Vorratsdatenspeicherung

Gerade noch rechtzeitig gestoppt

Ein Teilnehmer des 30. Chaos Communication Congress (30C3) des Chaos Computer Clubs (CCC) sitzt am 27.12.2013 im Congress Center (CCH) in Hamburg mit seinem Laptop in einem Becken mit weichem Verpackungsmaterial.
Eins ist nun klar: "Die Freiheitswahrnehmung der Bürger darf nicht total erfasst und registriert werden." © dpa / picture alliance / Bodo Marks
Von Falk Steiner, Deutschlandradio Hauptstadtstudio · 08.04.2014
Der grundrechtliche Flaschenhals, durch den eine neue Vorratsdatenspeicherung passen muss, ist nach dem heutigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs äußert eng, kommentiert Falk Steiner. Grundsätzliche Antworten auf die Frage nach der Sicherheit im Internet-Zeitalter fehlten aber nach wie vor.
In unerwarteter Deutlichkeit hat der Europäische Gerichtshof die Richtlinie aus dem Jahr 2006 für ungültig erklärt – rückwirkend zu ihrem Inkrafttreten. Die Gegner feiern das Urteil - zu Recht. Nur all zu sorglos und, das darf man angesichts des Urteilstextes wohl sagen, schlampig von jenen implementiert, die das Interesse der Bevölkerung an einer sicheren Gesellschaft nicht ausreichend mit den Grundrechten abzuwägen bereit waren.
Zwar trat die Grundrechtecharta der Europäischen Union erst nach der Verabschiedung der Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie in Kraft – doch alle Grundrechte, anhand derer das Gericht nun die Ungültigkeit erklärte, waren auch damals schon bekannt und hätten bei der Entstehung berücksichtigt werden müssen.
Die gute Nachricht des Tages lautet daher: Der Europäische Gerichtshof ist auf dem besten Wege, mit seinen Entscheidungen für einen adäquaten Grundrechtsschutz der Bürger Sorge zu tragen. Keineswegs eine Selbstverständlichkeit und das sollte von allen - auch jenen, die gefühlt heute verloren haben - mit Freude gesehen werden.
Auch in der Politik hat das Unbehagen deutlich zugenommen
Im Gegensatz zu Politikern haben Richter den Vorteil, sagen zu dürfen: So geht es nicht, und ob es tatsächlich anders geht, entscheiden wir gegebenenfalls dann, wenn uns eine neue Umsetzung durch die Politik dazu bewegen sollte. Das wissen auch viele in der Politik, auch in den Koalitionsfraktionen in Berlin – in denen das Unbehagen über derartige Datensammlungen deutlich zugenommen hat.
Hinzu kommt, dass das tatsächliche Ausmaß der Vorratsdatenspeicherung in seiner Konsequenz erst heute vielen richtig bewusst wird: Die Alltäglichkeit digitaler Kommunikationsvorgänge war 2006 für viele noch abstrakt. Heute gibt es kaum einen Abgeordneten, der nicht selbst ein Smartphone, ein Tablet und einen Computer aktiv nutzt.
Daher ist es von besonderer Bedeutung, dass für Deutschland gilt, was für Europa so nicht gilt: Die Karlsruher Richter hatten argumentiert, dass, Zitat, „die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf“ - Zitat Ende. Hier laufen zwei Entwicklungen aufeinander zu: Sollte eine neue Vorratsdatenspeicherung kommen, würde sie zwangsläufig in Zukunft ungleich mehr Daten umfassen, da durch die Digitalisierung mehr Daten anfallen. Der grundrechtliche Flaschenhals, durch den eine neue Vorratsdatenspeicherung müsste, ist also äußert eng.
Es wäre also überaus ratsam, wenn sich die nun anstehenden Diskussionen die Akteure auf europäischer wie auf deutscher Ebene nicht auf das Instrument der Vorratsdatenspeicherung beschränkt diskutieren würden. Sondern auch nach anderen Antworten suchten, wie Sicherheit im Internetzeitalter tatsächlich hergestellt werden kann.
Mehr zum Thema