Wagner-Jubiläum auf der Baustelle

Von Susanne Lettenbauer · 04.01.2013
Im Mai vor 200 Jahren wurde Richard Wagner geboren und während in Leipzig, Dresden und Eisenach mit Aufführungen und Festtagen dem Komponisten gedacht wird, dröhnen am Grünen Hügel in Bayreuth die Presslufthammer. Die Verantwortlichen vor Ort geben sich dafür gegenseitig die Schuld.
So klingt Bayreuth kurz vor dem großen Wagner-Jahr. Gewaltige Presslufthammer reißen eine Zwischenwand ein. Aus einem großen Loch in der Villa Wahnfried kippen Arbeiter Bauschutt. Das berühmte originale Eingangsportal, das Richard Wagner vor knapp 140 Jahren zum ersten Mal betrat, wurde abgerissen. Anstelle ausladender Rhododendronbüsche eine riesige Baugrube. Rund um die wohl wichtigste Pilgerstätte für Wagnerianer, das Grab unter den alten Buchen, stehen Metallgitter. Die Gruft werde zu den Festspielen zugänglich sein, beteuert Sven Friedrich, seit 20 Jahren Leiter des Wagner-Museums. 2001 legte er die ersten Umbaupläne vor:

"Ja, damit geht es mir gemischt, einerseits ist es natürlich unerfreulich, dass wir 2013 nicht fertig sind, das ist in Teilen auch nicht nachvollziehbar. Das ist ärgerlich, das ist peinlich, dass wir nicht fertig werden können. Andererseits verstehe ich jetzt, was Wagner mit der Werkstatt Bayreuth gemein hat. Das kann man jetzt hautnah erleben."

"Kinder, schafft Neues", dieses Bonmot Richard Wagners wird in Bayreuth zurzeit gebetsmühlenartig bemüht. Ein Ablenkungsmanöver von der Provinzposse rund um den zweifelhaften Umgang mit den Wagnerhäusern. Im vergangenen Sommer drohte der Wagner-Clan, die Schenkung der Villa Wahnfried an die Kommune rückgängig zu machen. Streitpunkt: ein Café in Sichtweite der Gruft. Daraufhin entbrannte eine Diskussion um ein befürchtetes "Museum light". Der 200. Geburtstag von Richard Wagner werde viel zu wichtig genommen, meint Friedrich pragmatisch angesichts der entstandenen Situation:

"Wir führen das jetzt durch, das hat eine Eigendynamik und wird jetzt Schritt für Schritt abgearbeitet. Die grundsätzlichen Beschlüsse sind längst gefallen sowohl im Stadtrat als auch in den Gremien der Richard Wagner-Stiftung."

Die Tourismusmanager der Stadt Bayreuth stehen Kopf. Sie befürchten eine abschreckende Wirkung auf die dringend erwarteten Besucher aus aller Welt. 2013 hätte Bayreuth endlich die magere, knapp 45 Prozent Hotelauslastung erhöhen können. Doch die Bauverträge sind abgeschlossen. Und das Chaos kulminiert: Seit kurzem verkehrt der allseits geschätzte Museumschef und Wagnerexperte Sven Friedrich nur noch über Anwälte mit der neuen, im Mai 2012 überraschend gewählten Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe, Freie Wähler. Sie hat Friedrich mit Kündigung gedroht. Ein "Treppenwitz" für den Museumschef:

"Wir und auch ich selber sitzen seit 2001 an diesem Projekt, und das ist natürlich unser aller Wunsch hier im Haus, dieses Projekt auch zu Ende zu bringen, das wäre ja ein Treppenwitz der Weltgeschichte, wenn der Lotse just dann von Bord geht, wenn das Schiff in den Hafen einläuft."

Oben auf dem Grünen Hügel flattern die Absperrbänder vor dem eingerüsteten Festspielhaus. Seit 2010 bröckelt die Fassade. Die Oberbürgermeisterin will erst jetzt von dem ganzen Ausmaß erfahren haben, ebenso Toni Schmidt im Münchner Kunstministerium, gleichzeitig Vorsitzender des Verwaltungsrates der Festspiele GmbH ebenso wie Vorsitzender der Richard Wagner-Stiftung:

"Dass es so dramatisch werden würde, dass man gleich Sicherungsmaßnahmen treffen muss, wissen wir erst seit kurzer Zeit, dass man etwas tun muss war klar."

Das Problem: Es fehlen die Gelder von der Kommune und vom Bund. Zwei der vier, selten einmütig agierenden Gesellschafter seit dem Rücktritt des 2010 verstorbenen Festspielchefs Wolfgang Wagner. Der Freistaat warte jetzt ab:

"... 16 Millionen hat Bayern im Haushalt drin, das heißt, wir können sofort loslegen, auch die Gesellschaft der Freunde Bayreuths sind da sehr flexibel, problematisch ist es jetzt beim Bund und bei der Stadt Bayreuth, die noch nicht so weit sind."

Wenn in wenigen Tagen die Mnozil Brass Band das Jubiläumsjahr mit einer Walküren-Uraufführung eröffnet, wird endlich auch untersucht, warum die Fassade bröckelt, sagt Toni Schmid vom Kunstministerium.

"Wir haben jetzt die Fassadensanierung, da wird jetzt die Fassade untersucht, das beginnt im Januar und endet am 31. März. Dann haben wir die Befunde."

Dann jedoch beginnt Frank Castorf mit den Proben zum Jubiläums-Ring. Baugerüste im Jubiläumsjahr? Wenn es sein muss, ja, sagt Schmid. Ginge es nach Richard Wagner, stünde die "Festspielscheune", so Wagner, heute sowieso nicht mehr. Und ob Potemkinsche Dörfer in Bayreuth das Jubiläumspublikum überzeugen würden, sei fraglich:

"Während die Proben und die Festspiele laufen, möchte ich möglichst viel Planung haben, dass wir dann, wenn die Festspiele zu Ende sind, möglichst schnell anfangen können mit der Sanierung."

Festspielchefin Katharina Wagner sind derweil die Hände gebunden. Als Geschäftsführerin der Festspiele GmbH sei sie von den vier Gesellschaftern abhängig. Viel mehr Sorge bereitet ihr die schlechte Auslastung der viel beworbenen Frühwerke Wagners in der nüchternen Oberfrankenhalle. Ein weiteres Problem im Jubiläumsjahr. Die Urenkelin des Jubilars verlässt sich auf das Bauamt der Stadt. Diese hatte bereits 2010 Sicherungsarbeiten gefordert. Keine Reaktion. Nun stehen sie also, die Baugerüste, vielleicht auch zur Premiere:

"Sagen wir mal so, Sicherheit geht vor, das ist einfach klar, aber alle arbeiten an einer Lösung, dass das hoffentlich nicht der Fall ist."

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