Wachsende Vielfalt der Bildschriftzeichen

Blutstropfen in der heilen Emoji-Welt

07:17 Minuten
Eine Frau blickt auf ihr Smartphone, darüber sind einige der neuen Emoji 12.0 eingeblendet (Hörgerät, taube Frau, Blinder mit stock, Frau im Rollstuhl, Blutstropfen, zwei Männer, die Händchen halten).
Männer, die Händchen halten, Taubstumme, Blutstropfen – die Welt der Emojis ist 2019 vielfältiger geworden. © Unsplash / Bruno Cervera / Emoji 12.0 / Fotomontage
Anatol Stefanowitsch im Gespräch mit Shanli Anwar  · 21.02.2019
Audio herunterladen
Das Universum der Emojis wächst. Aber es werden nur Bildschriftzeichen ausgewählt, die weltweit niemanden vor den Kopf stoßen, sagt Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch. Vorschläge an das Unicode-Konsortium der IT-Firmen sind möglich.
Wer eine SMS verschickt oder andere Messenger-Dienste nutzt, verwendet gerne Emojis, um sich kurz zu fassen. Die Vielfalt der Bildschriftzeichen wächst, im März sollen 230 neue Emojis im Angebot sein. Gerade erst ist ein roter Blutstropfen für Menstruation dazu gekommen. Das Unicode Konsortium, dem die großen IT-Unternehmen angehören, entscheidet seit 2010 darüber, was standardisiert weltweit in den Zeichensatz von Handytastaturen aufgenommen wird.

Abstrakter Blutstropfen

Das Unicode Konsortium halte sich gerne von Themen fern, die in bestimmten Ländern mit Tabus belegt seien, sagte der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch im Deutschlandfunk Kultur. Es habe etliche Vorschläge für ein Menstruations-Emoji gegeben, die sehr viel deutlicher gewesen seien, beispielsweise eine Binde oder eine Unterhose mit einem Blutstropfen. "Das hat sich nicht durchgesetzt, sondern stattdessen hat man sich jetzt zurückgezogen auf einen sehr abstrakten Blutstropfen, der alles bedeuten kann." Das Emoji könne nun auch für Blutspende benutzt werden. "Diversität ja, aber nur so lange man niemanden vor den Kopf stößt", beschreibt Stefanowitsch die Entscheidungspraxis.
Wenn Apple, Google und Microsoft sich einig seien, dann hätten sie im Unicode Konsortium die absolute Mehrheit bei solchen Entscheidungen. Es gebe aber auch für Einzelpersonen und Organisationen eine Möglichkeit, Vorschläge einzureichen, über die dann im Konsortium beraten und entschieden werde.

Wachsendes Angebot

"Der Emoji-Zeichensatz hatte am Anfang eine sehr enge Sicht auf die Welt", sagte der Sprachwissenschaftler. Zu Beginn habe es nur wenige Personendarstellungen gegeben, einen männlichen Polizisten und zwei, drei andere Personen. Seither habe sich das Angebot erheblich erweitert, sodass es heute verschiedene Berufs-Emojis gebe, in männlicher und weiblicher Variante sowie verschiedene Hautfarben. "Menschen mit Behinderungen mussten jetzt sehr lange warten." Nun gebe es ein Hörgerät, einen Blindenstock und zwei Arten von Rollstühlen. Allerdings fehlten einige Kombinationsmöglichkeiten, beispielsweise der IT-Techniker im Rollstuhl.
Dank der größeren Vielfalt sei es inzwischen schon eher eine Illustrationsdatenbank geworden, sagte Stefanowitsch. Die Nutzer müssten sich bei den Kombinationen sehr viel mehr Mühe geben. Aber die Lebenswelt könne heute sehr viel genauer abgebildet werden.
(gem)
Mehr zum Thema