Vorbereitung auf die großen Konzerthallen
80 Knaben und junge Männer singen im Knabenchor der schleswig-holsteinischen Kleinstadt Uetersen. Das Repertoire reicht von klassischer Musik bis Jazz und Pop. Damit heimsten die Chorknaben diverse Preise ein.
Also sonst, zu Hause, in der Freizeit, sagt Leon, zwölf Jahre alt, zu Hause hört er am liebsten …
"… Green Day"."
Und Lennart, 14, steht zurzeit auf:
""Ich mag 'Pink' ganz gerne oder 'Die Ärzte'."
Allerdings geht es heute Abend für die beiden Sopran singenden Chorknaben nicht um Punk oder Rock, sondern um den gesanglichen Feinschliff für das Konzert, auf dem sie einen Soloauftritt absolvieren sollen. Stimmbildner Harald Stockfleth:
"Und zwar sind wir angefragt vom Hamburger Michel, in der Aufführung des 'Elias' im November mitzusingen. Und das ist eine ganz besondere Herausforderung natürlich, zumal Thomas Quasthoff dort den Elias singen wird."
Klar ist Leon nervös bei dem Gedanken…
"… ja, auf jeden Fall."
Lennart, etwas älter, hat schon mal solo in der Hamburger Musikhalle gesungen. Bei der Uraufführung des Musicals "Pinocchio". Aufgeregt?
"Ja schon, aber egal, wer es macht, es wird gut. Da bin ich mir sicher."
Während sich im Nebenraum die anderen Jungen mit einem religiösen Chorstück einsingen, arbeitet Harald Stockfleth mit Leon und Lennart parallel im Einzelprobenraum.
"Also, jetzt ist mir bei Leon aufgefallen, dass sein Stimmsitz noch nicht ganz so hoch im Kopf positioniert war. Und bei Lennart war es halt sehr gut im Kopf. Und für die Partie, die ansteht im Michel, da muss man sehr gut hoch in den Kopf singen, weil das halt bis zum hohen A rauf geht. Und das ist sehr, sehr anspruchsvoll."
Nebenan bändigt ohne große Anstrengung Chorleiter Hans-Joachim Lustig 50 sehr motivierte Knaben und junge Männer.
"So, jetzt lasst uns mal gucken. Jetzt gehen wir mal ein paar der Stücke durch. Später vielleicht irgendwann auswendig. Im Moment gerne noch mit Noten. Eins, zwei ..."
"Wenn die jetzt hier heute zum Beispiel zu unserer Probe kommen, haben viele acht Stunden in der Schule gehabt, dann zwei Stunden Hausaufgaben gemacht oder zwei Stunden Fußballtraining hinter sich und sitzen dann hier mit dem ganzen Hintergrund. Und so! Und da muss man immer ein gutes Gleichgewicht finden. Also einerseits was fordern, weil das Potenzial ist da. Und andererseits auch gucken, dass man die Kirche im Dorf lässt. Wir wissen, dass das dann im Konzert auch besser gehen wird. "
Harald Stockfleth, Gesangspädagoge und Konzertsänger, und Hans-Joachim Lustig, Dirigent und Chorleiter, leiten die Chorknaben Uetersen. Regelmäßig gehen Lustig und Stockfleth in die Grundschulen der Umgebung und suchen in einer - neudeutsch gesprochen - Casting-Woche den Sänger-Nachwuchs. Mit immer dem gleichen Testsong.
Stockfleth: "'Bruder Jakob'. Circa 6000 Mal. Eine ganze Woche lang. Das ist auch ein Höllenritt."
Aber Harald Stockfleths "Mühen der Ebene" zahlen sich aus, nicht nur, was Preise betrifft, nein, auch was die Zahl der aktiven Sänger angeht: 80 Knaben und junge Männer im Alter zwischen 10 und 25 Jahren singen im Chor.
Stockfleth: "Hier im Knabenchor ist es nicht nur so, dass wir singen, sondern wir legen auch sehr viel Wert auf den Freizeitbereich. Und das ist, glaube ich, das, was unseren Jungs hier im Chor auch gut gefällt."
Geländespiele, auch schon mal ein Fußballturnier oder eine mehrtägige Kanufahrt.
Hans-Joachim Lustig: "Gut, ich glaube, es ist Zeit für eine kleine Pause. Jetzt könnt ihr ein bisschen Fußball spielen. – [Jubel.] Yeah"
Singen ist gesund, Bewegung ebenso. Hans-Joachim Lustig zaubert im Kirchen-, heute Probenraum, nach gut anderthalb Stunden Proben einen Fußball aus der Tasche und entlässt die Jungen kurz aus der Disziplin. Raus auf den Vorhof der Christuskirche.
Sänger Thomas: "Ich habe auch viele Freunde gefunden, die ich vorher gar nicht kannte, die gar nicht auf meine Schule gehen. Und das ist immer ein großer Anreiz, hier wieder her zu kommen. Außerdem, Singen macht natürlich auch Riesenspaß."
Der ältere Junge, der gerade den Ball abgeschossen hat, ist seit 2002 beim Knabenchor und singt schon in den Männerstimmen.
"Ein Freund hat mir erzählt, dass es da eine Reise nach Amerika gibt beim Chor. Deswegen wollte ich da unbedingt hin. Ja, bald fahren wir ja auch nach Amerika."
Konzertreise. Keine schlechte Methode: Acht Jahre singend zu warten.
Nach der Fußballpause zieht der Chor um. Keine Platzfrage, sondern eine der Akustik. Hans-Joachim Lustig will seine jungen Sänger auf Konzerträume vorbereiten, die stark nachhallen. Hier den Ton zu treffen, ist etwas Anderes, als in einem Raum mit wenig Eigenhall zu singen. Also rüber mit 50 Jungen plus Klavier in den Großen Saal der Christuskirche.
Lustig: "Maaahaax!"
Den "wilden Chorhaufen" so spät am Abend im Zaum zu halten – es ist schon nach 20 Uhr – ist jetzt keine so leichte Dompteuraufgabe mehr.
Lustig: "Gut! [Spielt auf dem Klavier einen Ton.] Sing den ersten Ton auf ´Du´. – [Chor fängt an zu singen.] – Duuuuuhhhh! – Lasst uns mal sagen, gerade in einem Raum, der so Klang hat wie [Spielt Crescendo] dieeeeeserrrrrh! Reicht es, wenn wir ein bisschen leiser anfangen. [Chor fängt an ´Christe eleison´ zu singen.]"
Zwischen halb neun und neun geht die Probe in Uetersen zu Ende. Bei Lennart, der bald in der Musikhalle solo singen wird, keine Spur von Müdigkeit. Nein, er kriegt Power, sagt er.
"Wenn wir Stücke singen, die ich wirklich mag, wo ich auch richtig Spaß dran habe. Dann finde ich das total... dann... kommt echt was über mich. Das ist total... geil. Ja, Glück."
Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.
"… Green Day"."
Und Lennart, 14, steht zurzeit auf:
""Ich mag 'Pink' ganz gerne oder 'Die Ärzte'."
Allerdings geht es heute Abend für die beiden Sopran singenden Chorknaben nicht um Punk oder Rock, sondern um den gesanglichen Feinschliff für das Konzert, auf dem sie einen Soloauftritt absolvieren sollen. Stimmbildner Harald Stockfleth:
"Und zwar sind wir angefragt vom Hamburger Michel, in der Aufführung des 'Elias' im November mitzusingen. Und das ist eine ganz besondere Herausforderung natürlich, zumal Thomas Quasthoff dort den Elias singen wird."
Klar ist Leon nervös bei dem Gedanken…
"… ja, auf jeden Fall."
Lennart, etwas älter, hat schon mal solo in der Hamburger Musikhalle gesungen. Bei der Uraufführung des Musicals "Pinocchio". Aufgeregt?
"Ja schon, aber egal, wer es macht, es wird gut. Da bin ich mir sicher."
Während sich im Nebenraum die anderen Jungen mit einem religiösen Chorstück einsingen, arbeitet Harald Stockfleth mit Leon und Lennart parallel im Einzelprobenraum.
"Also, jetzt ist mir bei Leon aufgefallen, dass sein Stimmsitz noch nicht ganz so hoch im Kopf positioniert war. Und bei Lennart war es halt sehr gut im Kopf. Und für die Partie, die ansteht im Michel, da muss man sehr gut hoch in den Kopf singen, weil das halt bis zum hohen A rauf geht. Und das ist sehr, sehr anspruchsvoll."
Nebenan bändigt ohne große Anstrengung Chorleiter Hans-Joachim Lustig 50 sehr motivierte Knaben und junge Männer.
"So, jetzt lasst uns mal gucken. Jetzt gehen wir mal ein paar der Stücke durch. Später vielleicht irgendwann auswendig. Im Moment gerne noch mit Noten. Eins, zwei ..."
"Wenn die jetzt hier heute zum Beispiel zu unserer Probe kommen, haben viele acht Stunden in der Schule gehabt, dann zwei Stunden Hausaufgaben gemacht oder zwei Stunden Fußballtraining hinter sich und sitzen dann hier mit dem ganzen Hintergrund. Und so! Und da muss man immer ein gutes Gleichgewicht finden. Also einerseits was fordern, weil das Potenzial ist da. Und andererseits auch gucken, dass man die Kirche im Dorf lässt. Wir wissen, dass das dann im Konzert auch besser gehen wird. "
Harald Stockfleth, Gesangspädagoge und Konzertsänger, und Hans-Joachim Lustig, Dirigent und Chorleiter, leiten die Chorknaben Uetersen. Regelmäßig gehen Lustig und Stockfleth in die Grundschulen der Umgebung und suchen in einer - neudeutsch gesprochen - Casting-Woche den Sänger-Nachwuchs. Mit immer dem gleichen Testsong.
Stockfleth: "'Bruder Jakob'. Circa 6000 Mal. Eine ganze Woche lang. Das ist auch ein Höllenritt."
Aber Harald Stockfleths "Mühen der Ebene" zahlen sich aus, nicht nur, was Preise betrifft, nein, auch was die Zahl der aktiven Sänger angeht: 80 Knaben und junge Männer im Alter zwischen 10 und 25 Jahren singen im Chor.
Stockfleth: "Hier im Knabenchor ist es nicht nur so, dass wir singen, sondern wir legen auch sehr viel Wert auf den Freizeitbereich. Und das ist, glaube ich, das, was unseren Jungs hier im Chor auch gut gefällt."
Geländespiele, auch schon mal ein Fußballturnier oder eine mehrtägige Kanufahrt.
Hans-Joachim Lustig: "Gut, ich glaube, es ist Zeit für eine kleine Pause. Jetzt könnt ihr ein bisschen Fußball spielen. – [Jubel.] Yeah"
Singen ist gesund, Bewegung ebenso. Hans-Joachim Lustig zaubert im Kirchen-, heute Probenraum, nach gut anderthalb Stunden Proben einen Fußball aus der Tasche und entlässt die Jungen kurz aus der Disziplin. Raus auf den Vorhof der Christuskirche.
Sänger Thomas: "Ich habe auch viele Freunde gefunden, die ich vorher gar nicht kannte, die gar nicht auf meine Schule gehen. Und das ist immer ein großer Anreiz, hier wieder her zu kommen. Außerdem, Singen macht natürlich auch Riesenspaß."
Der ältere Junge, der gerade den Ball abgeschossen hat, ist seit 2002 beim Knabenchor und singt schon in den Männerstimmen.
"Ein Freund hat mir erzählt, dass es da eine Reise nach Amerika gibt beim Chor. Deswegen wollte ich da unbedingt hin. Ja, bald fahren wir ja auch nach Amerika."
Konzertreise. Keine schlechte Methode: Acht Jahre singend zu warten.
Nach der Fußballpause zieht der Chor um. Keine Platzfrage, sondern eine der Akustik. Hans-Joachim Lustig will seine jungen Sänger auf Konzerträume vorbereiten, die stark nachhallen. Hier den Ton zu treffen, ist etwas Anderes, als in einem Raum mit wenig Eigenhall zu singen. Also rüber mit 50 Jungen plus Klavier in den Großen Saal der Christuskirche.
Lustig: "Maaahaax!"
Den "wilden Chorhaufen" so spät am Abend im Zaum zu halten – es ist schon nach 20 Uhr – ist jetzt keine so leichte Dompteuraufgabe mehr.
Lustig: "Gut! [Spielt auf dem Klavier einen Ton.] Sing den ersten Ton auf ´Du´. – [Chor fängt an zu singen.] – Duuuuuhhhh! – Lasst uns mal sagen, gerade in einem Raum, der so Klang hat wie [Spielt Crescendo] dieeeeeserrrrrh! Reicht es, wenn wir ein bisschen leiser anfangen. [Chor fängt an ´Christe eleison´ zu singen.]"
Zwischen halb neun und neun geht die Probe in Uetersen zu Ende. Bei Lennart, der bald in der Musikhalle solo singen wird, keine Spur von Müdigkeit. Nein, er kriegt Power, sagt er.
"Wenn wir Stücke singen, die ich wirklich mag, wo ich auch richtig Spaß dran habe. Dann finde ich das total... dann... kommt echt was über mich. Das ist total... geil. Ja, Glück."
Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.