Vor dem Wunder von Bern

Von Ulf Dammann · 21.10.2005
Der Weg zum Wunder von Bern führte für die deutsche Nationalmannschaft über das Saarland. Im letzten Qualifikationsspiel im Frühjahr 1954 holte die Herberger-Truppe in Saarbrücken die entscheidenden Punkte gegen die Mannschaft von der Saar. Das Saarland gehörte seit Ende des Zweiten Weltkrieges nicht zu Deutschland, sondern hatte eine eigene Regierung und 1952 auch eine eigene Olympiamannschaft.
Die Siegermacht Frankreich hatte es so gewollt und erst im Oktober 1955 durften die Saarländer über den Beitritt zur Bundesrepublik entscheiden. Dass sie sich für die Bundesrepublik entscheiden würden, hatte sich schon im Juli 1954 abgezeichnet. Da hieß es nach dem deutschen WM-Sieg auch an der Saar: "Wir sind Weltmeister!"

Deutschland nach dem 2. Weltkrieg. Die vier Siegermächte haben das Land unter sich aufgeteilt – in eine sowjetische, eine britische, eine amerikanische und eine französische Besatzungszone. Zur französischen Zone gehört auch das Saarland, das schon nach dem 1. Weltkrieg vom Reich abgetrennt war und mit dem Frankreich nun Besonderes vor hat. Nie wieder soll es zu Deutschland gehören. Die Grenze zur Pfalz wird abgeriegelt. 1947 wird eine saarländische Regierung unter Ministerpräsident Johannes Hoffmann gewählt, die vom französischen Militärgouverneur kontrolliert wird. Die neue saarländische Verfassung legt fest: "Das Saarland ist ein autonom, demokratisch und sozial geordnetes Land und wirtschaftlich an Frankreich angeschlossen."

Der Sport war schon immer ein probates Mittel, um Nationalbewusstsein zu stärken. Kollektive Glücksgefühle lassen sich von geschickten Staatslenkern in politische Loyalität ummünzen; große sportliche Erfolge auf internationaler Bühne schaffen ein Wir-Gefühl, dass Regierende oft mit einschließt. Also macht sich die Politik den Sport gern zunutze. So auch an der Saar.

Der saarländische Sporthistoriker Wolfgang Harres:

Harres: "Der Sport hatte eine Pionierfunktion in Hinblick auf diese Tendenz, eine eigenständige Saarnation zu schaffen. Im Sport gibt es ja die Aktualisierung des Wir-Bewusstseins: Wir haben gewonnen! Und auf Grund dieser Aktualisierung des Wir-Bewusstseins wurde das landsmannschaftliche Bewusstsein "Wir Saarländer" gestärkt. Und auf dieser Basis hatte man dann vor, ein Staatsbewusstsein zu schaffen - wie es jetzt in Luxemburg auch vorhanden ist - bis hin zu einem Nationalbewusstsein. "

Also wurde der Saarsport zunächst konsequent vom deutschen Sport abgekoppelt. Die Teilnahme an Wettkämpfen war fast nur noch im Saarland selbst oder in Frankreich möglich. Obwohl das Ansehen der Deutschen im Nachbarland kurz nach dem Krieg denkbar schlecht war, wurden die saarländischen Sportler eher freundlich aufgenommen. Die Leichtathletin Inge Perske, damals Grashörster:

Perske: "Als Sportler, Wettkämpfer wurde man gut behandelt. Da gab es nicht irgendwie ... ach, unter Sportlern sowieso. Da gab es noch am wenigsten Probleme. "

1948 spielte der 1. FC Saarbrücken, noch 1943 deutscher Vizemeister und eine Mannschaft von internationaler Klasse, sogar in der 2. französischen Fußball-Liga. Gelegentlich kam zwar auch einmal ein wütendes "Boche", das französische Schimpfwort für die Deutschen, von den Rängen, ernsthafte Probleme gab es jedoch nur im benachbarten Elsass-Lothringen, das sich trotz seiner deutschen Wurzeln eindeutig für Frankreich entschieden hatte.

Harres: "Die Elsässer und Lothringer hatten nicht vergesse, dass sie während des Krieges in der Gau-Liga mit saarländischen Vereinen spielen mussten. Zum Beispiel hat der 1. FC Saarbrücken damals noch gespielt in der Vorrunder der deutschen Meisterschaft - mit Colmar zum Beispiel, mit Mühlhausen und mit Metz. Und das hat einfach böse Erinnerungen geweckt. "

Am Ende der Saison stand der 1. FC Saarbrücken unangefochten an der Spitze der 2. Liga. Der Aufstieg ins französische Oberhaus stand an. Der Präsident des Französischen Fußballverbandes, Jules Rimet, der zugleich FIFA-Präsident war, wollte den Aufstieg, wollte damit einen weiteren Schritt zur Eingliederung des Saarsports in den französischen Sport tun. Doch er scheiterte am Widerstand der Elsass-Lothringer. Und er scheiterte am Widerstand jener Franzosen, denen ein französischer Meister namens 1. FC Saarbrücken nicht ins nationale Weltbild passte.

Harres: "Der 1. FC Saarbrücken ging dann zurück und es gab dann eine so genannte Landesliga. Die war von der Spielstärke einfach nicht stark genug, um das Können des 1. FC zu fördern. Und weil man das erkannt hatte, wurde der so genannte Europapokal geschaffen. "

14 europäische Spitzenmannschaften und Santiago de Chile treten 1949/50 mit Sondergenehmigung der FIFA auf dem Kieselhumes, einem Hartplatz, gegen den 1. FC Saarbrücken an. Der Internationale Saarlandpokal, so der offizielle Name, ist finanziell üppig ausgestattet. Allein an Siegprämien werden zwei Millionen Schweizer Franken ausgeschüttet. Die Politik lässt sich die Autonomie des saarländischen Fußballs etwas kosten. Pokalsieger wird der 1. FC Saarbrücken, der inzwischen zur europäischen Spitzenklasse zählt und dies ein Jahr später auf einer Spanienreise beweist.
Karl Berg, Außenläufer, und Herbert Binkert, Mittelstürmer und Star der Mannschaft:

Berg: "Das war überhaupt unser Bestes, was wir zu Wege brachten mit der damaligen Mannschaft. Es war eine Tournee auf Anhieb nach Spanien, die drei Spiele einschloss. Das erste Spiel war in Bilbao, das wir gegen den damaligen Pokalmeister von Spanien, den FC Bilbao, 4:0 gewannen auf Anhieb, von dort nach La Coruña fuhren in den Fischhafen in der Nordwest-Ecke Spaniens. Durch diesen Erfolg in La Coruña kam erst das Angebot von Real Madrid, das wir dann drei Tage später spielten das Spiel. "

Binkert: "Da sind wir die ganze Nacht über die Sierra Nevada mit dem Zug gefahren, kamen nach Madrid und das war ja unsere große Zeit, da hatten wir in Madrid vor 60.000 Zuschauern 4:1 gewonnen. Und das war ein Riesenerfolg. Und zu der Zeit war Madrid genau Real, wie’s heut noch ist. "

Doch trotz aller internationalen Erfolge: Die Spieler und Zuschauer sehnen sich nach Punktspielen in einer starken Liga. Sie wollen zurück nach Deutschland. Die Autonomie des Saarsports ist ein politisches Ziel, nicht das ihre. Im Oktober 1949 genehmigt das Hohe Kommissariat überraschend ein Spiel gegen eine deutsche Mannschaft.

Binkert: "Wir haben hier mal ein Spiel gehabt, das erste Mal nach langer Zeit, dass der 1. FC Kaiserslautern hier gastiert hat, an einem Werktag. Und da haben die Arbeiter nicht frei gekriegt, weil es ein Werktag war, und auf einmal waren im Kieselhumes 36.000 Zuschauer. Wir konnten keinen Eckball mehr schießen, weil alles auf der Eckfahne war. Da haben die Leute die Werkbank hingelegt und sind geströmt zum Kieselhumes, um das Spiel zu sehen. Das war denen ganz egal. Dadurch, dass das das erste Mal wieder der Fall war, konnte man daraus schließen, dass die Mehrzahl der Saarländer doch deutsch war, deutsch ist und auch deutsch bleibt. "

Die Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten. Die Eingliederung des Saarsports in den französischen Sport ist gescheitert, die Autonomie in der Praxis schwierig, auch wenn sie auf der Ebene der internationalen Verbände erfolgreich umgesetzt wird. Vor allem die Fußballer zieht es zurück in den deutschen Sport. Vorreiter wird der 1. FC Saarbrücken, der 1951 in die Oberliga Südwest aufgenommen wird.
Der Sporthistoriker Wolfgang Harres:

Harres: "Im Hinblick auf eine finale Betrachtungsweise hat man nachher gesagt, dass sei der erste Schritt zur kleinen Wiedervereinigung hier in der Saar gewesen, aber das war sie mit Sicherheit nicht, sondern es ging rein um fußballspezifische Probleme. Im Nachhinein den Funktionären zu sagen, sie seien Vorreiter gewesen einer nationalen Option der Saar für Deutschland ist falsch. Weil gerade die Funktionäre, die das durchgeführt haben, in erster Linie Hans Helmer und auch Neuberger, durch ihre anschließende autonome Sportpolitik an der Saar gezeigt haben, dass sie sehr wohl unterschieden zwischen Deutschen und Saarländern. "

Binkert: "Wir wollten immer wieder zurück und wir waren stolz, wieder in die Familie zurückkehren zu können, wo wir an sich auch hingehört haben. Und wir waren stolz und glücklich und haben auch gleich im ersten Jahr es geschafft, Südwest-Meister zu werden, trotz Kaiserslautern, trotz Neuendorf, die beide hervorragende Mannschaften hatten. Und wir sind ja auch in dieser Saison wiederum in Endspiel gekommen um die deutsche Fußballmeisterschaft, diesmal gegen VfB Stuttgart. "

Endspiel um deutsche Fußballmeisterschaft 1952
Rudi Michel: "Und jetzt ist es so weit. Jetzt stehen wir unmittelbar vor dem großen Augenblick. Die Mannschaften kommen unter der Tribüne heraus. Anstoß ist erfolgt... "

Der Einzug des 1. FCS ins Endspiel um die deutsche Fußballmeisterschaft ist für die Regierung der Saar nicht unproblematisch. Ein deutscher Fußballmeister aus Saarbrücken wäre zumindest emotional ein großer Schritt in Richtung Wiedervereinigung des Saarlandes mit der Bundesrepublik. Werner Otto, Rechtsaußen des Südwestmeisters:

Otto: "Politik kam ja auch ins Spiel bevor wir ins Endspiel‚ 52 kamen gegen Stuttgart. Da waren wir ja eingeladen bei unserem früheren Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann. Und der hat uns da Sekt spendiert oder was weiß ich. und da hat die Allgemeinheit immer gesagt, wir wurden bestochen, wir durften gar nicht gewinnen. Saarland als deutscher Meister, das hätte nicht in die Politik reingepasst. "

Binkert: "Als wir nach Ludwigshafen gefahren waren, da haben wir nur an das Fußballspiel gedacht und an die Möglichkeit, dass wir deutscher Meister werden können. "

Charly Scholz: "... und der heißt Biewer. Biewer ist überspielt. Rechtsaußen Baitinger in Ballbesitz. Wo gibt der jetzt hin? Schuss! Tor für den VfB Stuttgart. Das war der gefährliche Rechtsaußen Baitinger, der eine einzige Lücke blitzschnell in der Saarbrücker Abwehr erkannte und schon lautet das Ergebnis 26 Minuten in der 2. Spielhälfte 3:2 im Endspiel um die deutsche Fußballmeisterschaft für den VfB Stuttgart. "

Rudie Michel: "Das sind keine Minuten mehr, das sind nur noch Sekunden. "

Scholz: "Und da ist der Schlusspfiff des Endspieles um die deutsche Fußballmeisterschaft ertönt im Spiel 1. FC Saarbrücken gegen den VfB Stuttgart, das Stuttgart gegen zehn Mann und weitere zwei Statisten knapp mit 3:2 zu seinen Gunsten entschieden hat. "

Obwohl das Endspiel verloren geht, feiert das Saarland seine Mannschaft wie einen Sieger.

Otto: "Wie wir dann schon an die grenze kamen im Saarland, da haben schon die Leute an den Straßen gestanden – also nicht in der Stadt oder in Ortschaften, sondern auch auf der freien Straße, am Rand haben die Leute uns schon zugejubelt. Wir sind dann schon abgeholt worden mit offenem Mercedes. Und dann hier in Saarbrücken... "

Wochenschau: "... umjubelten Abertausende eine Elf, der des Schicksals Mächte den Triumph versagt hatten. Doch sie frugen nicht nach Sieger oder Besiegtem, sie sahen nur die Ihren, die sich durch Können und Fairness bis zum Endspiel durchgerungen hatten... "

Binkert: "Der Empfang, den wir hier im Saarland hatten, der war so gewaltig, also so begeisternd, das hat das Saarland noch nicht erlebt. Und das war vielleicht auch mehr oder weniger eine kleine politische Demonstration. Wir wurden dann von der Regierung Johannes Hoffmann großartig empfangen. Wir haben goldene Uhren bekommen von der Regierung, also die haben sich dann doch großzügig gezeigt. Aber deutscher Meister? Es war ihnen lieb, dass wir nur Zweiter geworden sind, nehm ich an. "

Für die Regierung der Saar war die Vizemeisterschaft ein politisches Geschenk des Himmels. Das Wir-Gefühl der Bevölkerung war durch die Leistung "ihrer" Mannschaft gestärkt worden, ohne dass man der Welt erklären musste, weshalb ein Vertreter der unabhängigen Saar deutscher Meister sein konnte.

Eröffnung der Olympischen Spiele 1952
Kekkonen: "I declare open the olympic games of Helsinki. "

Reporter: "Die Spiele von Helsinki sind eröffnet. Die olympische Fanfare erklingt. Und hier in der Südkurve hisst man die olympische Flagge. "

Kurz nach dem Endspiel um die deutsche Fußballmeisterschaft begannen in Helsinki die zweiten olympischen Spiele nach dem Weltkrieg. Zum ersten Mal war auch Deutschland wieder mit einer Mannschaft vertreten – ebenso wie das Saarland.

Harres: "Zum ersten Mal hatte man das Gefühl des Wir. Wir sind präsent sowohl in Deutschland, in der Bundesrepublik, wir sind aber auch präsent oben in Helsinki in Finnland bei den olympischen Spielen‚ 52. "

Einmarsch der Nationen:
"Liebe Sportfreunde, meine Damen und Herren in Deutschland, Österreich und im Saarland - die Aufzählung erfolgt in alphabetischer Reihenfolge. Gleich bevor wir uns hier dem Geschehen zuwenden, muss ich Ihnen eine Nachricht geben, die für Sie sicherlich auch genauso traurig sein wird wie für uns, denn Sie werden die ganzen vielen Sportler von 69 Nationen ebenso bedauern wie wir: Es regnet in Helsinki seit einiger Zeit und vor kurzer Zeit sogar in Strömen."

Perske: "Die Deutschen sind noch hinter uns einmarschiert. Wir waren vor den Deutschen beim Einmarsch. "

Reporter: "Und jetzt blicke ich dort unten in das Tunnel hinein, da sehen wir unsere Landesfarben. Unsere Mannschaft wird nun in wenigen Sekunden in das Rund des Stadions eintreten. Das Schild Saar leuchtet auf, das Saarland hat also jetzt Einmarsch. Dort unten sehen wir unsere Fahne, ein weißes Kreuz in blau-rotem Grund. Unsere Mannschaft, bestehend aus 41 Aktiven, kommt nun in das Stadion herein. Die Saarländer werden jetzt auf das Herzlichste hier begrüßt. Es ist wirklich für mich ein eigenartiges Gefühl. Ich bin glücklich, dass unsere Mannschaft hier mit dabei ist... "

Saar vor Saksa, dem finnischen Namen für Deutschland. So war es allerdings nur beim Einmarsch. Medaillen gewannen die Amateure aus dem Saarland nicht. Wie auch? Eine angemessene Vorbereitung hatte es kaum gegeben.

Es blieben die einzigen olympischen Spiele, an denen Saarländer in einer eigenen Olympiamannschaft antraten. 1956 gab es schon eine gesamtdeutsche Mannschaft – mit Saarländern und Ostdeutschen.

Doch bevor schließlich die politische Grenze zwischen dem Saarland und der Bundesrepublik fiel, gab es noch die Qualifikation für die Fußballweltmeisterschaft 1954. Die Mannschaft der Saar, trainiert von Helmut Schön, spielte in einer Gruppe mit Norwegen und - ausgerechnet – Deutschland. Das entscheidende Spiel fand am 28. März 1954 im neuen Ludwigsparkstadion in Saarbrücken statt. Zuvor hatte das Saarland – wie auch das deutsche Team - gegen Norwegen gewonnen und unentschieden gespielt, in Deutschland aber verloren. Die Entscheidung musste in Saarbrücken fallen:

Reportage Saar – Deutschland:
"Hier ist das Stadion Ludwigspark in Saarbrücken mit dem Ausscheidungsspiel um die Fußballweltmeisterschaft Saar gegen Deutschland vor 53.000 Zuschauern. Und die Verteidigung mit Liebrich als Mittelläufer und dem linken Verteidiger Kohlmeyer hat jetzt gegen diesen schnellen rechten Flügel, gegen Otto, und gegen Martin und gegen Mittelstürmer Binkert sehr, sehr viel zu tun. Und da ist noch einmal ein Saarländer – Schuss! Tor! Tor! Bitte teilen Sie nicht die Freude der 53.000. Es ist nichts. Wiederum Abseits. Wenigstens behauptet das Schiedsrichter Bronkhorst aus Holland... "

Die Saarländer spielten, wie so oft, schönen Fußball, doch sie schossen keine Tore, die zählten. Vor allem in der ersten Halbzeit schien die Überraschung nahe und das Wunder von Bern fern. Und die Saarländer glaubten an ihre Chance. Mittelstürmer Herbert Binkert:

Binkert: "Wir waren schon infiziert. Das muss ich sagen. Dadurch, dass es ja die Chance gab, wenn wir gewinnen, gibt’s ein Entscheidungsspiel. Und wenn Sie heute Bilder betrachten, da muss ich sagen, das eine Tor, da wurde unser Torhüter Strempel im Strafraum hart angegangen und gerempelt und normalerweise hätte das Tor gar nicht gezählt werden dürfen. Überlegen war die Deutsche Mannschaft nicht."

Reporter: " Und was entscheidet Schiedsrichter Bronkhorst aus Holland? Und wenn ich mich nicht täusche, er entscheidet, nachdem er jetzt elf Schritte zurücklegt, auf Elfmeter für die Saar. Der Ball liegt. Toni Turek steht unter der Querlatte des deutschen Tores. Martin läuft an, zwei Meter, drei Meter. Schuss. Und Tor. Tor für die Saar. Noch etwa 21 Minuten sind zu spielen und das Ergebnis steht jetzt 2:1. – Rahn ist noch mal da im Gegenzug, spielt sich wunderbar frei. Jetzt müsste er schießen! Da ist einer – und Nachschuss und Tor für die deutsche Mannschaft. 3:1 steht es also. Ein drittes Tor für die deutsche Mannschaft durch diesen flink herbei gesprungenen Linksaußen Schäfer vom 1. FC Köln. – Das Spiel ist beendet. Das Ausscheidungsspiel um die Fußballweltmeisterschaft vor 53.000 Zuschauern hier im Stadion Ludwigspark in Saarbrücken ist beendet und endete mit einem verdienten 3:1-Sieg der deutschen Mannschaft. "

Der Weg nach Bern war frei für das deutsche Team. Das Wunder von Saarbrücken war ausgeblieben. Die Saarländer hätten das Spiel gegen Turek, Walter und Rahn gern gewonnen, aber sehr traurig waren sie über die Niederlage auch nicht, denn, Rechtaußen Werner Otto sagt es:

Otto: "Ich hab mich gefühlt als Deutscher, würd ich sagen. Wir haben ja deutsch gesprochen. Sicher waren wir Saarländer, aber im Prinzip waren wir immer deutsch gewesen. "

Binkert: "Wir sind dann vom Verband geschlossen eingeladen worden, in der Schweiz das Spiel anzusehen. Und jeder von uns war voller Begeisterung und hat die Daumen gedrückt, dass die das machen. Wir hätten doch im Leben nicht die Chance gehabt, da zu bestehen wie die deutsche Mannschaft. "

"Tor! Tor! Tor! Aus! Aus! Aus! Deutschland ist Weltmeister. "

Harres: "Da kann ich als Zeitzeuge sagen, es war überwältigend. Auf der Bahnhofsstraße in Saarbrücken, der Geschäftsstraße von Saarbrücken, blieben die Straßenbahnen stehen, die Leute strömten aus den Geschäften auf die Straße und es war allgemein der Ruf zu hören: Wir haben gewonnen! WIR haben gewonnen. Es hätte also, nach all dem, was passiert war, heißen müssen: Die deutschen haben gewonnen. Aber es war dieses Gefühl: Wir haben gewonnen. Und sehr viele sagen, dass hätte eine einen sehr wichtigen Aspekt ergeben auch für die spätere Entwicklung. "

Die französischen Bemühungen, eine saarländische Identität zu schaffen, die über ein regionales Wir-Gefühl hinausging und Grundlage für ein politisch unabhängiges Saarland hätte sein können, waren 1955 endgültig gescheitert. Die saarländische Olympiamannschaft, die saarländische Fußballnationalmannschaft blieben Episoden, an die sich heute kaum jemand erinnert. Am 23. Oktober 1955 entschieden sich die Saarländer mit überwältigender Mehrheit gegen die Unabhängigkeit. Und am 1. Januar 1957 verkündete der neue Ministerpräsident Hubert Ney:

Ney: "Der heutige Tag ist ein großer Tag in der Geschichte unserer Saar-Heimat und unseres deutschen Vaterlandes. Die Saar kehrt heim. "