Wacher Zeitgenosse der Bühnenkunst

Von Michael Laages · 22.05.2013
Der Theaterkritiker Henning Rischbieter ist im Alter von 86 Jahren gestorben. Rischbieter gründete 1960 die Zeitschrift "Theater heute" und war als streitbarer Analytiker und Förderer des Theaters respektiert.
Als er 80 wurde, vor sechs Jahren, schrieb er auch von sich selber – von der Jugend in Hannover, mittendrin in den Jugendverführungsstrategien der Nazis, von der Lust am Fliegen auf dem alten hannoverschen Flugplatz, von Kriegserleben und –erleiden des Teenagers, der er war, als seine Einheit wie so viele andere verheizt wurde in den letzten Wochen des großen Schlachtens. Mit nur noch einem Arm ist er zurückgekehrt.

Unter dem sehr hannoverschen Buchtitel "Schreiben, Knappwurst, abends Gäste" erzählte er vom Studium in Göttingen, von der Arbeit an der Volkshochschule und von der Theaterpassion, die in der hannoverschen Volksbühnenorganisation heran wuchs. Der Pädagoge fand den eigenen Ort im Theater – und 1960, fast parallel zur neuen Berliner "Schaubühne" und kurz vor der ersten Ausgabe vom "Theatertreffen", gründete Henning Rischbieter im Dörfchen Velber bei Hannover gemeinsam mit dem Theater-Enthusiasten und Verleger Erhard Friedrich die bis heute einflussreichste Theaterzeitschrift in Deutschland: "Theater heute".

Er ist der Anwalt der Jungen in jenen Jahren; Peter Zadek, der jüdische Heimkehrer aus englischem Exil, ist vom selben Jahrgang. Rischbieters Vorstellung vom Theater, wie es sein sollte, ist vor allem politisch; er fordert die Verantwortung des Theaters ein für die Gesellschaft, in der es spielt. Über die Jahre hin sind Journalisten an seiner Seite, die selber später als Macher das Theater prägen: Botho Strauß als Autor, Ernst Wendt als Regisseur.

Als Theaterprofessor wird er nach Berlin berufen, später folgt ihm auch "Theater heute" in die Hauptstadt. Er bleibt ein genauer Analytiker des Theaters, streitbar und beharrlich, gern auch ein wenig belehrend – aber die Zeitung war ihm stets wichtiger als die eigene Bedeutung. Gerade hatte das Internationale Theaterinstitut Rischbieter geehrt am Internationalen Theatertag, dem 28. März – für das Lebenswerk eines immer wachen Zeitgenossen der Bühnenkunst.