Vorkämpfer gegen die Armut

Von Frank Kempe · 20.08.2012
William Booth war ein Pionier der Sozialarbeit, ein Streiter für christliche Nächstenliebe und soziale Gerechtigkeit. Dem wachsenden sozialen Elend im England des 19. Jahrhunderts trat er mit seiner Heilsarmee entgegen: einer christlichen Freikirche, die er nach militärischem Vorbild organisierte. Am 20. August 1912 starb er in London.
"Den Himmel auf die Erde zu holen, das ist unser Geschäft"

"General" William Booth 1906 in einer Rede vor seinen Heilssoldaten – es ist die einzig erhaltene Tonaufnahme.
Fotos aus dieser Zeit zeigen einen alten, hageren Mann mit schlohweißem Rauschebart, in Frack und Zylinder - eine hoch geachtete Persönlichkeit, nachdem er anfangs mit seiner "Salvation Army" verspottet, ja sogar bekämpft worden war. Heute gehört die Heilsarmee zu den größten Freikirchen der Welt. Reinhold Walz, Divisionsoffizier Nordost der Heilsarmee Deutschland, über die Anfänge:

"Die Arbeit der Heilsarmee begann bezeichnenderweise vor einem Pub in London: 'The blind beggar', 'Der blinde Bettler'. Und so könnte man sagen: Booth hat seine Leute aus Kneipen und unter Brücken rekrutiert. Er hat sich einfach immer um die Randfiguren seiner Zeit gekümmert."

Menschlichem Elend begegnet William Booth schon als Jugendlicher. 1829 in Nottingham geboren, geht er mit 13 Jahren bei einem Pfandleiher in die Lehre. Hungersnöte zwingen damals viele Menschen, ihre letzte Habe zu versetzen. Der eigene Vater, ein kleiner Bauunternehmer, ist ruiniert, verfällt dem Alkohol. William Booth schließt sich einer Methodistengemeinde an und ordnet sein Leben Gott unter.
"Als er etwa 15 Jahre alt war, hat er an einem Sonntag nach einer Predigt, die ihn wohl sehr beeindruckt hat, in einer kleinen Seitenkapelle dieser Kirche gebetet und auf einen kleinen Zettel geschrieben: Alles, was an William Booth ist, soll Gott gehören."

Als Wanderprediger zieht Booth jahrelang durchs Land. Eine Heimat findet er in den Elendsvierteln im Osten Londons. Er predigt in Wirtshäusern, in Zelten oder auf der Straße – bekehrt Trinker, Kriminelle, Prostituierte. 1865 – inzwischen verheiratet – gründet er zusammen mit seiner Frau Catherine die "Ost-Londoner Erweckungsgesellschaft", aus der später die "Heilsarmee" wird – militärisch strukturiert und mit eigener Uniform. "Rettet Seelen, geht dem Schlimmsten nach", befiehlt der General seinen Heilssoldaten – als Christ müsse man Notleidenden bedingungslos helfen:

"Dass sie durch eigene Schuld in diese Lage geraten sind, sagst Du? Vielleicht. Aber das ist kein Grund dafür, ihnen nicht beizustehen. Du forderst doch auch kein Tugendzeugnis, bevor du einen Ertrinkenden aus dem Wasser ziehst. Und auch keine Sicherheit dafür, dass ein Mann seine Miete bezahlt hat, bevor du ihn aus dem brennenden Haus rettest."
Suppe, Seife, Seelenheil – das ist sein Programm. Er lässt Obdachlosenheime und Hospitäler bauen, richtet Suppenküchen ein und kämpft gegen Kinderprostitution. Alkohol und Tabak sind in seiner Gottesarmee verboten. Die Frauen sind gleichberechtigt, dürfen predigen – das ist revolutionär - und auch das Verdienst seiner durchsetzungsstarken Gattin.

"Man spricht nicht umsonst von Catherine Booth als der Mutter der Heilsarmee. Sie hat mit Sicherheit ganz großen Einfluss auf diese Heilsarmee gehabt. Wenn er der General war, dann war sie die Mutter und hat als Mutter agiert."

Nach dem Tod seiner Frau Catherine 1890 stürzt sich William Booth noch mehr in die Arbeit. Seine sozialpolitische Kampfschrift "In darkest England and the way out" – "Im dunkelsten England und der Weg hinaus" verkauft sich hunderttausendfach.
Charles Ives setzt ihm mit dem Streichquartett Nr. 1 - Untertitel "For the Salvation Army" - schon zu Lebzeiten ein Denkmal. 1903 wird Booth von König Edward dem Siebenten empfangen.
Als William Booth am 20. August 1912 stirbt, säumen zehntausende Menschen die Straßen Londons. Sein Sohn Bramwell übernimmt eine Armee mit einer Million Gottessoldaten. Heute ist die "Salvation Army" in 124 Ländern der Erde vertreten, in Deutschland hat sie rund 1.300 eingetragene Mitglieder.