und Russland aufgewachsen, heute lebt er in Berlin. Nicht nur aufgrund seiner eigenen Geschichte beschäftigt ihn Europa immer wieder: "Europa ist die Region der Welt, in der ich mich zu Hause fühle, so viele Länder mit einer solchen Historie!"
"Dass es zwischen ehemaligen Erzfeinden wie Deutschland und Frankreich oder Deutschland und Polen heute undenkbar ist, Krieg gegeneinander zu führen - da ist mir die Bürokratie egal. Und was mir noch viel wichtiger ist: Diese Freizügigkeit: dass ich morgen überlegen kann, ob ich in Spanien arbeiten will. Diese Reisefreiheit: ich kann von Berlin nach Split fahren, und keiner fragt mich nach meinen Papieren! Das ist es, was für mich Europa ausmacht."
Seine Beobachtung: "Irgendwie hat es Europa nie geschafft, diesen ideellen Reichtum zu promoten. Europa verbindet man mit Bürokratie und Normen für Äpfel und Birnen ..."
Ihn beschäftigt aber auch der wachsende Nationalismus in den Mitgliedsländern:
"Ich war erschrocken, wie schnell Vorurteile kommen: Die Griechen sind faul und liegen am Strand herum, die Kroaten genauso ... Und die Kroaten haben ein ähnliches Bild von den Deutschen. Mich erschreckt, dass wir vor der Wahl wieder Angst haben, dass die Nationalisten erstarken. Man muss auch diese Ängste offen diskutieren."
"Einfluss der Einzelstaaten ist zu groß"
"Was mich im Moment extrem nervt, ist die mangelnde Selbstkritik von Seiten der EU", sagt Schauspielerin, Theaterautorin- und Regisseurin Katja Hensel. "In dem Moment, in dem man die EU kritisiert, ist man gleich ein EU-Kritiker- oder Skeptiker."
Die Künstlerin hat sich in mehreren Bühnenstücken mit Europa auseinandergesetzt - analytisch, humorvoll und provokant: In "Wie Europa gelingt. Eine EU-Familienaufstellung" begibt sich die von Krisen, Identitätsproblemen und Ressentiments geplagte EU in eine intensive Psychotherapie. In "EU only live twice" engagiert eine überforderte EU-Politikerin eine Doppelgängerin, um den zerreibenden Spagat zwischen Privatleben und Politik zu meistern. In "Voll auf Kippe" verlegt die Autorin die Bühne in die Schule: Die Schüler spielen die 28 Mitgliedsstaaten und sollen sich zusammenraufen.
Für ihre Stücke recherchierte Katja Hensel in den Mitgliedsstaaten und begleitete EU-Abgeordneten. Auch sie schätzt die Vorteile Europas, die Reise- und Arbeitsfreiheit, den Frieden; sie hat in den Publikumsgesprächen aber auch die Kritik der Bürger an der EU erfahren: "Zum einen braucht das EU-Parlament mehr Macht, dass den Leuten klar wird, dass es wichtig ist, und dass sie dort nicht nur über Kleinkram debattieren. Dann ist meiner Meinung nach der Einfluss der Nationalstaaten zu stark, überall versuchen die Staaten ihre Einzelinteressen durchzusetzen. Das andere ist der Lobbyismus, der ist derart stark - wenn man in den Ausschüssen sitzt, dann sitzen sie überall und machen Lobbyarbeit. Das muss sich ändern, damit die Bürger das Gefühl haben, es hat einen Grund, weshalb ich das Parlament wählen soll."