Vorgespult

Jane Austen mit Biss und eine Zukunftsgeschichte

Kate Bekinsdale (r) als Lady Susan Vernon und Chloe Sevigny als Mrs. Alicia Johnson in einer Szene des Films "Love & Friendship"
Kate Bekinsdale (r) als Lady Susan Vernon und Chloe Sevigny als Mrs. Alicia Johnson in einer Szene des Films "Love & Friendship" © BLINDER FILMS CHIC FILMS REVOLVE / France Cinema/dpa
Von Christian Berndt · 28.12.2016
Mit "Love & Friendship" startet erneut eine Jane-Austen-Verfilmung, allerdings eine lohnende: unsentimental umgesetzt, ein Film mit Biss. Außerdem ab Donnerstag im Kino: Xavier Dolans "Einfach das Ende der Welt" und "Baden Baden" von Regisseurin Rachel Lang.

"Love & Friendship" von Regisseur Whit Stillman

England 1790. Lady Susan ist eine junge Witwe, die nicht nur auf die Großzügigkeit anderer Leute angewiesen ist, sondern auch mit einem schlechten Ruf zu kämpfen hat. Der hat sich bis zum Landsitz ihres Schwagers herumgesprochen, wo sie aktuell Unterschlupf sucht:

- "Catherine, ein Brief. Es scheint, als würde uns Lady Susan endlich besuchen."
- "Was? Lady Susan Vermon? Herzlichen Glückwunsch, Ihr empfangt wohl in Kürze die vollendetste Verführerin ganz Englands."
Diese Gerüchte kann Lady Susan überhaupt nicht nachvollziehen, und sie findet es ungerecht, dass Frauen, wie etwa Lady Manwaring, sie hassen:
- "Eine schreckliche Frau.
- "Gewiss."
- "Sie ist irrsinnig. Wenn sie eifersüchtig werden will, darf sie nicht einen solch charmanten Mann heiraten."
Die Jane-Austen-Verfilmung "Love & Friendship" erzählt die Geschichte einer Frau, die sich nimmt, was sie will. Auf dem Landsitz ihres Schwagers hat Lady Susan sofort ein Auge auf den jungen, gutaussehenden Reginald geworfen. Ihre Tochter Frederica dagegen soll einen reichen Trottel heiraten:
- "Sir James Martin ist ein gutherziger, junger Mann…"
- "Aber Mutter, ich sehe, dass Sir James ein sehr gütiger Mann ist, aber eine Ehe ist doch für das ganze Leben."
- "Nicht nach meiner Erfahrung."
Lady Susan, von Kate Beckinsale als schillernd-intelligente Figur gespielt, ist intrigant und manipulativ, aber ihre Motive sind nachvollziehbar. Jane Austen beschreibt in ihrem verblüffend modernen Briefroman eine Gesellschaft, die Frauen dem Willen des Mannes ausliefert. Doch Susan akzeptiert das nicht und übertritt die Regeln. Diesen Selbstbehauptungskampf inszeniert der amerikanische Independent-Regisseur Whit Stillman mit intelligentem Witz, teils überzeichnet, aber treffend, weil man die Figuren glaubwürdig in ihren Zeit-Konventionen gefangen sieht. Mit unsentimentalem Biss sticht "Love & Friendship" aus der Flut von Jane-Austen-Verfilmungen erfrischend heraus.

"Einfach das Ende der Welt" von Regisseur Xavier Dolan

Anders als in "Love & Friendship" führen die Dialoge in der Verfilmung des gleichnamigen, französischen Dramas "Einfach das Ende der Welt" nicht zu Pointen, sondern direkt in die Eskalation. Der 34jährige Louis besucht nach mehr als zwölf Jahren zum ersten Mal seine Familie. Er ist an Aids erkrankt und wird bald sterben, nun will er sich verabschieden. Aber daran ist nicht zu denken, zwischen seinen Geschwistern geht gleich nach seiner Ankunft der Streit los:
- "Scheiße Antoine, ich rede nicht mit dir. Wann hörst du endlich damit auf, uns ständig auf den Keks zu gehen und mich jedes Mal, wen ich rede, zurechtzuweisen?
- "Kinder, hört auf."
- "Hast du gehört, wie sie mit mir redet?"
- "Wie du es verdienst."
- "Willst du vor deinem Bruder cool aussehen? Bist du so, weil er da ist?"
- "Das hat nichts mit Louis zu tun. Warum willst du mich immer demütigen?"
Der kanadische Regie-Jungstar Xavier Dolan inszeniert das starbesetzte Familiendrama nah an den impulsiven Figuren, die man aufbrausen, weinen und schwitzen sieht. Die angespannte Atmosphäre in der Sommerhitze erinnert an Tennessee-Williams-Dramen, es wird viel gestritten, aber das Entscheidende bleibt unausgesprochen. Auch zwischen Mutter und Sohn:
"Warum bist du hier? Mir kannst Du es sagen. Bist aufgestanden und hast dir gesagt: 'Ist zöwlf Jahre her, wie die Zeit vergeht'? Jedenfalls siehst du gut aus, das freut mich."
Es gibt anrührende Momente, aber das Stück rast von Beginn an derart in die Eskalation, dass keine Luft für Entwicklungen zwischen den Figuren bleibt. Das macht "Einfach das Ende der Welt", der in Cannes mit dem großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde, zu einem dauerexplosiven Drama, das wie bei einem Abendessen mit zu üppiger Vorspeise schnell übersättigt.

"Baden Baden" von Regisseurin Rachel Lang

Eher lakonisch als dramatisch erzählt der französisch-belgische Film "Baden Baden" von seiner Heldin. Ana hat gerade ihren Job als Fahrerin bei einem Film-Set verloren. Also nimmt sich die ziellose 26jährige ein neues Projekt vor: Sie will ihrer Oma, die gerade gestürzt ist, eine Dusche bauen. Sie hat keine Ahnung vom Klempnern, aber der Mitarbeiter aus dem Baumarkt stellt sich als Helfer zur Verfügung. Dafür geht sie mit ihm Karaoke singen:
Die französische Regisseurin Rachel Lang schildert Anas Alltag in wunderbar komischen Szenen. Aber sie nimmt ihre Heldin, die Salomé Richard in einer interessanten Mischung aus Selbständigkeit und Überforderung spielt, ernst und zeigt sie als Teil einer weltgewandten, hyper-aktiven Generation, die im Gewirr der Möglichkeiten nach Halt sucht – auch im Liebesleben. Vieles passiert in "Baden Baden" unerwartet spontan, was dieses originelle Filmdebüt zum sehr lebendigen Vergnügen voller Charme und Witz macht.
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