Ein Jahr Pegida

Wie Dresdener Kulturschaffende mit Hetze umgehen

Mitarbeiter aus allen Abteilungen der Semperoper Dresden und der Sächsischen Staatskapelle Dresden sangen auf dem Theaterplatz die Ode "An die Freude" von Ludwig van Beethoven aus seiner 9. Sinfonie.
Mitarbeiter aus allen Abteilungen der Semperoper Dresden und der Sächsischen Staatskapelle Dresden sangen auf dem Theaterplatz die Ode "An die Freude" von Ludwig van Beethoven aus seiner 9. Sinfonie. © Semperoper / Daniel Koch
Von Bastian Brandau · 24.12.2015
Seit gut einem Jahr ist das rechtspopulistische Bündnis Pegida auf Dresdens Straßen unterwegs. Welchen Einfluss haben die Islamfeinde auf den Kulturbetrieb? Unser Landeskorrespondent Bastian Brandau hat sich umgehört.
Montagabend in Dresden, Theaterplatz. Herz statt Hetze, unter diesem Motto demonstrierten am Montag vor Weihnachten rund 5000 Menschen gegen Pegida. Mit der Ode an die Freude, gesungen vom Künstlern und Mitarbeitern der Semperoper, gemeinsam mit Dresdnern. Ein Gänsehaut-Moment.
Mit vielen anderen musikalischen und künstlerischen Acts verschaffen sich Kunstszene und Bürgertum etwas Luft. Die Semperoper, als von Pegida missbrauchtes Wahrzeichen, hat sich immer klar positioniert. Es gehe zuerst um die Verteidigung humanistischer Grundwerte, sagt Intendant Wolfgang Rothe:
"Wir haben insgesamt seit Oktober die Situation, dass wir verstärkt Kartenrückgaben, Stornierungen haben, dass wir eine deutlich geringere Nachfrage nach Karten haben."
An Pegida führt auch Ende des Jahres 2015 in der Dresdner Kulturszene kein Weg vorbei. An der Auseinandersetzung mit denen, die beschwören, dass sie Kultur beschützen wollen – die deutsche Sprache, deutsches Liedgut. Deren Beitrag dazu sich jedoch auf eine widersprüchliche Biedermeierlichkeit beschränkt, musikalisch im Konsens zwischen dem Absingen von Nationalhymne oder Weihnachtsliedern.
Wenn Pegida demonstriert, dann auch gegen die Dresdner Kulturlandschaft, gegen die Semperoper. Dann heißt es: Deren subventionierte Inszenierung seien nicht gemacht für das Volk, als das sich Pegida verstehen will.
Die Aufsehen erregendste Beschäftigung mit Pegida hat in diesem Jahr das Staatsschauspiel Dresden inszeniert. "Graf Öderland" von Max Frisch, angereichert durch Pegida-Parolen. Die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Phänomenen gehört ins Theater, sagt Schauspiel-Intendant Wilfried Schulz:
"Wo soll es sonst gemacht werden? Das Theater, die Kunst ist dafür da, auch gesellschaftliche Zusammenhänge zu reflektieren. Man muss nicht, aber es ist eine edle Aufgabe."
Während an Semperoper und Staatsschauspiel in der Altstadt Woche für Woche der Pegida-Strom vorbeizieht, ist man beim Europäischen Zentrum der Künste in Hellerau zumindest räumlich getrennt. Intendant Dieter Jänicke:
"Es hat natürlich die Programmauswahl verändert, unsere Arbeit verändert, es hat uns auch erheblich an Mehrarbeit gebracht. Ich bin dann manchmal ein bisschen besorgt, weil alle Mitarbeiter an der Grenze arbeiten, weil sie neben der Arbeit noch die Flüchtlinge betreuen."
Eine Flüchtlingsfamilie zu Gast in einer Künstlerwohnung
In Hellerau haben sie eine Flüchtlingsfamilie aufgenommen, die in einer Künstlerwohnung auf dem Areal lebt. Neben viel Zustimmung hat das Hassmails und Zuschriften gebracht, einen ungeklärten Brandanschlag gab es auch.
"Man muss sagen, es entstehen neue Formen des Diskurses auch neue Formen, in denen ein Haus wie unserem, was als zeitgenössisches Kunsthaus ein sehr schwierigeres Segment der Kultur bearbeitet, ganz anders wahrgenommen wird. Aber im Grunde genommen ist es grauenhaft, wenn man den Leuten sagen muss: Geh am Montag nicht vor die Tür."
Im Bündnis "Weltoffenes Dresden" haben sich Kultureinrichtungen, Museen und Kunstsammlungen zusammengeschlossen, um gegen die Vereinnahmung der Stadt durch Pegida vorzugehen. So wie am vergangenen Montag bei der Gegendemonstration sind es Kräfte aus Kultur und Zivilgesellschaft, die den Widerstand gegen Pegida vorantragen.
"Ich würde mir von Politik und Verwaltung manchmal ein bisschen deutlicherer Positionierung wünschen. Wenn ich mir anschaue, wie von der Stadtregierung bis Polizeipräsident in Leipzig umgegangen wird und wie hier umgegangen wird. Alle Alarmglocken läuten. Und wenn es kein anderes Motiv gibt, dann zumindest, dass es sich katastrophal auf eine Stadt auswirkt, die vom Tourismus lebt. Ich verstehe nicht, dass es da nicht deutlichere Worte gibt."
Die wünscht sich auch Michal Tomaszewski. Seit 15 Jahren steht er in Dresden mit seiner Blaskapelle Banda Comunale für den musikalischen Widerstand gegen rechts. Seit einigen Monaten hat die Banda geflüchtete Musiker in ihre Band aufgenommen. Musik als Schlüssel zur Integration. Als Banda Internationale wollen sie bald eine CD aufnehmen.
"Egal wie sehr man sich bemüht auf der Seite der Kulturschaffenden. Es wird wenig bringen, wenn auf der anderen Seite Polizisten Deutschlandfahnen aus ihren Bussen raushängen und Demonstranten die Hand schütteln. Es ist alles für die Katz, wenn die Staatsorgane versagen und das ist das Zeichen, was seit einem Jahr von Dresden ausgeht."
Wenig spricht dafür, dass sich diese Situation 2016 ändern wird. Am 27. Januar veranstaltet das Europäische Zentrum der Künste das "Requiem für Auschwitz" des holländischen Sinto-Musiker Roger Rathgeb. In der Frauenkirche. Und Intendant Jänicke muss plötzlich ganz andere Themen bedenken:
"Sicherheit ist zum Beispiel beim Thema Roma und Sinti ist plötzlich eine ganz zentrale Frage, damit haben wir uns vorher nie befasst."
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