Vorbildlich haushalten
Angesichts der neu entfachten Energiedebatte auf Bundesebene richtet sich der Blick auf das „Bioenergiedorf Mauenheim“ bei Immendingen. Die rund 100 Einwohner der ersten energieautarken Gemeinde Baden-Württembergs versorgen sich ausschließlich aus eigenen, regenerativen Energiequellen. Das Dorf nutzt die Abwärme einer Biogasanlage und verheizt Holzhackschnitzel. Über verschiedene Fotovoltaikanlagen produziert die Dorfgemeinschaft schon heute das Vierfache des eigenen Strombedarfs, wird also künftig Energie „exportieren“.
Das lauschige Örtchen Mauenheim im nördlichen Hegau – ein Gemeinde wie aus dem Bilderbuch: Am Marktplatz plätschert ein Brunnen, nebenan Kirche und Dorfkneipe, alte Gutshöfe. Kaum eine Menschenseele ist auf den Straßen zu sehen – kein Café, kein Kiosk, kein Supermarkt, nur ein altes Gemeindehaus und viele Katzen, die sich verträumt in der Wintersonne räkeln. Ein typischer „Schlaf-Ort“, heißt es in den Nachbargemeinden, ein Ort „für die Nacht“; tagsüber zieht es die Menschen raus zum Arbeiten nach Singen oder Tuttlingen. Doch „hinterwäldlerisch“ ist Mauenheim nur auf den ersten Blick – die Moderne hat in dem 400-Seelen-Dorf längst Einzug gehalten. In Mauenheim tanzt der Bär“ – nicht auf dem Parkett, sondern in Form von Watt und Ampere.
„Und? habt ihr’s warm? Klar – haben wir’s warm!“
Die neue Begrüßungsformel unter den Nachbarn. Seitdem vor Monaten eine neue Energietechnik das Dorfleben sukzessive revolutionierte.
Die Stromversorgung ist gesichert, ohne dass ein großer Energieversorger seine Finger im Spiel hätte. Denn Mauenheim lebt energieautark. Produziert selbst soviel Strom und Wärme, wie es theoretisch zur Versorgung der 100 Häuser braucht. Mehr noch: Beim Strom ist Mauenheim Exporteur, kann drei Dörfer gleicher Größe mitversorgen. Ein Umstand, auf den Paul Schilling und seine Nachbarin stolz sind, zumal es sich um „saubere Energie“ handelt, aus heimischen regenerativen Quellen:
„Ich bin dabei und bin überrascht, dass es so gut läuft. Also jetzt bei der Witterung läuft die Anlage also super. Von daher – nur pro! Wirklich. Das ist ´ne super Sache, sag ich.“
„Also wir konnten eigentlich keinen Unterschied feststellen zur bisherigen Heizungsanlage. Es wurde mollig warm und somit war für uns klar, das es in Ordnung ist.“
Auch finanziell lohne sich die Umstellung auf die Öko-Wärme, erzählen die Bürger. Der Geldbeutel seiner Familie werde so deutlich entlastet, rechnet Harald Leiber vor:
„Heizöl ist eigentlich ein Rohstoff, der immer teurer wird. Von 1996 bis 2005 eine Preissteigerung von über 150 Prozent! Und das war mitunter auch ein Grund, warum wir gesagt haben, ja, wir wollen bei dem Projekt mitmachen. Weil von vornherein haben die einen Preis festgesetzt! Der liegt bei 49 Euro pro Megawatt-Stunde. Und so kannst du dir ausrechnen, was du in 10 Jahren zahlst und in 20 Jahren. Und diese Preisstabilität – wo haben Sie die bei Gas oder Heizöl? Das haben Sie nirgends!“
Die meisten Mauenheimer Familien hatten früher Ölkessel im Keller stehen oder Nachtspeicherheizungen in der Wohnung. Fast alle landeten auf dem Müll. Kompakte Wärmetauscher haben den Platz der alten Apparaturen eingenommen. Gespeist werden sie über ein vier Kilometer langes Nahwärmenetz, an das zwei Drittel aller Gebäude im Dorf angeschlossen sind. Einfamilienhäuser genauso wie das alte Rathaus oder die Mehrzweckhalle. Zur Freude der Bürger gab’s die neue Technik und auch den Anschluss dafür völlig kostenlos.
Das Nahwärmenetz endet auf einem kleinen Hügel am Ortsrand. Hier steht der Kuhstall von Landwirt Horst Keller, einem der drei Hauptakteure im Bio-Energie-Dorf Mauenheim. Er tat sich mit Kollegen vor drei Jahren zusammen, um den großen Energiekonzernen die Stirn zu bieten und der Umwelt etwas Gutes zu tun. Der Bio-Bauer bei der Arbeit:
„Das sind jetzt die Kühe, die kleine Kälber haben. Die kleinen Kälber können hinten liegen, im Kindergarten, sagen wir immer so schön. Und die haben da richtig Auslauf. Die können da die ganze Länge vom Stall nutzen, hin und her springen. Und die Kühe können vorne liegen. Und wenn die Kälber Durst haben, und sie wollen bei der Kuh saugen, dann kommen sie gerade unter diesen Rohren vor und sind dann bei der Mutter.“
Der Öko-Bauer führt einen Mastbetrieb und verkauft das Fleisch seiner insgesamt 230 Rinder und Kühe an einen Metzger. Interessant sind für den Landwirt aber auch die „Hinterlassenschaften“ seiner Rindviecher. Denn was die Tiere fallen lassen, ist kein Abfallprodukt, sondern ein wertvoller Rohstoff. 30 Tonnen Mist kutschiert Horst Müller Woche für Woche zur nahen Biogasanlage – dem Herzstück der neuen Versorgungseinrichtungen. Die Anlage produziert über ein Blockheizkraftwerk Strom und Abwärme. Zweimal täglich landet der Dung –vermischt mit anderen tonnenschweren Materialien- in einem so genannten „Fermenter“, einem riesigen Gärbehälter aus Beton. Methan-Bakterien sorgen darin für die Zersetzung des meterdicken Bio-Substrats.
„Für die Biologie ist es wichtig, dass da Rindermist dazu kommt, weil die Methan-Bakterien, die nachher dieses Biogas bilden, die sind im Rindermist schon enthalten. Und dann haben die da schon Verbündete. Und dann tun sich die Methan-Bakterien leichter, sich zu vermehren.“
Außer Kuhdung landen so genannte „Silagen“ in der Gäranlage. Eingelagertes, konserviertes Pflanzenmaterial: Gräser, Feldkräuter und speziell entwickelter „Energie-Roggen“. Getreide, das Landwirt Erich Henninger – Ortsvorsteher und zweiter Öko-Pionier von Mauenheim – auf 70 Hektar rund um das Dorf anbaut.
„Der Energie-Roggen hat – wenn man sich das so vorstellen kann – einen kleineren Kern. Also der ist nicht gezüchtet speziell auf eine gute Kornausbeute, wie beim normalen Roggen, wo man nachher Brot machen will oder Mehl machen will, sondern auf mehr Pflanzenmasse.“
Erich Henninger hat die Marschroute auf seinem Hof gänzlich geändert. Um das Energie-Projekt voranzutreiben, hat der Bauer sich aus der konventionellen Landwirtschaft völlig zurückgezogen. Aus dem Landwirt ist ein „Energiewirt“ geworden, mit neuen Berufsperspektiven:
„Wir hatten bisher auf dem europäischen Markt immer zu kämpfen mit den Preisen. Jedes Jahr bekommen wir weniger Auszahlung für unsere Produkte. Die Ansprüche werden immer größer. Wir mussten immer mehr machen und immer mehr kämpfen, dass irgendwo noch was hängen bleibt am Hektar. Und somit ist doch das Ganze besser geworden, kann man besser planen.“
Zusammen mit Horst Keller kümmert sich Erich Henninger um den laufenden Betrieb der Biogasanlage. Kippt morgens und abends tonnenschweren Nachschub in den Trichter, inspiziert den Gärvorgang im Inneren. So auch jetzt:
„Ach, da sind dann so Bullaugen!“
„Ich mach´ hier mal Licht. Und dann können Sie auf der anderen Seite mal reingucken. Dann sehen Sie die Gülleoberfläche mit lauter Blasen.“
„Sieht richtig schön schmierig und schleimig aus!“
„So soll es auch sein! Wenn es so richtig schmierig und schleimig ist und wenn die Oberfläche besiedelt ist mit Blasen, dann sind wir froh, dann entsteht Gas!“
Durch eine unterirdische Leitung strömt das Gas in das Blockheizkraftwerk. Hier treibt es einen schweren Dieselmotor an, der die Energie über einen Generator in Strom umsetzt. Und das nicht zu knapp: Satte zwei Millionen Kilowattstunden Strom produziert die Anlage im Jahr, genug für den Energiebedarf von vier Dörfern so groß wie Mauenheim. Als Nebenprodukt gibt der Motor Wärme ab. Heiße Luft, die durch das Nahwärmenetz in die Haushalte gelangt. In Spitzenzeiten allerdings, wie im Winter – wenn besonders viel Energie in den Häusern gebraucht wird – reichen die Kapazitäten der Biogasanlage nicht aus. Eine andere Technik muss für zusätzliche Heizwärme sorgen. Ein Holzhack-Schnitzelwerk, in dem fingergroße Holzreste aus den umliegenden Gemeindewäldern verfeuert werden. Bene Müller ist der Geschäftsführer von „Solarkomplex“, dem Unternehmen, das Gesamtkonzeption des Bio-Energie-Dorfes Mauenheim auf die Beine stellte:
„Ich muss auf jeden Fall zwei unabhängige Wärmequellen haben, die sich ergänzen. Wir können die Biogasanlage als Grundlast einsetzen, können im Sommer und in der Übergangszeit den Ort komplett versorgen über die Biogasanlage. Aber im Winterquartal brauchen wir noch eine Spitzenlastheizung und das ist eben hier der große Holzhackschnitzel-Kessel mit einem Megawatt Leistung. Der Kessel ist so ausgelegt, dass er zur Not den Ort komplett alleine versorgen kann.“
Technik ist teuer. Die Gesamtkosten des Projekts liegen bei satten 2,3 Millionen Euro: Biogasanlage mit Blockheizkraftwerk, der Holzhackschnitzel-Kessel, das Nahwärmenetz, die Wärmeaustauscher in den Häusern. Dies alles finanziell zu stemmen, entpuppte sich als große Hürde, erzählt Horst Keller. Die Last musste auf viele Schultern verteilt werden. Außerdem galt es Überzeugungsarbeit zu leisten in den politischen Gremien und bei den Bürgern:
„Ich denk das Klappern war anfangs, dass wir von Haus zu Haus gingen. Dass man da geklingelt hat und gesagt hat: Wir haben da was vor, können Sie sich vorstellen, dass Sie von uns die Wärme wollen. Das war das erste Klappern. Das zweite Klappern, was noch viel schlimmer war – und da wäre das Projekt auch fast gescheitert- war – weil wir ja Kommanditisten gesucht haben, also Menschen, die sich mit einer Einlage hier am Projekt beteiligen. Und wir wollten in Mauenheim 200.000 Euro einsammeln. Da sind wir weit von entfernt gewesen, und da haben wir dann die Kontakte spielen lassen. Über die Umweltverbände, BUND und NABU, und ich habe sehr gute Kontakte zur GLS-Bank in Stuttgart. Das ist eine gemeinnützige orientierte Bank, die ohne Gewinne arbeitet und die hat dann deutschlandweit gestreut und hat das ihren Kunden wiederum als Geldanlage angeboten. Und dann haben wir innerhalb von sechs bis acht Wochen die Euro, die gefehlt haben, noch mal gesammelt.“
Die Initiatoren verdienen nun an der Heizwärme, für die die Bürger zahlen – und am Strom, der ins öffentliche Netz eingespeist wird. Die Vergütungssätze regelt ein Gesetz der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung. Das „Erneuerbare Energien-Gesetz“ aus dem Jahr 2000. Ohne dieses Gesetz, so der Jurist und Mitinitiator Jörg Dürr-Pucher, wäre das Projekt nie zustande gekommen. Nur die günstigen politischen Rahmenbedingungen würden dafür sorgen, dass sich das Konzept in absehbarer Zeit amortisiere. Am meisten freut den ambitionierten Umweltschützer aber die insgesamt positive Ökobilanz – vor allem beim „Klimakiller“ Kohlendioxid:
„Es sind wohl 2000 Tonnen pro Jahr, die ersetzt werden. Das könnten auch mehr sein, weil wir ja nicht nur den Strom ersetzen, sondern weil wir auch 200.000 Liter Heizöl pro Jahr in Mauenheim ersetzen. Das müssen wir hinterher mal ausrechnen. Das ist auf jeden Fall beträchtlich.“
„Das war ein Grundgedanke, dass wir das überhaupt machen. Also der ökologische Gedanke steht bei uns sowieso im Vordergrund. Ob das Stromerzeugung ist oder Wärmeerzeugung, das ist ziemlich CO2-neutral.“
... pflichtet ihm Kollege Erich Henninger bei. Konzeptentwickler Bene Müller betont den Modellcharakter des Bio-Energie-Dorfes:
„Uns war es wichtig, mal den Nachweis zu erbringen, dass es funktioniert. Denn, ich glaube, dass wir bezüglich der erneuerbaren Energien noch erhebliche psychologische Hemmnisse haben. Und bevor wir nicht glauben, dass so was funktioniert, werden wir uns nicht kollektiv auf den Weg machen. Mauenheim hat ja überhaupt keine besonderen Vorzüge, die es jetzt von anderen Gemeinden unterscheiden würde. Im Gegenteil – wenn ich das so salopp sagen darf – es ist eine stinknormale Gemeinde im ländlichen Raum und insofern kann man das sicherlich auf mehrere hundert Dörfer in Baden-Württemberg übertragen. Nicht auf die großen städtischen Ballungsräume, da muss man andere Konzepte verfolgen. Aber Baden-Württemberg ist nun mal zu zwei Dritteln ländlicher Raum und da können wir mit diesen Konzepten arbeiten.“
Eine Botschaft, die bei der Landesregierung in Baden-Württemberg angekommen ist. Sie preist das Projekt – wie auch unabhängige Umweltverbände – in höchsten Tönen und denkt über zusätzliche Fördermöglichkeiten nach. Schon in wenigen Wochen sollen Konzepte für zinsgünstige Darlehen und finanzielle Zuschüsse auf dem Tisch liegen, verspricht Landwirtschaftsminister Peter Hauk und stellt klar:
„Wir sehen unsere Zukunft in der Förderung der Bio-Energie aus landwirtschaftlichen und waldwirtschaftlichen Rohstoffen. Dort haben wir genügend Potenziale und diese Potenziale, die gilt es zu nutzen. Und ich sehe eigentlich in den nächsten zwei drei Jahren gute Chancen, dass wir im Bereich der Bio-Energie deutschlandweit die Führerschaft gewinnen.“
Mauenheim sei eine wichtige Etappe auf diesem Weg, so der Minister, für die es nun –auch auf Landesebene- die Werbetrommel zu rühren gilt:
„Wir müssen natürlich die Kommunen ermuntern, Kommunalpolitiker und Bürgermeister, solche Schritte zu tun. Und dazu ist viel Aufklärung notwendig, Information notwendig. Wir haben jetzt in Baden-Württemberg ein Beispiel, nämlich Mauenheim, dass es nicht nur funktionieren kann, sondern dass es funktioniert! Und das werden wir in Baden-Württemberg jetzt als Best-Practice Beispiel einführen. Und ich hoffe, dass es viele Nachahmer findet.“
Das Interesse scheint jetzt schon riesig groß. Mehrfach am Tag kämen Anfragen aus dem gesamten Bundesgebiet, heißt es aus der Gemeindeverwaltung. Sogar Delegationen aus England und China hätten die Energie-Anlagen in Mauenheim bereits unter die Lupe genommen. In Lippertsreute am Bodensee wird im kommenden Jahr ein weiteres Bio-Energie-Dorf entstehen, der Gemeinderat hat bereits zugestimmt. Und die Mauenheimer Pioniere haben sich längst zu gefragten Sachverständigen entwickelt, die überall im Land herumtingeln, um ihr Erfolgsmodell an den Mann zu bringen. Jörg Dürr-Pucher:
„Mein persönliches Ziel ist, dass wir die Bio-Energie-Dörfer deutschlandweit, europaweit zum Durchbruch bringen. Ich persönlich hätte gerne 1000 Bio-Energie-Dörfer in zehn Jahren in Deutschland. Wir hoffen, dass da eine richtige Massenbewegung draus wird. Unser bester Verbündeter ist Herr Putin, weil immer dann, wenn der den Gashahn abdreht, denken die Leute über unser Thema nach. Wir werden Arbeitsplätze schaffen, wir werden Investitionen haben. 2,3 Millionen in einem 400Einwohner-Dorf, ich glaube, das ist ein Wort. Das hat es vielleicht mal gegeben, als man im Mittelalter die Kirche gebaut hat. Das sind sozusagen die dörflichen Kathedralen der Zukunft hier.“
„Und? habt ihr’s warm? Klar – haben wir’s warm!“
Die neue Begrüßungsformel unter den Nachbarn. Seitdem vor Monaten eine neue Energietechnik das Dorfleben sukzessive revolutionierte.
Die Stromversorgung ist gesichert, ohne dass ein großer Energieversorger seine Finger im Spiel hätte. Denn Mauenheim lebt energieautark. Produziert selbst soviel Strom und Wärme, wie es theoretisch zur Versorgung der 100 Häuser braucht. Mehr noch: Beim Strom ist Mauenheim Exporteur, kann drei Dörfer gleicher Größe mitversorgen. Ein Umstand, auf den Paul Schilling und seine Nachbarin stolz sind, zumal es sich um „saubere Energie“ handelt, aus heimischen regenerativen Quellen:
„Ich bin dabei und bin überrascht, dass es so gut läuft. Also jetzt bei der Witterung läuft die Anlage also super. Von daher – nur pro! Wirklich. Das ist ´ne super Sache, sag ich.“
„Also wir konnten eigentlich keinen Unterschied feststellen zur bisherigen Heizungsanlage. Es wurde mollig warm und somit war für uns klar, das es in Ordnung ist.“
Auch finanziell lohne sich die Umstellung auf die Öko-Wärme, erzählen die Bürger. Der Geldbeutel seiner Familie werde so deutlich entlastet, rechnet Harald Leiber vor:
„Heizöl ist eigentlich ein Rohstoff, der immer teurer wird. Von 1996 bis 2005 eine Preissteigerung von über 150 Prozent! Und das war mitunter auch ein Grund, warum wir gesagt haben, ja, wir wollen bei dem Projekt mitmachen. Weil von vornherein haben die einen Preis festgesetzt! Der liegt bei 49 Euro pro Megawatt-Stunde. Und so kannst du dir ausrechnen, was du in 10 Jahren zahlst und in 20 Jahren. Und diese Preisstabilität – wo haben Sie die bei Gas oder Heizöl? Das haben Sie nirgends!“
Die meisten Mauenheimer Familien hatten früher Ölkessel im Keller stehen oder Nachtspeicherheizungen in der Wohnung. Fast alle landeten auf dem Müll. Kompakte Wärmetauscher haben den Platz der alten Apparaturen eingenommen. Gespeist werden sie über ein vier Kilometer langes Nahwärmenetz, an das zwei Drittel aller Gebäude im Dorf angeschlossen sind. Einfamilienhäuser genauso wie das alte Rathaus oder die Mehrzweckhalle. Zur Freude der Bürger gab’s die neue Technik und auch den Anschluss dafür völlig kostenlos.
Das Nahwärmenetz endet auf einem kleinen Hügel am Ortsrand. Hier steht der Kuhstall von Landwirt Horst Keller, einem der drei Hauptakteure im Bio-Energie-Dorf Mauenheim. Er tat sich mit Kollegen vor drei Jahren zusammen, um den großen Energiekonzernen die Stirn zu bieten und der Umwelt etwas Gutes zu tun. Der Bio-Bauer bei der Arbeit:
„Das sind jetzt die Kühe, die kleine Kälber haben. Die kleinen Kälber können hinten liegen, im Kindergarten, sagen wir immer so schön. Und die haben da richtig Auslauf. Die können da die ganze Länge vom Stall nutzen, hin und her springen. Und die Kühe können vorne liegen. Und wenn die Kälber Durst haben, und sie wollen bei der Kuh saugen, dann kommen sie gerade unter diesen Rohren vor und sind dann bei der Mutter.“
Der Öko-Bauer führt einen Mastbetrieb und verkauft das Fleisch seiner insgesamt 230 Rinder und Kühe an einen Metzger. Interessant sind für den Landwirt aber auch die „Hinterlassenschaften“ seiner Rindviecher. Denn was die Tiere fallen lassen, ist kein Abfallprodukt, sondern ein wertvoller Rohstoff. 30 Tonnen Mist kutschiert Horst Müller Woche für Woche zur nahen Biogasanlage – dem Herzstück der neuen Versorgungseinrichtungen. Die Anlage produziert über ein Blockheizkraftwerk Strom und Abwärme. Zweimal täglich landet der Dung –vermischt mit anderen tonnenschweren Materialien- in einem so genannten „Fermenter“, einem riesigen Gärbehälter aus Beton. Methan-Bakterien sorgen darin für die Zersetzung des meterdicken Bio-Substrats.
„Für die Biologie ist es wichtig, dass da Rindermist dazu kommt, weil die Methan-Bakterien, die nachher dieses Biogas bilden, die sind im Rindermist schon enthalten. Und dann haben die da schon Verbündete. Und dann tun sich die Methan-Bakterien leichter, sich zu vermehren.“
Außer Kuhdung landen so genannte „Silagen“ in der Gäranlage. Eingelagertes, konserviertes Pflanzenmaterial: Gräser, Feldkräuter und speziell entwickelter „Energie-Roggen“. Getreide, das Landwirt Erich Henninger – Ortsvorsteher und zweiter Öko-Pionier von Mauenheim – auf 70 Hektar rund um das Dorf anbaut.
„Der Energie-Roggen hat – wenn man sich das so vorstellen kann – einen kleineren Kern. Also der ist nicht gezüchtet speziell auf eine gute Kornausbeute, wie beim normalen Roggen, wo man nachher Brot machen will oder Mehl machen will, sondern auf mehr Pflanzenmasse.“
Erich Henninger hat die Marschroute auf seinem Hof gänzlich geändert. Um das Energie-Projekt voranzutreiben, hat der Bauer sich aus der konventionellen Landwirtschaft völlig zurückgezogen. Aus dem Landwirt ist ein „Energiewirt“ geworden, mit neuen Berufsperspektiven:
„Wir hatten bisher auf dem europäischen Markt immer zu kämpfen mit den Preisen. Jedes Jahr bekommen wir weniger Auszahlung für unsere Produkte. Die Ansprüche werden immer größer. Wir mussten immer mehr machen und immer mehr kämpfen, dass irgendwo noch was hängen bleibt am Hektar. Und somit ist doch das Ganze besser geworden, kann man besser planen.“
Zusammen mit Horst Keller kümmert sich Erich Henninger um den laufenden Betrieb der Biogasanlage. Kippt morgens und abends tonnenschweren Nachschub in den Trichter, inspiziert den Gärvorgang im Inneren. So auch jetzt:
„Ach, da sind dann so Bullaugen!“
„Ich mach´ hier mal Licht. Und dann können Sie auf der anderen Seite mal reingucken. Dann sehen Sie die Gülleoberfläche mit lauter Blasen.“
„Sieht richtig schön schmierig und schleimig aus!“
„So soll es auch sein! Wenn es so richtig schmierig und schleimig ist und wenn die Oberfläche besiedelt ist mit Blasen, dann sind wir froh, dann entsteht Gas!“
Durch eine unterirdische Leitung strömt das Gas in das Blockheizkraftwerk. Hier treibt es einen schweren Dieselmotor an, der die Energie über einen Generator in Strom umsetzt. Und das nicht zu knapp: Satte zwei Millionen Kilowattstunden Strom produziert die Anlage im Jahr, genug für den Energiebedarf von vier Dörfern so groß wie Mauenheim. Als Nebenprodukt gibt der Motor Wärme ab. Heiße Luft, die durch das Nahwärmenetz in die Haushalte gelangt. In Spitzenzeiten allerdings, wie im Winter – wenn besonders viel Energie in den Häusern gebraucht wird – reichen die Kapazitäten der Biogasanlage nicht aus. Eine andere Technik muss für zusätzliche Heizwärme sorgen. Ein Holzhack-Schnitzelwerk, in dem fingergroße Holzreste aus den umliegenden Gemeindewäldern verfeuert werden. Bene Müller ist der Geschäftsführer von „Solarkomplex“, dem Unternehmen, das Gesamtkonzeption des Bio-Energie-Dorfes Mauenheim auf die Beine stellte:
„Ich muss auf jeden Fall zwei unabhängige Wärmequellen haben, die sich ergänzen. Wir können die Biogasanlage als Grundlast einsetzen, können im Sommer und in der Übergangszeit den Ort komplett versorgen über die Biogasanlage. Aber im Winterquartal brauchen wir noch eine Spitzenlastheizung und das ist eben hier der große Holzhackschnitzel-Kessel mit einem Megawatt Leistung. Der Kessel ist so ausgelegt, dass er zur Not den Ort komplett alleine versorgen kann.“
Technik ist teuer. Die Gesamtkosten des Projekts liegen bei satten 2,3 Millionen Euro: Biogasanlage mit Blockheizkraftwerk, der Holzhackschnitzel-Kessel, das Nahwärmenetz, die Wärmeaustauscher in den Häusern. Dies alles finanziell zu stemmen, entpuppte sich als große Hürde, erzählt Horst Keller. Die Last musste auf viele Schultern verteilt werden. Außerdem galt es Überzeugungsarbeit zu leisten in den politischen Gremien und bei den Bürgern:
„Ich denk das Klappern war anfangs, dass wir von Haus zu Haus gingen. Dass man da geklingelt hat und gesagt hat: Wir haben da was vor, können Sie sich vorstellen, dass Sie von uns die Wärme wollen. Das war das erste Klappern. Das zweite Klappern, was noch viel schlimmer war – und da wäre das Projekt auch fast gescheitert- war – weil wir ja Kommanditisten gesucht haben, also Menschen, die sich mit einer Einlage hier am Projekt beteiligen. Und wir wollten in Mauenheim 200.000 Euro einsammeln. Da sind wir weit von entfernt gewesen, und da haben wir dann die Kontakte spielen lassen. Über die Umweltverbände, BUND und NABU, und ich habe sehr gute Kontakte zur GLS-Bank in Stuttgart. Das ist eine gemeinnützige orientierte Bank, die ohne Gewinne arbeitet und die hat dann deutschlandweit gestreut und hat das ihren Kunden wiederum als Geldanlage angeboten. Und dann haben wir innerhalb von sechs bis acht Wochen die Euro, die gefehlt haben, noch mal gesammelt.“
Die Initiatoren verdienen nun an der Heizwärme, für die die Bürger zahlen – und am Strom, der ins öffentliche Netz eingespeist wird. Die Vergütungssätze regelt ein Gesetz der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung. Das „Erneuerbare Energien-Gesetz“ aus dem Jahr 2000. Ohne dieses Gesetz, so der Jurist und Mitinitiator Jörg Dürr-Pucher, wäre das Projekt nie zustande gekommen. Nur die günstigen politischen Rahmenbedingungen würden dafür sorgen, dass sich das Konzept in absehbarer Zeit amortisiere. Am meisten freut den ambitionierten Umweltschützer aber die insgesamt positive Ökobilanz – vor allem beim „Klimakiller“ Kohlendioxid:
„Es sind wohl 2000 Tonnen pro Jahr, die ersetzt werden. Das könnten auch mehr sein, weil wir ja nicht nur den Strom ersetzen, sondern weil wir auch 200.000 Liter Heizöl pro Jahr in Mauenheim ersetzen. Das müssen wir hinterher mal ausrechnen. Das ist auf jeden Fall beträchtlich.“
„Das war ein Grundgedanke, dass wir das überhaupt machen. Also der ökologische Gedanke steht bei uns sowieso im Vordergrund. Ob das Stromerzeugung ist oder Wärmeerzeugung, das ist ziemlich CO2-neutral.“
... pflichtet ihm Kollege Erich Henninger bei. Konzeptentwickler Bene Müller betont den Modellcharakter des Bio-Energie-Dorfes:
„Uns war es wichtig, mal den Nachweis zu erbringen, dass es funktioniert. Denn, ich glaube, dass wir bezüglich der erneuerbaren Energien noch erhebliche psychologische Hemmnisse haben. Und bevor wir nicht glauben, dass so was funktioniert, werden wir uns nicht kollektiv auf den Weg machen. Mauenheim hat ja überhaupt keine besonderen Vorzüge, die es jetzt von anderen Gemeinden unterscheiden würde. Im Gegenteil – wenn ich das so salopp sagen darf – es ist eine stinknormale Gemeinde im ländlichen Raum und insofern kann man das sicherlich auf mehrere hundert Dörfer in Baden-Württemberg übertragen. Nicht auf die großen städtischen Ballungsräume, da muss man andere Konzepte verfolgen. Aber Baden-Württemberg ist nun mal zu zwei Dritteln ländlicher Raum und da können wir mit diesen Konzepten arbeiten.“
Eine Botschaft, die bei der Landesregierung in Baden-Württemberg angekommen ist. Sie preist das Projekt – wie auch unabhängige Umweltverbände – in höchsten Tönen und denkt über zusätzliche Fördermöglichkeiten nach. Schon in wenigen Wochen sollen Konzepte für zinsgünstige Darlehen und finanzielle Zuschüsse auf dem Tisch liegen, verspricht Landwirtschaftsminister Peter Hauk und stellt klar:
„Wir sehen unsere Zukunft in der Förderung der Bio-Energie aus landwirtschaftlichen und waldwirtschaftlichen Rohstoffen. Dort haben wir genügend Potenziale und diese Potenziale, die gilt es zu nutzen. Und ich sehe eigentlich in den nächsten zwei drei Jahren gute Chancen, dass wir im Bereich der Bio-Energie deutschlandweit die Führerschaft gewinnen.“
Mauenheim sei eine wichtige Etappe auf diesem Weg, so der Minister, für die es nun –auch auf Landesebene- die Werbetrommel zu rühren gilt:
„Wir müssen natürlich die Kommunen ermuntern, Kommunalpolitiker und Bürgermeister, solche Schritte zu tun. Und dazu ist viel Aufklärung notwendig, Information notwendig. Wir haben jetzt in Baden-Württemberg ein Beispiel, nämlich Mauenheim, dass es nicht nur funktionieren kann, sondern dass es funktioniert! Und das werden wir in Baden-Württemberg jetzt als Best-Practice Beispiel einführen. Und ich hoffe, dass es viele Nachahmer findet.“
Das Interesse scheint jetzt schon riesig groß. Mehrfach am Tag kämen Anfragen aus dem gesamten Bundesgebiet, heißt es aus der Gemeindeverwaltung. Sogar Delegationen aus England und China hätten die Energie-Anlagen in Mauenheim bereits unter die Lupe genommen. In Lippertsreute am Bodensee wird im kommenden Jahr ein weiteres Bio-Energie-Dorf entstehen, der Gemeinderat hat bereits zugestimmt. Und die Mauenheimer Pioniere haben sich längst zu gefragten Sachverständigen entwickelt, die überall im Land herumtingeln, um ihr Erfolgsmodell an den Mann zu bringen. Jörg Dürr-Pucher:
„Mein persönliches Ziel ist, dass wir die Bio-Energie-Dörfer deutschlandweit, europaweit zum Durchbruch bringen. Ich persönlich hätte gerne 1000 Bio-Energie-Dörfer in zehn Jahren in Deutschland. Wir hoffen, dass da eine richtige Massenbewegung draus wird. Unser bester Verbündeter ist Herr Putin, weil immer dann, wenn der den Gashahn abdreht, denken die Leute über unser Thema nach. Wir werden Arbeitsplätze schaffen, wir werden Investitionen haben. 2,3 Millionen in einem 400Einwohner-Dorf, ich glaube, das ist ein Wort. Das hat es vielleicht mal gegeben, als man im Mittelalter die Kirche gebaut hat. Das sind sozusagen die dörflichen Kathedralen der Zukunft hier.“