Vorwurf der Schleichwerbung auf Instagram

Der Bundesgerichtshof prüft an der Realität vorbei

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Fröhliche junge Bloggerin, die Videos aufnimmt, während sie zu Hause Inhalte für soziale Netzwerke vorbereitet.
Bei Printmedien konnte man meist noch zwischen Werbung und Inhalt unterscheiden. Bei Influencern, die aus ihren Wohnzimmern senden, ist das nicht so einfach. © imago / Addictive Stock
Ole Nymoen im Gespräch mit Johannes Nichelmann · 31.07.2021
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Der Verband Sozialer Wettbewerb hat vor dem Bundesgerichtshof gegen drei reichweitenstarke Influencer geklagt. Der Vorwurf: Schleichwerbung. Für den Soziologen Ole Nymoen ist- etwa auf Instagram - eine Trennung von Inhalt und Werbung de facto unmöglich.
Was ist nun Inhalt und was ist Werbung? Das ist gerade bei Posts auf sozialen Plattformen wie YouTube, TikTok oder Instagram nur schwer auseinanderzuhalten. Reichweitenstarke Influencer auf diesen Plattformen flechten alles, worüber sie sprechen, also auch Produkte, die sie bewerben, subtil in ihren Alltag ein.
Der Soziologe Ole Nymoen – gemeinsam mit Wolfgang M. Schmidt Autor des Buchs "Influencer – Die Ideologie der Werbekörper" – erklärt: Eine strikte Trennung wie in den Printmedien ist auf diesen Plattformen schlichtweg nicht möglich. Genau dieser Vorwurf aber wird nun vor dem Bundesgerichtshof verhandelt: Schleichwerbung. Geklagt hat der Verband Sozialer Wettbewerb gegen drei reichweitenstarke Influencer, darunter Cathy Hummels.
Noch steht ein Urteil aus, aber der Vorsitzende Richter erklärte bereits bei der mündlichen Verhandlung, dass der Prozess eine grundsätzliche Bedeutung habe. Doch wie will man Schleichwerbung erkennen, wenn influencertypisch keine Trennung möglich ist?

Wahnsinnige Gratwanderung

"Da ist es wahnsinnig schwierig, auseinanderzuhalten: Was ist jetzt gerade Alltag? Benutzen sie das Produkt wirklich? Werden sie für diesen Post bezahlt? Und vielleicht ist es so, dass sie jetzt gerade mal ein Produkt in die Kamera halten, das sie nur von dem Unternehmen zugeschickt bekommen haben, ohne dafür bezahlt zu werden. Ist das aber auch schon fast so eine Art Entlohnung? Das heißt, das ist eine wahnsinnige Gratwanderung. Und von daher ist es relativ schwierig, einheitliche Regelungen zu finden."
Hinzukommt, so Nymoen, dass die zuständigen Behörden "über Jahre hinweg verschlafen haben, dass es da Leute gibt, die einen Beruf ausüben, der mit althergebrachten Berufsbildern gar nichts mehr zu tun hat und den man einfach neu regulieren muss".

Transparenz schaffen durch Kennzeichnung sinnlos

Die von staatlicher Seite versuchte Lösung, Transparenz zu schaffen, indem man Influencer dazu zwingt, Werbung zu kennzeichnen, läuft seiner Ansicht nach ins Leere. Denn das führt dazu, "dass die Influencer sagen: Okay, dann kennzeichnen wir einfach alles als Werbung. Jeder Post wird als Werbung gekennzeichnet. In jeder Story wird einfach Werbung in die Ecke geklatscht, egal ob es stimmt oder nicht. Und dadurch wird die Transparenz nicht mehr, sondern weniger."
Dabei ist die Marktmacht der Influencer nicht zu unterschätzen, wie Nymoen erklärt: Werbung auf diesen Plattformen ist lukrativ, weil einerseits die Zielgruppen klarer definiert sind als bei Tageszeitungen mit relativ großer Streuung und andererseits weil der Erfolg einer Werbekampagne einfacher zu messen ist, beispielsweise über sogenannte Affiliate-Links. So können Unternehmen erkennen, ob Konsumenten über die Webseiten der Influencer bei ihnen landen.
(ckr)
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