Fantasie, Ruhm und Lügen

Wir empfehlen: Das Roadmovie „Die Karte meiner Träume“ durch ein Fantasie-Amerika von Jean-Pierre Jeunet, eine hinterlistige Doku über die Band „The National“ und die kitschig-charmante Komödie „Die große Versuchung“ von Don McKellar.
„Die Karte meiner Träume“ von Jean Pierre Jeunet
Ein Jean-Pierre-Jeunet-Film nicht als visuelle Überwältigungs-Satire, sondern – das ist das Verblüffende bei Jeunets Film „Die Karte meiner Träume“ – als sehr emotionale, fast leise Geschichte.
„Vorsichtig vor der Mittelmäßigkeit. Sie ist Gift für den Verstand!“
Das Lebenscredo von T.S.‘ Mutter, gespielt von Helena Bonham Carter.
T.S. – grandios dargestellt vom Kyle Cattlet – ist ein hochbegabter Rancher-Sohn aus Montana, der in Washington einen Wissenschaftspreis abholen will, weil er ein Perpetuum Mobile erschaffen hat. Alledings weiß das Smithsonian Institute nicht, dass der geniale Erfinder ein Junge ist.
„Um vier Uhr in der Früh war mein Koffer endlich gepackt.“
Ein 10-Jähriger auf der Reise durchs Land, mit dem Zug, als Hobo. „Die Karte meiner Träume“ – Verfilmung des Bestsellers von Reif Lasen – ist ein Roadmovie durch ein Fantasie-Amerika. Traum des europäischen Filmemachers Jean-Pierre Jeunet. Doch magisch wird dieser Film, weil sich die 3-D-Bilder mit dieser Geschichte seines jungen Helden verbinden, der nicht nur einen großen Koffer bei sich hat, sondern auch die traumatische Erinnerung an den Tod seines Zwilingbruders. Eindrucksvoll, wie Jean-Pierre Jeunet in „Die Karte meiner Träume“ seinen Außenseiterhelden zu einer sehr komplexen Figur macht.
„Mistaken for Strangers“ von Tom Berninger
„The National“, Indie-Rock-Band, besteht aus zwei Brüderpaaren. Der Sänger und Star der Band, Matt Berninger, hat auch einen Bruder.
Matt Berninger: „Er ist neun Jahre jünger als ich und lebt in Cicinnati. Ich glaube, Indie-Rock ist für Tom prätentiöse Scheiße.“
Diesen Bruder und Möchtegern-Filmemacher Tom heuert Matt nun als Roadie für die Welttournee an. Toll, meint Tom, nehme ich meine Kamera mit.
Als die Band dann diese Roadie-Niete rausschmeißt, hat die aber 200 Stunden Filmmaterial aufgenommen. Daraus ist „Mistaken for Strangers“ entstanden. Der Film eines Chaoten, der immer das eigene Gesicht in die Kamera hält.
Und jetzt das Wunder: „Mistaken for Strangers“ ist wunderbar schräg, mitunter saukomisch, eine hinterlistige Doku über den Ruhm.
Denn natürlich kann man sich mit Fug und Recht fragen: Was ist das denn für eine Doku über diese angesagte Indie-Rock-Band, wo am Ende der Star Matt Berninger als Langweiler da steht? Eine Inszenierung, eine Art „Fake Empire“, wie ein „The National“-Song heißt? F wie Fälschung.
Auf alle Fälle ist dieser herrliche Film „Mistaken for Strangers“ ein Hohelied auf skurrile Typen. Auf oder hinter der Bühne.
„Die große Versuchung“ von Don McKellar
Eine skurrile Kino-Figur, das könnte – Achtung! Konjunktiv! –, das könnte auch Murray aus „Die große Versuchung“ sein, der bemüht ist, sein Fischerdorf an der kanadischen Küste vor dem Niedergang zu bewahren, indem er...
„Wir haben genau einen Monat, in dem wir den Doktor dazu kriegen, länger hier zu bleiben.“
... indem er auf Biegen und Brechen versucht, einen Arzt in die Öde zu locken, denn:
„Kein Doktor, keine Fabrik!“
Sagen die zukünftigen Fischfabrik-Betreiber. Ob das gut geht? Wird es! Oder muss wohl. Denn „Die große Versuchung“ ist voll von „Local Hero“- oder „Lange lebe Ned Divine“-Klischees über verschmitzte Dörfler. Trotzdem wird man auf der Suche nach dem schrägen (Kino)Helden nicht enttäuscht. Denn Brendan Gleeson als Murray ist einmal wieder grandios, wenn er alle Tricks anwendet, um den Arzt zu halten.
„Ich frage ja nur, ob es im Bereich des Möglichen liegt, ob du diesem Doktor mal schöne Augen machst.“
Brendan Gleeson ist es zu verdanken, dass „Die Große Versuchung“ vorhersehbar, kitschig, aber eben auch vergnüglich und charmant ist.