Voscherau: Airbus-Standort Hamburg noch nicht gesichert
Henning Voscherau, ehemaliger Erster Bürgermeister Hamburgs, sieht den Produktionsstandort des Airbus A380 in seiner Stadt auch nach den Zusicherungen des EADS-Vorstands noch nicht als gesichert an. Ohne bindende Entscheidungen dürfe man sich nicht auf diese Aussagen verlassen, sagte der SPD-Politiker.
Marie Sagenschneider: Mit samt Zulieferern und allem Drum und Dran hängen in Deutschland rund 40.000 Arbeitsplätze vom neuen Airbus A380 ab, so jedenfalls schätzt die Industrie. Und alleine in Hamburg-Finkenwerder, wo sich das deutsche Airbus-Hauptwerk befindet, sind es einige tausend Jobs. Kein Wunder also, dass die Politik nun verstärkt das Gespräch mit den Verantwortlichen bei EADS sucht, denn die Auslieferungsverzögerung des neuen Airbus, die wird EADS Milliarden kosten. Und nun befürchtet man, dass die notwendigen Sparprogramme zu Lasten der deutschen Standorte gehen könnten. Es ist jedenfalls unverkennbar, dass das Airbus-Debakel den alten Zwist zwischen Deutschland und Frankreich neu belebt hat, auch wenn EADS-Co-Vorstandschef Thomas Enders gestern, nach einem Treffen unter anderem mit Bundeswirtschaftsminister Glos, erklärt hat, an der deutschen Produktion solle nicht gerüttelt werden.
Tja, aber was sagt das aus? Auch darüber wollen wir nun hier im Deutschlandradio Kultur mit Henning Voscherau sprechen, dem früheren Ersten Bürgermeister von Hamburg. Guten Morgen, Herr Voscherau!
Henning Voscherau: Guten Morgen!
Sagenschneider: Die Politik war gestern eigentlich ganz zufrieden mit diesen Gesprächen. Zu Recht, weil es ja vielleicht doch erst mal auch darum ging, die Wogen ein wenig zu glätten?
Voscherau: Ich glaube, es ging darum, Wogen zu glätten, und das heißt, man kann sich auf solche Aussage erst verlassen, wenn sie wirklich wirksam beschlossen worden ist. Jetzt also noch nicht.
Sagenschneider: Das heißt, man kann noch nicht darauf vertrauen, dass die Produktion des neuen Airbus in Deutschland nicht angetastet wird?
Voscherau: Ich finde, man soll nicht Öl ins Feuer gießen, aber man muss wachsam bleiben, denn der alte Standortkonflikt gerade um die A380 zwischen Toulouse und Hamburg hat strukturelle Ursachen und ist natürlich keineswegs weg. Es ist durchaus vorstellbar, dass diese A380-Probleme von Toulouse genutzt werden sollen, um etwas zurückzudrehen, was sie von dort aus noch nie wollten, nämlich die Beteiligung eines deutschen Standorts an der Fertigung und Auslieferung des A380.
Sagenschneider: Und wenn das eintritt, dann wäre es für Deutschland oder Hamburg, was sehr treffen würde, dann wäre das für die Stadt ein ziemliches Desaster, oder?
Voscherau: Es wäre ein Trauerspiel, denn da sind ja Milliarden investiert worden - übrigens ja keineswegs nur vom Steuerzahler, sondern auch von dem Unternehmen selbst. Und ich will gar nicht unken, sondern ich setze einfach auf die Kraft, die wirtschaftliche Kraft der Investitionen. Kein Unternehmen der Welt schmeißt so riesige Investitionen einfach auf den Müll. Die Hallen, die da entstanden sind, können ja für kleinere Flugzeuge gar nicht benutzt werden.
Sagenschneider: Finden Sie es eigentlich richtig, dass die Politik sich da jetzt kräftig einmischt oder ist es, genau das eigentlich eher ein Grundproblem von EADS, ja weniger vielleicht von Deutschland als vielmehr von französischer Seite aus, dass es da nun seit Jahren auch ein politisches Gerangel um Posten, um Macht und auch um Einfluss gibt?
Voscherau: Im Hinblick auf den Kollegen in Toulouse und Herrn von Beust in Hamburg würde ich das nicht so sehen. Dass die beide ihre Stadt und deren Strukturen verteidigen, das ist geradezu ihr Job. Also darüber sollte man sich nicht wundern. Das Problem besteht eher darin, dass in der Aktionärsstruktur der französische Staat immer noch sehr stark ist, während sich ja der deutsche Staat vor - Augenblick -, vor 15 Jahren aus dem Unternehmen zurückgezogen hat und DaimlerChrysler an die Stelle getreten ist. Wir haben also heute nun eine Schieflage, die privaten Aktionäre haben - im Übrigen auch DaimlerChrysler -, haben im Übrigen ihre Pakete reduziert. Es sind Aktien über die Börsen weggegangen, hauptsächlich über Holland und die Schweiz. Und es ist ja bekannt, dass die Russische Föderation inzwischen über fünf Prozent der Aktien hält. Es ist schwerer zu beurteilen, ob die Franzosen inzwischen noch gleichviel oder -wenig Aktien haben wie Deutschland oder ob diese Balance aus dem Ruder gelaufen ist. Und das wäre wirklich schwierig.
Sagenschneider: Einige plädieren ja nun dafür, dass sich Deutschland stärker engagieren sollte, zum Beispiel über eine Beteiligung der KfW-Bank an EADS. Würden Sie das für eine gute Idee halten?
Voscherau: Also jedenfalls eins geht nicht, dass DaimlerChrysler sein Paket weiter reduziert - diese Absicht besteht ja in einem zweiten Schritt ganz erheblich - und niemand darauf achtet, wohin diese Aktien eigentlich gehen. Denn es ist ja durchaus vorstellbar, dass Paris die Aktien ganz anonym über Börsen aufnimmt und damit den französischen Einfluss gewissermaßen regional, innerhalb Europas verändert, nämlich aufstockt, und dann wird überall die Sense angesetzt. Das wäre schlecht. Insofern glaube ich schon, dass man darauf achten muss, ohne dass ich jetzt ein Modell parat hätte.
Sagenschneider: Ja. Man fragt sich aber, was würde denn ein stärkeres Engagement der KfW-Bank bewirken? Wäre es dann grundsätzlich erst mal leichter, deutsche Privatinvestoren zu finden? Oder was wäre der Vorteil?
Voscherau: Es wäre ein Übergangsmodell, und die KfW müsste dann einige Zeit später, wenn diese Krise überwunden ist, mit einem hohen Zwischengewinn versuchen, die Aktionärsstruktur neu zu ordnen. Meiner Meinung nach kann man nur Geld verdienen, wenn man da jetzt einsteigt. Die Aktie ist unten, die Krise ist noch da, aber es ist natürlich eine Verschiebung, eine temporäre Krise. Die A380 wird ein Riesenerfolg werden, wenn diese technischen Probleme überwunden sind. Und die Aktie wird wie eine Rakete nach oben gehen. Also insofern denke ich, wäre das sogar auch ganz schnöde - Hamburg ist kaufmännisch - gar keine schlechte Idee.
Sagenschneider: Glauben Sie eigentlich, Herr Voscherau, dass dieses Debakel mit dem neuen Airbus, dass das tatsächlich in erster Linie auf Managementfehler zurückzuführen ist, die ja auch zugegeben werden? Oder liegt es schlicht auch an der Tatsache, dass die Produktion an zwei Standorten ja möglicherweise doch keine so gute Idee ist, weil die Koordination dann natürlich immer viel komplizierter ist?
Voscherau: Also Letzteres glaube ich überhaupt nicht. Das ist ein höchst moderner Betrieb, und zwar an allen Standorten. Die sind alle online verbunden. Das sind alles Ingenieure, die verstehen alle von derselben Wissenschaft genauso viel. Das glaube ich alles nicht, sondern möglicherweise ist es so, dass dort Experten fehlen und dass für eine so anspruchsvolle Konstruktionsneuerarbeitung, wie so einen Riesenvogel zu konstruieren, fehlerfrei zu konstruieren, zu wenige hochkarätige Ingenieure da waren. Und da muss vielleicht Herr Jürgen Schrempp in Stuttgart sich an die Brust schlagen, denn der hat ja mal mit einem virtuellen abgewerteten Dollarkurs, der nie entstanden ist, da Hunderte Ingenieure rausgeschmissen, die er ein dreiviertel Jahr später mit dem Lasso wieder einfangen musste. Das sind Langzeitfolgen: Wenn man sich hochkarätiger Experten entledigt, dann hat man sie auch nicht mehr.
Sagenschneider: Der frühere Hamburger Erster Bürgermeister im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen.
Tja, aber was sagt das aus? Auch darüber wollen wir nun hier im Deutschlandradio Kultur mit Henning Voscherau sprechen, dem früheren Ersten Bürgermeister von Hamburg. Guten Morgen, Herr Voscherau!
Henning Voscherau: Guten Morgen!
Sagenschneider: Die Politik war gestern eigentlich ganz zufrieden mit diesen Gesprächen. Zu Recht, weil es ja vielleicht doch erst mal auch darum ging, die Wogen ein wenig zu glätten?
Voscherau: Ich glaube, es ging darum, Wogen zu glätten, und das heißt, man kann sich auf solche Aussage erst verlassen, wenn sie wirklich wirksam beschlossen worden ist. Jetzt also noch nicht.
Sagenschneider: Das heißt, man kann noch nicht darauf vertrauen, dass die Produktion des neuen Airbus in Deutschland nicht angetastet wird?
Voscherau: Ich finde, man soll nicht Öl ins Feuer gießen, aber man muss wachsam bleiben, denn der alte Standortkonflikt gerade um die A380 zwischen Toulouse und Hamburg hat strukturelle Ursachen und ist natürlich keineswegs weg. Es ist durchaus vorstellbar, dass diese A380-Probleme von Toulouse genutzt werden sollen, um etwas zurückzudrehen, was sie von dort aus noch nie wollten, nämlich die Beteiligung eines deutschen Standorts an der Fertigung und Auslieferung des A380.
Sagenschneider: Und wenn das eintritt, dann wäre es für Deutschland oder Hamburg, was sehr treffen würde, dann wäre das für die Stadt ein ziemliches Desaster, oder?
Voscherau: Es wäre ein Trauerspiel, denn da sind ja Milliarden investiert worden - übrigens ja keineswegs nur vom Steuerzahler, sondern auch von dem Unternehmen selbst. Und ich will gar nicht unken, sondern ich setze einfach auf die Kraft, die wirtschaftliche Kraft der Investitionen. Kein Unternehmen der Welt schmeißt so riesige Investitionen einfach auf den Müll. Die Hallen, die da entstanden sind, können ja für kleinere Flugzeuge gar nicht benutzt werden.
Sagenschneider: Finden Sie es eigentlich richtig, dass die Politik sich da jetzt kräftig einmischt oder ist es, genau das eigentlich eher ein Grundproblem von EADS, ja weniger vielleicht von Deutschland als vielmehr von französischer Seite aus, dass es da nun seit Jahren auch ein politisches Gerangel um Posten, um Macht und auch um Einfluss gibt?
Voscherau: Im Hinblick auf den Kollegen in Toulouse und Herrn von Beust in Hamburg würde ich das nicht so sehen. Dass die beide ihre Stadt und deren Strukturen verteidigen, das ist geradezu ihr Job. Also darüber sollte man sich nicht wundern. Das Problem besteht eher darin, dass in der Aktionärsstruktur der französische Staat immer noch sehr stark ist, während sich ja der deutsche Staat vor - Augenblick -, vor 15 Jahren aus dem Unternehmen zurückgezogen hat und DaimlerChrysler an die Stelle getreten ist. Wir haben also heute nun eine Schieflage, die privaten Aktionäre haben - im Übrigen auch DaimlerChrysler -, haben im Übrigen ihre Pakete reduziert. Es sind Aktien über die Börsen weggegangen, hauptsächlich über Holland und die Schweiz. Und es ist ja bekannt, dass die Russische Föderation inzwischen über fünf Prozent der Aktien hält. Es ist schwerer zu beurteilen, ob die Franzosen inzwischen noch gleichviel oder -wenig Aktien haben wie Deutschland oder ob diese Balance aus dem Ruder gelaufen ist. Und das wäre wirklich schwierig.
Sagenschneider: Einige plädieren ja nun dafür, dass sich Deutschland stärker engagieren sollte, zum Beispiel über eine Beteiligung der KfW-Bank an EADS. Würden Sie das für eine gute Idee halten?
Voscherau: Also jedenfalls eins geht nicht, dass DaimlerChrysler sein Paket weiter reduziert - diese Absicht besteht ja in einem zweiten Schritt ganz erheblich - und niemand darauf achtet, wohin diese Aktien eigentlich gehen. Denn es ist ja durchaus vorstellbar, dass Paris die Aktien ganz anonym über Börsen aufnimmt und damit den französischen Einfluss gewissermaßen regional, innerhalb Europas verändert, nämlich aufstockt, und dann wird überall die Sense angesetzt. Das wäre schlecht. Insofern glaube ich schon, dass man darauf achten muss, ohne dass ich jetzt ein Modell parat hätte.
Sagenschneider: Ja. Man fragt sich aber, was würde denn ein stärkeres Engagement der KfW-Bank bewirken? Wäre es dann grundsätzlich erst mal leichter, deutsche Privatinvestoren zu finden? Oder was wäre der Vorteil?
Voscherau: Es wäre ein Übergangsmodell, und die KfW müsste dann einige Zeit später, wenn diese Krise überwunden ist, mit einem hohen Zwischengewinn versuchen, die Aktionärsstruktur neu zu ordnen. Meiner Meinung nach kann man nur Geld verdienen, wenn man da jetzt einsteigt. Die Aktie ist unten, die Krise ist noch da, aber es ist natürlich eine Verschiebung, eine temporäre Krise. Die A380 wird ein Riesenerfolg werden, wenn diese technischen Probleme überwunden sind. Und die Aktie wird wie eine Rakete nach oben gehen. Also insofern denke ich, wäre das sogar auch ganz schnöde - Hamburg ist kaufmännisch - gar keine schlechte Idee.
Sagenschneider: Glauben Sie eigentlich, Herr Voscherau, dass dieses Debakel mit dem neuen Airbus, dass das tatsächlich in erster Linie auf Managementfehler zurückzuführen ist, die ja auch zugegeben werden? Oder liegt es schlicht auch an der Tatsache, dass die Produktion an zwei Standorten ja möglicherweise doch keine so gute Idee ist, weil die Koordination dann natürlich immer viel komplizierter ist?
Voscherau: Also Letzteres glaube ich überhaupt nicht. Das ist ein höchst moderner Betrieb, und zwar an allen Standorten. Die sind alle online verbunden. Das sind alles Ingenieure, die verstehen alle von derselben Wissenschaft genauso viel. Das glaube ich alles nicht, sondern möglicherweise ist es so, dass dort Experten fehlen und dass für eine so anspruchsvolle Konstruktionsneuerarbeitung, wie so einen Riesenvogel zu konstruieren, fehlerfrei zu konstruieren, zu wenige hochkarätige Ingenieure da waren. Und da muss vielleicht Herr Jürgen Schrempp in Stuttgart sich an die Brust schlagen, denn der hat ja mal mit einem virtuellen abgewerteten Dollarkurs, der nie entstanden ist, da Hunderte Ingenieure rausgeschmissen, die er ein dreiviertel Jahr später mit dem Lasso wieder einfangen musste. Das sind Langzeitfolgen: Wenn man sich hochkarätiger Experten entledigt, dann hat man sie auch nicht mehr.
Sagenschneider: Der frühere Hamburger Erster Bürgermeister im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen.