Wagners "Ring" in Abu Dhabi

Der Walkürenritt in der Wüste

Ansicht einer Büste von Richard Wagner
Eine Büste von Richard Wagner © dpa / Arno Burgi
Elke Kaschl-Mohni im Gespräch mit Dieter Kassel · 30.01.2019
Der "Ring des Nibelungen" ist in Abu Dhabi in einer vereinfachten Inszenierung der Bayreuther Festspiele zu erleben. Wagner sei nur ein Aspekt, um mit großen Namen für den Standort zu werben, erklärt Elke Kaschl-Mohni vom Goethe-Institut.
Dieter Kassel: Vor gut einem Jahr wurde in Abu Dhabi eine Filiale des Pariser Louvre eröffnet. Das war damals ein riesiges Ereignis, wurde weltweit beachtet, aber es ist nicht die einzige Unternehmung dieser Art an diesem Ort. Ab heute kann man am Golf die Bayreuther Festspiele erleben oder zumindest einen kleinen Ausschnitt davon. Wagners "Ring des Nibelungen" wird in einer vereinfachten Version aufgeführt, nur mit Sängern und Orchester, ohne Bühnenbild und Kostüme, und was hinter diesem großen Interesse an europäischer Hochkultur steckt, das wollen wir jetzt von Elke Kaschl-Mohni wissen. Sie war von 2005 bis 2009 Gründungsleiterin des Goethe-Instituts für die Golfregion in Abu Dhabi und ist jetzt Regionalleiterin für Nordafrika und Nahost beim Goethe-Institut in Kairo. Dorthin einen schönen guten Morgen, Frau Kaschl-Mohni!
Elke Kaschl-Mohni: Guten Morgen!
Kassel: Der Walkürenritt in der Wüste, kommt Ihnen das eigentlich überhaupt noch merkwürdig vor – manchen hier in Europa ja schon –, oder finden Sie das inzwischen völlig normal?
Kaschl-Mohni: Das ist ja jetzt nicht das erste dieser großen Ereignisse. Sie hatten es gerade erwähnt, der Louvre wurde vor einem Jahr eröffnet. Und es gibt eigentlich, sagen wir, seit 2006 sehr viele von diesen großen auch Prestigeprojekten, die sozusagen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) oder Abu Dhabi auch ganz speziell auf die Landkarte setzen.

"Kultur auf die Landkarte setzen"

Kassel: Aber was steckt denn hinter diesem Interesse an europäischer Hochkultur in gerade auch den Vereinigten Arabischen Emiraten?
Kaschl-Mohni: Zum einen hat es natürlich diesen Aspekt, dass es schon auch Werbung ist. Abu Dhabi oder die VAE wollen auf die Landkarte der Welt gesetzt werden durch Kultur. Es gibt auch eine ganz starke deutliche Verknüpfung mit ökonomischen Interessen. Dahinter steht einmal die Überlegung, was passiert, wenn das Öl weg ist, also eine gewisse Diversifizierungsstrategie, dass man den Tourismus belebt. Die VAE sind als Hub etabliert. Internationale Verkehrswege kreuzen sich dort, Warenumschlagplatz, Dienstleistungen. Dazu gehört auch die VAE oder Abu Dhabi speziell als Tourismusdestination, gerade durch Kultur eben auf die Landkarte zu setzen. Es steckt ja auch dahinter mit viel Geld, mit großem Namen für Abu Dhabi zu werben.
Kassel: Aber genau das, was Sie gerade gesagt haben, ist ja auch die Krux. Im Moment kostet das ja alles sehr viel Geld. Also den Louvre dahin zu holen war nicht billig, die Bayreuther Festspiele für diese Aufführung zu bekommen sicherlich auch nicht. Halten Sie es denn für realistisch, dass man mit solchen Projekten langfristig gesehen tatsächlich Geld verdienen kann?
Kaschl-Mohni: Also ich denke, die Hoffnung steckt schon dahinter. Ich glaube aber gleichzeitig, wenn man nur diesen Aspekt in den Blick nimmt, wäre es auch zu kurz gegriffen. Ich glaube, diese große Energie, also diese großen Kulturprojekte zu machen, da steckt auch wirklich ein ernsthaftes Ringen und Bemühen dahinter, in den VAE sozusagen darüber nachzudenken, wer sind wir eigentlich, über Kultur eine Auseinandersetzung zu haben vor dem Hintergrund – und das muss man sehen – dieser rasanten Veränderung, die dieses Land seit den 50ern, 60ern, eben seitdem Öl gefunden wurde und in großem Maße die Wirtschaft bestimmt, diese rasanten Änderungen, damit umzugehen.
Dafür ist Kultur, sind die Kulturprojekte wichtig. Wie gesagt, eine Auseinandersetzung über wer sind wir, wo kommen wir her, wo gehen wir hin, was ist eigentlich unsere Stellung in der Welt, dieses Gefühl auch von Identitätsverlust, was da ist ganz stark bei der jungen Bevölkerung, für welche Werte stehen wir, wo eine enorme Reibung und gesellschaftliche Sprengkraft auch drinsteckt und auch eine Sinnsuche. Auch dafür sollen diese Projekte dienen, um zu schauen, wie gesagt, wer sind wir, wo steht die Welt, wo docken wir da an.

Wagner ist nur ein "Teil vom Ganzen"

Kassel: Aber wenn es, wie Sie gerade gesagt haben, um die Frage geht, wer sind wir, wo kommen wir her, ich meine, Antworten darauf liegen ja möglicherweise nicht unbedingt in den Wagner-Opern. Wäre es dann nicht sinnvoller, große Museen, Konzertsäle und Ähnliches für arabische Kultur zu schaffen?
Kaschl-Mohni: Das ist ja Teil von dem Ganzen. Es geht hier nicht nur um Wagner. Wie gesagt, Wagner – das freut mich natürlich auch als Leiterin vom Goethe-Institut –, Wagner ist ein Aspekt. Seit 2006 wurde dieses große Projekt der Museuminsel lanciert, wo es fünf Museen gab, von denen jetzt eins – das Louvre - tatsächlich eröffnet ist. Es geht auch ums Guggenheim. Es ging damals auch um einen Bau von Zaha Hadid, von Tadao Ando. Das sind Projekte, die sind jetzt mehr oder weniger im Prozess oder auch zurückgestellt. Es ging auch ganz bewusst um ein Museum, was das Nationalmuseum werden sollte unter dem Titel Sheikh-Zayed-Museum.
Also verknüpft mit diesem ganzen Prestige und PR und Werbung und Tourismus, verknüpft damit geht einher diese Auseinandersetzung über wer sind wir. Es gibt auch ein starkes Bemühen, diese ganzen Projekte durch Rahmenprogramme zu flankieren. Also das heißt, um diese Prestigeprojekte herum, seien es Symposien, seien es Filmvorführungen zu organisieren, die speziell auch die Bevölkerung, die emiratische Bevölkerung, die jungen Emiratis ansprechen, um diese Auseinandersetzung führen zu können. Da sehe ich auch die wichtige Rolle vom Goethe-Institut in Abu Dhabi, genau an dieser Stelle anzusetzen und Dialogräume zu schaffen, die zwischen diesen Großprojekten auch, die auch teilweise hereingeschneit kommen, eine Verbindung zu schaffen, um Auseinandersetzungen, Nachdenken, Reflexion, Dialog eben genau mit der lokalen Bevölkerung auch zu ermöglichen.

"Im Prinzip nur das Beste"

Kassel: Aber man hat ja einen Eindruck schon, wenn Kultur, egal ob europäische, amerikanische oder sonstige, dann muss das gleich ganz groß sein. Also man kann nicht ein Museum eröffnen, in dem man ein paar europäische Kunstwerke zeigt, es muss eine Louvre-Filiale sein. Man kann nicht ein bisschen Kammermusik machen, es muss eine echte Wagner-Oper sein, und dann muss die Inszenierung auch aus Bayreuth kommen. Das heißt, man hat doch da schon eine ganz schöne Neigung zu Eventkultur.
Kaschl-Mohni: Das ist richtig. Das hatte ich auch eingangs gesagt, das ist ein Teil davon. Es geht schon um die großen Namen, im Prinzip nur das Beste, auch das Bekannte einzukaufen. Es ist schon auch eine Art von Kultur, die teilweise gefällig ist, klassisch, eine Kultur, die nicht per se jetzt sehr viel gesellschaftliche Sprengkraft mitbringt. Das ist ein Aspekt, und gleichzeitig, wie gesagt, wäre es zu kurz gegriffen, nur diesen Aspekt zu sehen, der ja auch, wenn wir von außen draufschauen, zu sehr dann im Fokus steht.
Es ist eine sehr differenzierte Diskussion, die teilweise auch hinter den Kulissen stattfindet, wo sich dann auf der emiratischen Seite auch konservative Kräfte gegen progressivere in einer ständigen Aushandlung damit beschäftigen, was darf überhaupt gezeigt werden, wie viel Nacktheit sozusagen darf im Louvre präsentiert werden. All diese Diskussionen, die wir eben teilweise gar nicht mitbekommen, aber die ich für das Land an sich dann auch wieder sehr wichtig finde und wo die Hoffnung auch drin ist, dass sich da auch Dinge bewegen, dass sich da vielleicht auch in langsamen Schritten eine gewisse Auseinandersetzung stattfindet, dass sich Dinge bewegen.
Natürlich kann das auch nie linear sein. Wie gesagt, da sind immer die verschiedenen Kräfte, die da miteinander auch ringen. Teilweise passieren Dinge, dann teilweise auch wieder nicht. An und für sich habe ich die Hoffnung, dass sich eben durch diesen Raum, in dem Kultur gegeben wird, auch diese Art der Auseinandersetzungen und Reflexion möglich wird.
Kassel: Elke Kaschl-Mohni, Regionalleiterin am Goethe-Institut für Nordafrika und Nahost mit Hauptsitz in Kairo über europäische Hochkultur am Golf, zum Beispiel in Abu Dhabi, wo ab heute Wagners "Ring des Nibelungen" in einer vereinfachten Inszenierung der Bayreuther Festspiele zu erleben ist. Frau Kaschl-Mohni, herzlichen Dank für das Gespräch!
Kaschl-Mohni: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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