Waffenlieferungen

Jeder tut, was er will

Kurdische Kämpfer und Anhänger der Demokratischen Partei Kurdistans (DPK) schwenken bei Kani Masi im Norden des Irak ihre Waffen.
Kurdische Kämpfer und Anhänger der Demokratischen Partei Kurdistans (DPK) schwenken bei Kani Masi im Norden des Irak ihre Waffen. © dpa / picture alliance / Barrak
Von Annette Riedel |
Die EU-Staaten wollen nicht, dass auf europäischer Ebene entschieden wird, wer, wann, wohin welche Waffen liefern darf. Dass es einmal einen gemeinsamen Verteidigungsminister geben wird, erscheint genauso unrealistisch wie der Traum von einer Welt ohne Waffen.
Eine Welt ohne Waffen – was für ein schöner Traum! Aber das ist und bleibt wohl auch genau das: ein schöner Traum.
Eine Welt, in der Waffen ungleich verteilt sind, ist eine Welt, in der das Recht des Stärkeren regiert. Das kann man nicht wollen. Und deshalb ist es nur zu verständlich, dass einige Europäer dem Ansinnen der Kurden entsprechen und sie in ihrem Kampf gegen die gut ausgerüsteten Terrorgruppen des sogenannten "Islamischen Staates" unterstützen wollen. Und zwar nicht nur mit guten Worten, Wasser und Lebensmitteln – sondern mit Waffen. Verständlich ja – aber auch richtig?
Es ist genauso verständlich, dass andere zögerlich auf die kurdischen Wünsche nach Munitionierung reagieren. Sie hinterfragen mit Recht, ob die Gleichung "Frieden schaffen mit mehr Waffen" aufgehen kann. Sie hinterfragen mit Recht die Motive, die hinter dem militärischen Engagement der USA, hinter der Ankündigung von Waffenlieferungen der Franzosen stecken.
Geht es wirklich nur um den Schutz von Menschen vor fanatischen Religionskriegern? Im "wilden Kurdistan" gibt es schließlich Öl. Und die Zögerlichen verweisen mit Recht darauf, dass sich Waffen leichter verteilen als wieder einsammeln lassen. Dass sich diejenigen, die man in mehr oder weniger guter Absicht heute munitioniert, morgen als Gegner erweisen können. Siehe Afghanistan.
Alleingänge in der EU
Eine gemeinsame Verteidigungspolitik hat die EU nicht. Sie kennt bestenfalls das mehr oder weniger stark ausgeprägte Anliegen, sich bei den jeweiligen nationalen militärischen Aktivitäten in Drittländern abzusprechen. Es ist auch von den EU-Ländern nicht gewollt, dass europäisch entschieden wird, wer, wann, wohin, welche Waffen liefern darf.
Deshalb kann sich ein Land wie Deutschland aus Waffengängen wie seinerzeit in Libyen heraushalten, ohne gegen europäische Verträge zu verstoßen.
Deshalb kann ein Land wie Frankreich jetzt, ohne gegen europäische Verträge zu verstoßen, im Alleingang beschließen, dass es in den Irak Waffen liefern will. Vorausgesetzt, es hält sich denn an das gemeinsam 2004 verhängte EU-Waffenembargo gegen den Irak, das Ausnahmen vorsieht, und an den gemeinsam 2008 verabschiedeten Verhaltenskodex der EU für Waffenlieferungen, der bindend ist.
Einstellung zu Waffengängen in der EU sehr unterschiedlich
Dass letztlich jeder in der EU verteidigungspolitisch fast uneingeschränkt tun und lassen kann, was er will - das kann man beklagen. Aber es scheint heute fast genauso unrealistisch wie der Traum von einer Welt ohne Waffen, dass es einmal einen "europäischen Verteidigungsminister" geben wird. Dazu sind Geschichte, nationales Selbstverständnis und die Einstellung zu Waffengängen in den 28 EU-Ländern zu unterschiedlich.
Soll aber nicht der verheerende Eindruck eines disparaten Haufens entstehen, wo jeder auf seine Weise vorprescht, wenn es irgendwo brennt, hat die EU nur eine Chance: Die EU-Länder müssen sich abstimmen, wer was politisch bereit und seinen Möglichkeiten entsprechen in der Lage ist zu tun. Sie müssen dies koordiniert und konzertiert nach außen kommunizieren. Aber selbst das ist oft mehr Traum als Wirklichkeit.
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