Waffen, Koks und falsche Turnschuhe

Von Axel Schröder · 13.04.2009
Der Schwarzen Gang, offizieller Name der Truppe "Zollabteilung Kontrollraum Wasser", gehören 51 Beamte an. Zu ihrer Arbeitsausrüstung gehören schwarze Overalls, Dienstwaffen mit je 30 Schuss, fünf Zollboote, ein Unterwasserroboter und ein Gespür für versteckte Schmuggelware. Sie kennen jede Kaimauer, jeden kleinen Kanal im Hamburger Hafen.
Das kleine Bürozimmer im Hamburger Hafen schwankt. Hebt und senkt sich auf den Wellen der Elbe. Zollinspektor Jürgen Dingerkus sitzt mit dem Rücken zum Wasser am Schreibtisch, ist ans Schaukeln gewöhnt. Den Telefonhörer am Ohr, plant er den nächsten Einsatz der Schwarzen Gang.

Dingerkus ist Chefausbilder der Schwarzen Gang, offizieller Name der Truppe: "Zollabteilung Kontrollraum Wasser". 51 Beamte gehören ihr an. Die Arbeitsausrüstung: schwarze Overalls, Dienstwaffen mit je 30 Schuss, fünf Zollboote, ein Unterwasserroboter und ein Gespür für versteckte Schmuggelware.

Dingerkus: "Wir suchen überwiegend nach Drogen, Waffen und solchen Sachen, die unter das Washingtoner Artenschutzabkommen fallen. Das heißt also: auch Elfenbein. Und zum Beispiel auch Plagiate. Nach solchen Sachen suchen wir."

Eine Viertelstunde dauert die Besprechung mit seiner fünfköpfigen Crew, dann geht es nach draußen. Über den schwankenden Ponton, durch die Stahlgittertür zum Zoll-Boot "Övelgönne". Ein 13-Meter-Schiff, grün gestrichene Aufbauten, "Zoll" steht in den dicken weißen Lettern auf der Kabinenwand, oben dreht sich langsam das Radar. Eine zweite Gruppe der Schwarzen Gang ist schon draußen unterwegs, kontrolliert einen Eisenerzfrachter aus Südamerika. Der 56-jährige Jürgen Dingerkus macht einen großen Schritt aufs Schiff, duckt sich in die Kajüte, vier Kollegen warten schon:

"Von mir aus können wir jetzt starten…"

Seit 18 Jahren ist der bärtige Wasserzöllner im Hamburger Hafen unterwegs. Seine Truppe und er sind zuständig für die mehr als 4 Hektar Freihafen und 3 Hektar Wasserfläche. 320 Liegeplätze behalten sie im Auge, kennen jede Kaimauer, jeden kleinen Kanal, jede Schleuse und ihre Wärter. Sein Team und er machen täglich Stichproben im Freihafen, kontrollieren die einlaufenden Schiffe.

Dingerkus: "So, wir fahren jetzt hier an den Landungsbrücken vorbei, Richtung Süden, Südwesten. Und dann wollen wir mal sehen, ob wir bis zu den Airbus-Werken noch raus kommen. Und dann auf dem Rückweg werden wir in die Dradenau und eventuell zum Hansa-Port."

Bei Tag und Nacht klettern sie auf Frachtschiffe, sind jeden Tag 24 Stunden lang unterwegs. Sie durchforsten jedes einzelne Deck, manchmal die Kabinen der Mannschaft, die Maschinenräume, die Frachträume. Das Schiff stampft durch die grünbraunen Wellen, Dingerkus steht, leicht breitbeinig, neben seinem Steuermann, und macht gleich zu Beginn der Schicht klar: Nicht jedes Kokain-Paket, nicht jeden Container mit gefälschter Ware können die Fahnder entdecken:

"Nein. Geht auch gar nicht. Ist unmöglich. Hamburg hat im Jahr, in diesem Jahr die 9-Millionen-Container-Grenze erreicht und neun Millionen Container können wir nicht prüfen. Dann liegt der ganze Hafen brach."

Neben ihm nickt Steuermann Peter Kulas, lenkt das Schiff vorbei an den Airbus-Werken auf der linken und dem noblen Vorort Blankenese auf der rechten Seite. Kleine und große Villen schmiegen sich an die grünen Hänge, ein einsamer Fußgänger scheucht seinen Hund über den hellen Sandstrand.

"Ja, ich würde sagen, wir drehen dann gleich mal ein bisschen. Wir nehmen den Entgegenkommer da noch mit und drehen dann. Es wird jetzt auch ein bisschen unruhiger hier."

Peter Kulas dreht das Steuerrad nach links, das Zoll-Boot dreht im großen Bogen um, fährt Richtung O’swald-Kai. Dort legen die sogenannten Fruchtschiffe an, bringen Bananen, Ananas, Papaya aus Südamerika. Und manchmal auch Drogen, erklärt Kulas:

"Da, wo die Bananen geladen werden, ist halt auch gleichfalls Anbaugebiet von Kokain. Und das könnten diese Schiffe mitbringen. Das geht jetzt nicht auf ein bestimmtes Schiff, sondern das ist so, weil dieses Schiff aus diesem Fahrtgebiet kommt. Und jetzt gehen wir da mal und gucken, ob da noch was anderes zu finden ist als Bananen."

Der Wasserzöllner schiebt den Gashebel ein Stück nach vorn, das Schiff wird schneller, zieht vorbei an einem Containerriesen, an der schwarz gestrichenen Bordwand. Rechts, an Steuerbord eröffnet sich das Hafenbecken, das die Fruchtschiffe ansteuern. Am O’swald-Kai machen sie fest, ganz in der Nähe riesiger Kühlhäuser. Wie alle anderen Mitglieder der Schwarzen Gang ist auch Kulas lange Jahre zur See gefahren, zwölf Jahre Handels-Marine und zwei Jahre Ausbildung liegen hinter ihm. Links an der Kaimauer hat die "Charles Island" festgemacht, ein Bananenfrachter, dunkelrot gestrichener Rumpf. Der Steuermann drosselt die Geschwindigkeit, steuert das Zoll-Boot ans Heck des Frachters, erzählt von seinem letzten großen Fund:

"Was wir selber gefunden haben, war eigentlich im Kilobereich Kokain. Das sind Kuriere, die das direkt übergeben kriegen. Das waren mal zwölf, dreizehn Kilo. Und die größeren Funde, da hängt dann immer das Bundeskriminalamt oder das Zollfahndungsamt mit drin. Das geht dann manchmal in den Tonnenbereich."

Dingerkus und seine Mannschaft machen sich bereit, greifen sich weiße Helme und Handschuhe, kontrollieren die Taschenlampen. Rund 1000 Tonnen Kokain finden jährlich ihren Weg von Südamerika nach Europa, ein Zehntel davon über den Hamburger Hafen. Im letzten Jahr beschlagnahmt der Wasserzoll rund 50 Kilogramm der Droge, 2006 waren es 150 Kilo. Cannabis- und Waffenfunde machen vor allem ihre Kollegen vom Land-Zoll. Fast 10.000 Schusswaffen waren es 2007. Besonders gewachsen ist die illegale Einfuhr gefälschter Markenkleidung: von T-Shirts, Jeans oder Turnschuhen. In den letzten zwei Jahren fanden die Beamten über 300 dieser Container, berichtet Dingerkus, er zieht den Kopf ein, klettert aus der Kajüte. Draußen macht ein Kollege das Boot an der Kaimauer fest.

Dingerkus: "So, können wir starten?"

Vier Meter ragt die Kaimauer in die Höhe, eine rostbraune Eisenleiter führt hinauf. Jürgen Dingerkus klettert als Letzter hoch, oben auf der "Charles Island" schauen zwei Seemänner kurz über die Reling, verschwinden wieder. Früher, erzählt der Wasserzöllner, waren die Sitten rauer. Heute sind Kapitäne und Besatzungen kooperativ, alle wissen: Ärger mit der Schwarzen Gang lohnt sich nicht:

Dingerkus: "Ich meine, wenn wir jetzt an Bord kommen, dann wissen sie genau, sie haben sowieso keine Chance. Also lassen sie es von vornherein nach. Das Fatale ist ja auch: wenn die erwischt werden – da greift Hamburg rigoros durch – dann gehen die acht bis zehn Jahre in Bau."

Die Männer erklimmen die Gangway, oben angekommen begrüßt sie ein Seemann der "Charles Island": blauer Overall, ein oranges Tuch verhüllt Kopf, Mund und Nase: ein Schutz gegen das kalte Wetter. Der Vermummte bittet den Zoll um die Ausweise, einen Eintrag ins Sicherheitsbuch.

Dingerkus / Seemann: "Custom! – Yeh, customs. So Sir, can I have a look at your ID?"

Dingerkus schüttelt den Kopf. Er, der Kontrollierer, soll sich ausweisen. - Der Zollbeamte, zieht seinen Ausweis aus der Brusttasche, reicht ihn herüber. Seit dem 11. September haben die Amerikaner auf den Hafenanlagen rund um den Globus immer strengere Sicherheitsvorschriften durchgesetzt. Niemand darf mehr ohne Kontrolle an Bord der Schiffe gehen, nicht die Seemannsmission und nicht der deutsche Zoll. Vorgeschrieben im so genannten ISPS-Code:

Dingerkus / Seemann: "Das ist jetzt ISPS. Ja. Und deswegen müssen wir auch unseren Dienstausweis immer mitnehmen. – Okay, thank you very much. – Okay."

Der Zollbeamte unterschreibt einmal für die ganze Truppe, das muss reichen. Die Männer in ihren schwarzen Anzügen folgen dem vermummten Seemann durch schmale Gänge, über Treppen, drei Decks weiter nach oben. Angekommen im Büro des Kapitäns müssen sie warten, der Schiffsführer hat bis eben geschlafen, bittet um Geduld. Fünf Flachbildschirme stehen auf den drei großen Tischen verteilt, Rechner summen. An der Wand: der Kalender eines Bananen-Exporteurs, Seekarten, eine halbnackte Frau wirbt für Schiffsmotoren. Vor zwei Jahren, erinnert sich Dingerkus, finden die Fahnder zwei Tote an Bord eines Bananen-Frachters. Auf der 14-tägigen Überfahrt werden die Bananen gekühlt und begast. Vielleicht waren es Flüchtlinge, vielleicht Drogenkuriere, so Dingerkus. Sie sind erstickt zwischen den Früchten. - Endlich erscheint der Kapitän, reibt sich die Augen, Peter Kulas erklärt ihm den Besuch:

"Captain! This Cargo here on Board: Is it all for Hamburg?"

Der Kapitän stammt aus Russland. Er erklärt: Nein, nicht die ganze Ware ist für Hamburg bestimmt. Die tiefgekühlten Pommes Frites und die Hälfte der Bananen fahren weiter nach Miami. Der letzte Hafen war Antwerpen, den dortigen Zoll hat das Schiff nicht interessiert. Jürgen Dingerkus horcht auf: Wenn das Schiff Drogen an Bord hatte, konnte der Kurier sie schon in Antwerpen vom Schiff schmuggeln. Sein Gefühl sagt ihm: Wenn Drogen versteckt sind, dann weiß die Mannschaft nichts davon. Dazu ist die Besatzung zu entspannt. Trotzdem will er einen kurzen Rundgang machen, die Augen nach Drogen offenhalten:

"Man merkt es an der Besatzung, wenn die nervös werden. Da hat man dann einen Blick für. Wenn man das 20 Jahre macht."

Dingerkus folgt seinen Kollegen durch das Schiff, zuerst werden draußen die beliebtesten Verstecke durchsucht. Die Schwarze Gang geht vorbei an den aufgefahrenen Ladeluken, bleibt kurz stehen, schaut den Gabelstaplern zwei Decks tiefer bei der Arbeit zu: Vier Stapler warten mit ihren Paletten in den Ecken, von oben senkt sich der Gitterkorb in den Schiffsbauch. Kaum setzt er auf dem Deck auf, manövrieren die Stapler die Bananen hinein, setzen zurück. Der Kran hebt die Früchte aus dem Schiff, setzt sie sanft auf der Pier ab.

Peter Kulas beginnt die Durchsuchung, umrundet die weiß-grauen Kühlcontainer an Deck, greift mit seinen Arbeitshandschuhen hinter Metallblenden, tastet die Hohlräume ab:

"Das hier sind die Kühlaggregate der Kühlcontainer. Die werden ja so an Land gestellt. Und das ist ein Leichtes für den, der da draußen rumläuft. Muss natürlich abgesprochen sein. Aber die sind ja alle durchnummeriert, da kann man das schnell rausholen. Hier war das die letzte Zeit öfters drin."

Diesmal findet der Fahnder nichts, schaut rüber zu Dingerkus. Der gibt Handzeichen, winkt Richtung Bug. Dort soll Kulas weitermachen. Vorn angekommen öffnet der Beamte das Stahlschott, durch kleine Öffnungen im Boden steigt er zwei Decks hinunter. Überall sind kleine Nischen, verborgene Hohlräume, überall kann Schmuggelgut versteckt sein. Nur eine Neonröhre spendet Licht, Kulas knipst die Taschenlampe an, leuchtet die Wände ab, entdeckt die Luke zum Ankerkettenraum. An der Wand hängt ein schwerer Hammer. Der Zollbeamte schlägt gegen die Verschlüsse, dreht sie auf, öffnet die Luke:

"Ein schnelles Versteck ist das nicht. Da muss man ja erst mal rankommen."

Kulas leuchtet in den Ankerkasten. Der ist rund zehn Meter tief, die rostige Kette mit ihren schweren Stahlgliedern liegt aufgetürmt fast bis zur Luke. Meistens, erklärt der Beamte, weiß die Besatzung nichts vom Schmuggelgut an Bord. Kuriere bringen es unentdeckt aufs Schiff, kontaktieren ihre Komplizen in Europa, und die holen es, wenn alles glatt läuft, ebenso unerkannt wieder ab. Anders läuft es bei russischen Schmugglern, so Kulas:

"Wir haben öfter – ich sage das, ohne eine Wertung abzugeben – aber beim Schmuggel aus dem russischen Bereich, da ist es mehr das Organisierte. Wo man vermuten könnte, dass die Führung da auch mit drin hängt. Diese einzelnen Kuriere, das sind eher die, die in Südamerika an Land gehen, angesprochen werden. Die haben einen sehr geringen Verdienst an Bord hier. Der liegt so zwischen 800,- und 1200,- Euro und die kriegen für ein Paket, für ein Kilo Kokain 4000,- Euro bei Übergabe."

Drogen findet der Fahnder nicht im Kettenkasten, er schließt die Stahltür, verschraubt die Verschlüsse. Peter Kulas klettert die Leiter wieder hoch, macht sich auf den Weg zum Kapitänsbüro. Dort warten Jürgen Dingerkus und der Rest der Mannschaft. Sie haben den Maschinenraum inspiziert, die Werkstatt und die Kombüse. Jetzt sitzt Dingerkus neben dem russischen Kapitän, zieht ein Fazit der Frachter-Durchsuchung:

"Auf den ersten Blick würde ich sagen: Der ist clean. Der hat eine gute Schiffsführung. Wir haben es auch in der Kombüse gesehen: sehr sauber das Schiff. Auch in der Maschine. Das muss natürlich nichts heißen, aber ich würde sagen: Das Schiff ist clean."

Der Kapitän nickt vorsichtig und lächelt. Dingerkus nickt zurück, bedankt sich für die Kooperation.

Die Schwarze Gang ist auf dem Weg zurück zum Zoll-Boot, ganz hinten geht Dingerkus, den weißen Helm unterm Arm:

"Wie gesagt: Wir können nicht alles machen. Wir müssen uns dann auf die wesentlichen Dinge konzentrieren. Beziehungsweise nehmen wir uns das vor, wo wir denken: Da würde ich auch was hinstecken."

Einer nach dem anderen klettert die Kaimauer hinab zum Schiff, Leinen los. Die Fahrt geht zurück zum Stützpunkt an den Landungsbrücken. Oben auf der "Charles Island" stehen wieder zwei Seemänner, schauen stumm dem Zoll-Boot hinterher. Dingerkus verstaut Taschenlampen und die Arbeitshandschuhe, erzählt von den Nachwuchsproblemen der Schwarzen Gang. Die 51 Mitarbeiter haben kaum Zeit, ihre Überstunden abzufeiern, ein halbes Dutzend Planstellen bleibt unbesetzt. Es fehlen: qualifizierter Nachwuchs und attraktive Gehälter.

Ein Wasserzöllner verdient im Schnitt zwischen 1500,- und 2500,- Euro netto, inklusive der Zuschläge für Nachtarbeit. Dingerkus zuckt mit den Schultern: die freie Wirtschaft zahlt einfach besser. Immerhin macht der ISPS-Code, das Sicherheitsgesetz, das die Amerikaner nach dem 11. September initiiert haben, auch den Schmugglern das Leben schwer: Zäune sperren den Hafen ab, Kameras überwachen Container-Stellplätze und Lagerhallen:

Dingerkus und Schüler: "Es gibt mit Sicherheit mehr Sicherheit. Das ist richtig. Auf jeden Fall! Denn es kommt keiner mehr unbeobachtet an die Kaianlagen bzw. auf die Schiffe drauf von der Landseite. – Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum wir nicht mehr so viel finden. Weil der Hafen so hermetisch abgeriegelt ist. Was vorher kein Problem war. Das konnte man so vom Gelände tragen. Geht ja heutzutage nicht mehr. - Wohl aber von der Wasserseite. Das wäre also kein Problem."

Jürgen Dingerkus und sein Kollege, der Zollschiffs-Betriebsinspektor Karsten Schüler, sitzen auf der kleinen Sitzbank im Zoll-Boot "Övelgönne". Das kreuzt das Fahrwasser der Elbe, schwankt hin und her, die Gischt spritzt ans Fenster, der Himmel hängt grau über dem Fluss. Steuermann Peter Kulas nimmt Kurs auf die Zollstation an den Landungsbrücken. Die Mannschaft muss Berichte schreiben, Papierkram erledigen. - Mitten auf der Elbe meldet sich das zweite Team der Schwarzen Gang per Funk. Es gibt Neuigkeiten.

Dingerkus horcht auf, sitzt kerzengerade auf dem Polster. Die Kollegen auf dem Eisenerz-Frachter "Trans Green" haben einen Verdacht, fordern Verstärkung an. Zwei Hafenbecken weiter liegt das Schiff, Steuermann Kulas wendet die "Övelgönne", schiebt den Gashebel langsam nach vorn, die Schreibtischarbeit muss warten.

Fünf Minuten später liegt die "Övelgönne" festgemacht an der Kaimauer. Über dem Boot ragt der rostrote Bug des Eisenerz-Frachters in die Höhe. Die "Trans Green" ist 20 Jahre alt, 332 Meter lang, über 300.000 Tonnen kann das Schiff tragen. Ein sogenannter Bulkcarrier.

Dingerkus: "Das ist ein Bulker, ein Massengutfrachter, der hat entweder Erz oder Kohle geladen. Eins von beiden. Das ist natürlich für uns – wenn das Fahrgebiet mit Brasilien stimmt – sehr interessant!"

Seit zwei Stunden schon sind acht Mitglieder der Schwarzen Gang an Bord. Durchforsten alle Decks und Luken, schrauben Verschlüsse auf, kriechen in Hohlräume. Ihr Schiff, die "Ericus", liegt hinter der "Övelgönne", am kleinen Kran auf dem Achterdeck hängt ein signalgelber Tauchroboter, ein mal ein Meter groß, gleitet langsam ins Wasser. Ferngesteuert von Daniel Breuner, Zollbeamter, seit acht Jahren Mitglied der Schwarzen Gang:

"Das ist ein ROV: Removable Overseas Vehicle. Das wird von innen gesteuert mit einem Joystick und hat Elektromotoren zum Antrieb. Und vorne haben wir Scheinwerfer und eine Kamera, und die kann man um 180 Grad schwenken."

Breuner versenkt den Roboter im trüben Elbwasser, klinkt den Haken aus, gibt ein Zeichen zum Kollegen unter Deck, von dort aus wird das Gerät gesteuert. Der groß gewachsene Fahnder Stefan Falke erklärt, was der Roboter unter dem Schiffsrumpf finden könnte:

"Im Verbund mit der Polizei haben wir vier Torpedos voll Marihuana gefunden. Vor vier Jahren. Die werden ohne Wissen der Mannschaft an der Außenhaut des Schiffs angebracht, wenn das Schiff auf Reede liegt. Und fahren dann durch die Weltmeere und dienen als Depot. Und im Zielhafen bekommen die Hintermänner Bescheid, um die heiße Ware abzuholen. Und von der gesamten Menge waren das circa 150 Kilogramm. Das war ein Erfolgserlebnis."

Langsam steuert der Roboter die "Trans Green" an. Stefan Falke und die Truppe von Jürgen Dingerkus klettern die Leiter an der Kaimauer hoch, unterqueren die riesigen Kräne, deren mächtige Schaufeln die Ladung löschen. Ein bisschen davon geht vorbei, groß und rund wie Murmeln liegen die Eisenerz-Kugeln auf dem öligen Asphalt. Oben an Deck müssen die Fahnder sich wieder ausweisen. Ein Seemann der vorwiegend philippinischen Besatzung führt sie durchs Schiff, zu den Kollegen.

Dingerkus bespricht die Lage mit Stefan Falke. Der hat einen Verdacht, vermutet Drogen an Bord. Er spricht leise, Dingerkus nickt. Sie sind sich einig: Diesmal werden auch die Kabinen der Mannschaft durchsucht.

Falke: "Wir machen eine Intensivkontrolle! Die eine Gruppe geht in den Maschinenraum, die andere macht die Kabinen!"

Neben den beiden steht ein Besatzungsmitglied, hält per Funk Kontakt zum Kapitän, soll die Zollbeamten im Auge behalten.

Falke: "Open the rest of the cabins!"

Der Seemann öffnet die Türen. Dingerkus macht sich auf den Weg zum Maschinenraum, Falke geht in die Kabine, zwei Kollegen folgen ihm. Der Fahnder erklärt die besten Verstecke für geschmuggelte Drogen:

Falke: "Die beliebtesten Verstecke sind öffentliche Räume. Wo man die Ware, wenn es sich um heiße Ware handelt, keinem zuordnen kann. Ich sag mal: an Deck, auf Kränen, im Maschinenraum. Öffentlich zugängliche Räume, auf die man nicht gleich kommt."

Stefan Falke zieht ein blaues Plastikwerkzeug aus der Brusttasche: den DrugWipe.

Falke: "Das ist der sogenannte Wischtest, den mache ich jetzt mal in der Kabine.
Am Türgriff zum Beispiel… Überall, wo Hautkontakt ist."

Das Gerät erinnert an einen Schwangerschaftstest: das untere Ende aus weißem Zellstoff, oben ein kleines Sichtfenster, dahinter: ein schmaler roter Strich. Der DrugWipe spürt Kokain, Amphetamine, Cannabis im Nanogramm-Bereich auf, der Fahnder streicht damit über die Wasserhähne im Waschraum, über die Griffe am Nachttisch und Türklinken. Neben ihm nehmen seine Kollegen das Sofa auseinander, öffnen Schubladen, leuchten mit Taschenlampen unter die Betten. Falke benetzt den DrugWipe mit Wasser, wartet auf das Ergebnis.

Falke: "Wenn sie jetzt zwei rote Striche haben, ist der Test positiv. Wenn da nichts zu sehen ist, ist er negativ, dann ist alles okay. – Die Flüssigkeit steigt jetzt auf. Kann man sehen, der Pegel steigt höher. Und es ist keine Verfärbung zu erkennen. Sonst müssten es zwei rosa Striche sein. Nee, ist negativ."

Stefan Falke schiebt die Unterlippe nach vorn, schaut noch einmal aufs kleine Sichtfenster, wirft den Einwegtest in den Papierkorb. Auch die Kollegen haben nichts gefunden, sie ziehen weiter zur nächsten Kabine, markieren die Tür des durchsuchten sauberen Raums mit ihren Unterschriften.

Eine Stunde später, vier Decks tiefer: Jürgen Dingerkus und drei seiner Kollegen verlassen den stickig-heißen Maschinenraum, erklimmen die steilen Treppen, wollen zurück aufs Oberdeck. Gefunden haben sie nichts. Oben auf der Brücke stattet Stefan Falke Kapitän Stefan Ionel und seinem Assistenten Manuel Pinto einen Besuch ab, bittet um Verständnis für die Umstände.

Kapitän: "This is Routine. But this kind of checking is rarely. But anyway… It’s not something extraordinary."

Voice-Over Kapitän: "Das hier ist doch Routine…. Aber trotzdem: die Art und Weise der Durchsuchung ist doch eher selten. Aber das kennen wir schon…"

Pinto: "We have no problem with checking. But the point is: you are going on your own. And from the ISPS-regulations we’re not allowed to let you go on your own. – Okay: I’m not happy. For me, the ISPS is crap!"

Voice-Over Pinto: "Nein, wirklich: Wir haben kein Problem mit der Durchsuchung. Aber es ist nun mal so: die Männer vom Zoll durchsuchen das Schiff auf eigene Faust und oft genug ohne Begleitung. Und genau das verbieten die ISPS-Regeln: Wir dürfen niemanden alleine auf dem Schiff rumlaufen lassen. – Damit sind wir auch nicht glücklich, aber es ist so. In meinen Augen sind diese ISPS-Regeln großer Mist."

Die Männer lächeln, mit Handschlag verabschiedet sich Stefan Falke von Manuel Pinto und Kapitän Ionel. Nach vier Stunden Suche an Bord der "Trans Green" ziehen die Fahnder mit leeren Händen wieder ab. Zwölf Männer in schwarzen Overalls sind auf dem Weg zu ihren Booten, ganz hinten geht Stefan Falke, etwas unzufrieden. Unsicher, ob tatsächlich Drogen an Bord versteckt waren oder nicht:

Falke: "Ja, das ist unbefriedigend. Man hat es nicht gefunden. Beziehungsweise: Es könnte auch der Fall sein, dass Mitglieder der Mannschaft die heiße Ware in der Deutschen Bucht über Bord geworfen haben und Schnellboote das dann aufgenommen haben und davongefahren sind. - Das es zwar ein Tipp ist, es war was an Bord, die Ware aber schon in der Deutschen Bucht über Bord gegangen ist."

Zehn Minuten später sind alle Wasserzöllner wieder auf ihren Schiffen, die "Ericus" hat den Tauchroboter wieder an Deck gehievt, auch unter Wasser ist die "Trans Green" sauber, keine Torpedos, keine versteckten Drogen. Beide Schiffe legen ab, Kurs auf die Heimatbasis auf der anderen Elbseite, nahe den Landungsbrücken. Vorn auf der "Övelgönne" sortiert Markus Steinmann das Tauwerk, schaut zurück auf den Eisenerzfrachter:

Steinmann: "Frustig ist es immer. Es ist die Suche nach der Nadel im Heuhaufen oftmals. Auch wenn man einen Tipp hat und auch die speziellen Ecken durchsucht hat und man findet nichts, dann ist man frustriert, aber damit muss man leben!"

Steinmann lacht, zuckt kurz mit den Schultern, eine Hand an der Reling geht er zurück in die Kajüte. Schon passiert das Schiff die Landungsbrücken, der Steuermann nimmt Gas weg, manövriert langsam an den Ponton. Der Leiter des Hauptzollamtes Hamburg-Hafen, der Chef der Schwarzen Gang ist Torsten Ahrens. Im dicken dunkelblauen Anorak und Jeans steht er auf dem Ponton, per Funk hat Dingerkus ihm schon vom Einsatz berichtet. Der alte Zollfahnder winkt ab.

Dingerkus: "Da kann man nur den nächsten Hafen informieren und sagen: Jungs, geht da mal drauf, probiert mal, ob ihr das findet. Was anderes bleibt einem nicht übrig!"

Sein Chef, gut zehn Jahre jünger, lächelt. Natürlich freut sich auch Torsten Ahrens über jeden Drogenfund, über jeden aufgebrachten Container mit gefälschter Markenware. Aber, so Ahrens, der Arbeitserfolg der Schwarzen Gang lässt sich nicht allein an der Aufdeckungsquote messen:

"Es gibt immer so Phasen, wo mal mehr, mal weniger los ist. Das ist ja auch eine Sache von Verfolgungsdruck. Ich denke mal, hier in Hamburg arbeiten wir recht gut. So am Fruchtschuppenbereich: die Leute wissen, dass wir kommen! Wenn da die Schiffe aus Südamerika kommen, die wissen, dass wir vor Ort sind. Und das schreckt einen oder anderen doch schon ab. Es gibt aber natürlich enorm viele Möglichkeiten, nicht nur hier in Hamburg, sondern überall. Also: schwierig genug, jemanden zu finden, ist es schon."

Ahrens kneift die Augen zusammen, der Wind weht kalt über den Fluss. Schlimm genug, erklärt er, ist die angespannte Personalsituation beim Wasserzoll schon jetzt. Aber die Warenströme nach Hamburg werden noch weiter wachsen, durch die weltweite Rezession nur etwas langsamer als vorhergesagt. Und wenn ab 2012 der Freihafen verkleinert wird, so Ahrens und winkt ab, dann müssen die Fahnder noch mehr Schiffe im Auge behalten, im Verdachtsfall durchsuchen. Dingerkus und Ahrens sind sicher: Das geht nur mit deutlich mehr Personal.

Dingerkus: "Wenn es heißt: in Hamburg wird nicht mehr so kontrolliert, dann bietet sich das ja an… Dann kann man sagen: Ja gut, wählen wir eben den Weg wieder."

Jürgen Dingerkus schüttelt den Kopf, schaut rüber zum Chef. Der zuckt mit den Schultern. Viel Hoffnung auf neue Männer oder Frauen für die Schwarze Gang haben beide nicht. Was bleibt, sind Vorfreude und Hoffnung auf den nächsten großen Fund.