"Wäre der Islam eine Firma, dann wäre er längst pleite gegangen"

03.01.2011
"Der Untergang der islamischen Welt" lautet der unbescheidene Titel des Buches des deutsch-ägyptischen Politikwissenschaftlers Hamed Abdel-Samad. Darin sagt er der islamischen Welt den Untergang voraus, sollte sie sich nicht grundlegenden Reformen unterziehen.
Mit dieser Prognose tritt er den Ängsten vieler Menschen in Europa entgegen, die im Erstarken radikaler muslimischer Gruppen eine Islamisierung ihrer Länder befürchten.

"Was den Islam betrifft, mag er in seinem jetzigen Zustand alles Mögliche sein, nur eines ist er meines Erachtens nicht: Er ist nicht mächtig. Er ist im Gegenteil schwer erkrankt und befindet sich sowohl kulturell als auch gesellschaftlich auf dem Rückzug."

Abdel-Samads Buch ist eine Analyse der politischen und sozialen Missstände in der islamischen Welt, deren Ursache er auf die Religion zurückführt. Sachlich und scharf kritisiert er die Rückständigkeit der islamischen Staaten im Vergleich zu vielen anderen Gesellschaften in der Welt. Ausnahmen stellen dabei für ihn nur die Türkei und fernöstliche Staaten wie Malaysia und Indonesien dar. Diese hätten in den letzten Jahren hinsichtlich der Bildung und Wirtschaft eine gute Entwicklung durchlaufen. Die arabischen Staaten dagegen, die im Zentrum seiner Betrachtungen stehen, sind für ihn ein hoffnungsloser Fall.

Das immer wiederkehrende Argument vieler muslimischer Intellektueller, die europäische Kolonialisierung sei der Grund für die erhebliche Rückständigkeit, lässt Hamed Abdel-Samad nicht gelten. Auch andere Staaten wie Japan, Taiwan und Indien hätten eine koloniale Erfahrung gemacht und sich dennoch nicht unterkriegen lassen. Vielmehr sei die islamische Welt derzeit nicht in der Lage, aus sich heraus kreativ zu sein und gegen den drohenden Verfall anzugehen. Zudem biete die Religion keine konstruktiven Antworten mehr auf die Fragen des modernen Lebens.

Während andere die Ursache für diese Missstände jedoch vor allem in der katastrophalen Bildungssituation in der islamischen Welt ausmachen, geht Abdel-Samad weiter. Er glaubt, dass ohne eine radikale Abkehr vom Islam eine Modernisierung nicht möglich sei. Zwar hätten viele Religionen einen Absolutheitsanspruch, doch der Islam greife so umfassend nach dem Leben seiner Gläubigen, dass eine radikale Reform mit ihm grundsätzlich nicht vereinbar sei:

"Wäre der Islam eine Firma, dann wäre er längst pleite gegangen. Was der Islam nun braucht, ist eine geregelte Insolvenz, eine Inventur, durch die die islamische Welt sich endlich von vielen Bildern trennen muss: Gottesbilder, Gesellschaftsbilder, Frauenbilder, Vor- und Feindesbilder".

Ohne Zweifel legt der Autor den Finger zu Recht in die Wunden. Radikal und schonungslos benennt er die Probleme, an denen die islamische Welt leidet. Seine Intention ist klar: Er möchte den Islam nicht abschaffen, sondern sorgt sich um ihn. Doch auch wenn seine Lösungsvorschläge zum Teil richtig sind, so besteht doch die Gefahr, dass er damit sein Zielpublikum verfehlt.

Spätestens, wenn er in seinem Buch die Aufhebung des Dogmas von der Göttlichkeit des Korans fordert, stellt sich die Frage, ob er damit nicht mehr Muslime verschreckt denn für sich einnimmt. Denn mit seinen ketzerischen Forderungen ist Hamed Abdel-Samad seiner Zeit weit voraus. Die Frage ist, wann die Muslime ihn einholen werden.

Besprochen von Abdul-Ahmad Rashid

Hamed Abdel-Samad: Der Untergang der islamischen Welt - Eine Prognose
Droemer/Knaur, München 2010
240 Seiten, 18 Euro