Wagner als Kino-Traum

Von Wolf-Dieter Peter |
Wo werden unsere Träume zumindest vermeintlich wahr? Regisseur Jens-Daniel Herzog sieht das Kino als den Ort dafür. Schon zu den ersten zarten Takten des Orchestervorspiels zur Handlung von der Errettung einer Frau in Not durch den traumhaften Schwanenritter beginnt deshalb hinter der weißen Leinwand des Zwischenvorhangs ein Kinoprojektor zu flimmern.
Dann wird parallel zum Erstarken der Musik das Einheitsbühnenbild von Ausstatter Mathis Neidhardt erkennbar: ein alter Kinosaal, wo bis heute individuell wie kollektiv geträumt wird. Regisseur Herzog erzählt Wagners „Lohengrin“ dramaturgisch dann nach dem Prinzip von Woody Allens Film „Purple Rose of Cairo“: Für Elsa entsteigen die Figuren gleichsam der Leinwand in ihre Pseudo-Realität. Ihr Lohengrin ist aber kein smarter Filmstar, sondern ein erdenschwerer Anti-Held, gegen den Zweifel wuchern können.

Leider nur ist Herzog-Neidhardts Kinosaal nicht drehbar, Sänger müssen nun mal meist in Richtung Orchester, Dirigent und Publikum singen und so wirkt das „Wer kommt woher?“ nicht durchweg überzeugend. Doch dank Herzogs Personenregie gelingen Elsas und Lohengrins Begegnung, Hochzeit und der Vertrauensbruch anrührend menschlich – mit der „Gralserzählung“ als ganz intimer Abschiedserklärung auf Knien, von Angesicht zu Angesicht.

Innovativ Herzogs Idee, Elsas kleinen Bruder Gottfried zu Beginn im dunklen Kino von Platzanweiserin Ortrud entführen zu lassen. Acht kleine Gottfrieds tauchen als Elsas Alptraum im Hochzeitstrubel auf. Zum Motiv des Frageverbots steht Ortrud mit Gottfried am Arm im ersten Rang des Kinos – und am Ende dieses „Lohengrin“-Films bringt der als würdevoller Hausmeister tätige Heerrufer den Kleinen zurück, zu einer verstörten, sich nicht mehr zurechtfindenden Elsa. Dazu lieferte Dirigent Bertrand de Billy eine mal zart lyrisch gespannte, mal dramatisch wuchtige Klangkulisse: Orchester und Chor in Hochform, dazu ein glänzendes Solistenensemble. Ein paar Wagner-Reaktionäre buhten. Das Gros des Publikums aber war von dieser Frankfurter Neudeutung des „Lohengrin“-Märchens begeistert.

Lohengrin
Von Richard Wagner
Regie: Jens Daniel Herzog
Oper Frankfurt am Main