Wachmann sucht Leibwächter

Von Stefan Keim |
Zur Hochzeit kommen keine Gäste. Es ruft auch niemand an. Blumen, Geschenke – alles Fehlanzeige. Nur eine Girlande hat der Bräutigam zur Feier des Tages aufgehängt. Mit der Wirklichkeit stimmt etwas nicht in den "Sieben Türen" von Botho Strauß. Bochums scheidender Intendant Elmar Goerden hat das Stück nun im Theater unter Tage, der Kellerbühne, inszeniert.
"Bagatellen" nennt Strauß seine Sammlung kurzer Dramen. Vor 20 Jahren waren sie schon einmal in Bochum zu sehen, oben im Schauspielhaus mit großem Ensemble. Elmar Goerden lässt nun vier Darsteller alle Rollen spielen, mit kleinen Veränderungen in Kostüm und Frisur, aber wieder erkennbaren Gesichtern. Das passt zur schwebenden, surrealen Atmosphäre dieser scheinbar nebensächlichen Texte, mit denen Botho Strauß ein immer noch satirisch präzises Gesellschaftsporträt zeichnet.

Die Reihenfolge der Ministücke kann jeder Regisseur selbst entscheiden. Goerden beginnt mit "Der Selbstmörder und das Nichts", wobei die laut Vorlage männliche Wasserleiche von einer Frau (Evamaria Salcher) verkörpert wird. Das Nichts wartet im Rücken des Publikums auf sie, Michael Lippold trägt einen schwarzen Rollkragenpulli und einen Plastikschädel in der Hand. Die Frau, eine Forscherin, ist überrascht. Ganz normal, belanglos nett wirkt das Nichts, die Hölle ist ein ewiger Smalltalk, ein Fegefeuer der Unverbindlichkeit.

Heute wirken solche Botschaften bei Botho Strauß oft mythenüberladen, bildungsschwer und verbissen. In "Sieben Türen" warf er sie mit leichter Hand und hinreißend zugespitzten Formulierungen auf die Bühne, was viel wirksamer ist. Das Theater unter Tage wird zum rätselhaften Zwischenreich. Die Szenen wurzeln in der Wirklichkeit, aber immer wieder geschehen seltsame, unerklärliche Dinge. Feuerwehrleute laufen stumm durch eine Szene, ein Engel durch eine andere. Die Akteure halten kurz inne, scheinen etwas wahrzunehmen, dann fahren sie fort, als sei nichts gewesen.

Ein Parkwächter (Cornelius Schwalm) hat Angst allein im Parkhaus. Er will sich einen Leibwächter nehmen, ihm die Hälfte von seinem Gehalt und seiner Wohnung abgeben und immer beschützt werden. Botho Strauß scheint die wachsende Paranoia unserer Zeit voraus geahnt zu haben. Goerden betont das absurde, indem er den Leibwächter mit der zierlichen Maja Beckmann besetzt, die den neben ihr riesig wirkenden Mann verteidigen soll.

Die Schauspieler sprechen sehr leise, manchmal am Rande der Verständlichkeit, obwohl das Theater unter Tage ein kleiner Raum ist. Manchmal wirken sie schlaff und kraftlos, viele Szenen wehen lau vorbei, Pointen bleiben ungenutzt. Doch trotz dieser Schwächen überwiegt die Freude, diesen liebevoll und präzise formulierten Theatertext mal wieder auf der Bühne zu erleben. Die Stücke von Botho Strauß altern nicht, ihr vielschichtiger Witz beschreibt und karikiert den Zivilisationsmenschen in unnachahmlicher Weise.

Service:
Sieben Türen
Theater unter Tage, Bochum
23. Januar, 1., 5., 10., 23. Februar
Karten: 0234 – 33 33 55 55
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