Vor dem Prozess

Von Barbara Roth · 15.01.2010
Bleibt es wirklich bei dem Termin? Am 18. Januar 2010 soll in Augsburg der Prozess gegen den Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber beginnen. Jahrelang hatte er sich in Kanada dem Zugriff der deutschen Justiz entzogen und gedroht, er werde im Falle eines Prozesses auspacken – über Machenschaften der Politik und der Wirtschaft.
Die Augsburger Staatsanwaltschaft zeigte sich davon unbeeindruckt und will Schreiber nun wegen Steuerhinterziehung, Betrug und Bestechung belangen. Vor allem in Bayern wird der Prozess mit großer Spannung erwartet, denn Schreiber hatte gute Beziehungen zur CSU.

Reinhard Nemetz greift zur Mundharmonika, wenn er entspannen will. "Spiel mir das Lied vom Tod" ist eines seiner Lieblingsstücke. Nemetz ist Oberstaatsanwalt in Augsburg. Er leitet jene Behörde, die Karlheinz Schreiber ab Montag vor Gericht zerrt und anklagt.


Auch am 3. August vergangenen Jahres bläst Nemetz in seine Mundharmonika. Was er spielte, verrät er nicht. Nur, dass er erleichtert und total entspannt war. Es ist drei Uhr nachts, als ihn das Telefon aus dem Schlaf klingt. Und ein Kollege ihm mitteilt, Schreiber wird ausgeliefert. Er sitze bereits im Flugzeug nach München.

"Ich wollte, dass er nach Deutschland ausgeliefert wird und das wurde erreicht. Das ist dann natürlich befriedigend."

Seit Oktober 1995 sind die Fahnder dem Waffenlobbyisten auf der Spur. Bei der Durchsuchung seines Hauses im oberbayerischen Kaufering stoßen sie auf einen unscheinbaren Taschenkalender. Schreiber hat sein Geld damals damit verdient, Hubschrauber für die kanadische Küstenwache oder Airbusflugzeuge an Airlines zu vermitteln. In dem Büchlein vermerkt: Die Namen möglicher Schmiergeldempfänger, Informationen über ein kompliziertes Kontensystem in der Schweiz, getarnt durch zahlreiche Decknamen.

Zu emotionalen Ausbrüchen neigt der Oberstaatsanwalt nicht. Kein vielsagendes Grinsen, kein Freudentanz, es knallten damals im August auch keine Sektkorken. So etwas wie Genugtuung liest man bei ihm nur zwischen den Zeilen. Fast bescheiden klingt sein Hinweis, letztendlich habe sich seine Hartnäckigkeit durchgesetzt.

"Denn es war für mich fast zehn Jahre lang unerträglich, mich damit abfinden zu müssen: Wir haben jemanden angeklagt, wir wissen, wo er ist und ihm gelingt es, auf dem hohen Ross in Kanada sitzend, sich lustig zu machen über das deutsche Justizwesen, aber sich nicht in Deutschland vor Gericht zu verantworten. Das war für mich eine unerträgliche Vorstellung - und das konnte und durfte nicht sein."

Schnell wird den Ermittlern klar, dass wer einen Panzer oder einen Airbus über Schreiber kaufte, freiwillig einen höheren Preis aus einer Staatskasse zahlte. Und Schreiber verteilte die Beute dann an Verkäufer, Einkäufer und Politiker - je nach Wichtigkeit. Was er "Landschaftspflege" nennt, sind Schmiergelder. Wegen der Lieferung von Fuchs-Spürpanzern an Saudi-Arabien werden vor dem Augsburger Landgericht zwei ehemalige Thyssen-Manager und der Ex-Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls verurteilt. Seine guten Kontakte zur Waffenindustrie verdankt der Lobbyist seinem Duz-Freund, dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Michael Stiller von der "Süddeutschen" hat sie die beiden hautnah erlebt.

"Freunde dürften sie beide nicht gewesen sein, weil Strauß schätzte so unterwürfige Freunde eigentlich weniger. Der brauchte richtige Kumpane, die mit ihm auch mal einen durchmachen, richtig saufen. Und Schreiber ist ja fast ein Ökologe, was Nahrung und Trinken anlangt. Schreiber selbst ist aber auch ausgesprochen schlau, der erkannt hat, was für ein Door-Opener der Name ist in Saudi-Arabien oder sonst wo. Und ob mit Willen von Strauß oder ohne, er hat sich sozusagen als die rechte Hand von ihm ausgegeben."

Strauß ist lange tot, und dass er Politik mit Geschäften vermischt hat, bestreitet heute niemand mehr. Richtig Brisanz erhält der Fall erst dadurch, dass die Ermittlungen gegen Schreiber den CDU-Spendenskandal ins Rollen bringen - mit schwarzen Kassen und prominenten Opfern wie Alt-Kanzler Kohl sowie dem damaligen CDU-Partei- und Fraktionschef Schäuble.

Ein einziges Mal hat Nemetz Schreiber gesehen. Er ist dabei, als dem 75-Jährigen der Haftbefehl eröffnet wird. Der Oberstaatsanwalt kannte ihn bis dahin nur dem Fernsehen.

"Mich hat interessiert, was das für ein Mann ist, von dem ich ja immer nur über die Medien erfahren, was er so sagt und denkt. Ich habe meinen Eindruck, den ich von ihm deswegen hatte, da auch bestätigt gesehen."

Was er über Schreiber denkt, verrät Nemetz nicht. Was der über ihn denkt, das weiß er. Das konnte der Behördenleiter all die Jahre in den Zeitungen lesen. Nach seiner Flucht nach Kanada pöbelte Schreiber im fernen Toronto, Zitat: "Wenn Dummheit weh täte, wäre Nemetz schon lange tot". So was vergisst ein Oberstaatsanwalt nicht, auch wenn er ganz trocken sagt:

"Was kümmert es den Mond. Aber wichtig ist, er muss sich hier verantworten. Und niemandem gelingt es, auch unter Einsatz von vielem Geld, sich der Entscheidung zu entziehen. Das war für mich wichtig."

Im seinem Büro hängt ein Bild von Don Quichotte. Eigentlich wollte Nemetz das Bild abnehmen, wenn er Schreibers habhaft wird. Doch es ist ihm längst ans Herz gewachsen.

"Es wäre zuviel der Ehre für den Herrn Schreiber. Don Quichotte kämpft gegen Windmühlen, immer und immer wieder. Und manchmal mutet der Kampf eines Staatsanwalts, eines Strafrichters etwas ähnlich an, leider."

Am Montag gegen 9 Uhr werden Polizisten Schreiber zur Anklagebank im Augsburger Landgericht führen. Um nichts in der Welt will Nemetz dieses Schauspiel verpassen. Die 165 Seiten starke Anklageschrift verlesen seine Kollegen. Der Behördenleiter kennt den Inhalt, er hat ihn vor gut neun Jahren selbst geschrieben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 75-Jährigen vor, in großem Umfang Steuern hinterzogen sowie Beihilfe zur Untreue und zum Betrug geleistet zu haben.

"Er hat sich bei der Haftbefehlseröffnung über seinen Verteidiger in der Weise geäußert, dass er mehr oder weniger pauschal die in der Anklage gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestritten hat. Mittlerweile hat er sein Bestreiten fortgesetzt in differenzierter Weise, was noch lange nicht bedeutet, dass das, was er sagt, für uns schlüssig ist. Ich werde jetzt nicht wiedergeben, was seine Position ist, das soll er mal selber tun in der Hauptverhandlung."

In der Anklageschrift ist zu lesen, Schreiber habe für Flugzeug- und Panzergeschäfte, die er zwischen 1988 und 1993 eingefädelt hatte, Provisionen in Millionenhöhe kassiert - natürlich waren diese Einnahmen keinem Finanzamt bekannt. Er gilt als Steuerflüchtling. Rund elf Millionen Euro soll er hinterzogen haben.

"Vom strafrechtlichen Gewicht her sind die Steuerhinterziehungen am gravierendsten. Wir bewegen uns hier in einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe."

Der brisanteste Vorwurf aber, nämlich der Vorwurf der Politiker-Bestechung, soll nicht mehr verhandelt werden. Denn das Gericht hält die Bestechungsvorwürfe für verjährt. Der Oberstaatsanwalt ist anderer Ansicht. Sein wichtigster Zeuge ist Ex-Staatssekretär Pfahls - wegen der Schmiergelder rechtskräftig zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt.

"Uns interessiert, ob und in welcher Höhe Herr Schreiber an den damaligen Verteidigungsstaatssekretär Geld bezahlt hat, um das Panzergeschäft zwischen Thyssen-Henschel und Saudi-Arabien zu beflügeln. Der im Übrigen nicht wegen Bestechlichkeit verurteilt wurde, sondern rechtskräftig wegen Vorteilsannahme. Allerdings ist das Landgericht Augsburg der Auffassung, dass dieser Vorwurf verjährt ist. Da wird man sehen, was dabei herauskommt. Das wird man in der Hauptverhandlung entscheiden müssen. Wir sind anderer Auffassung."

Im Gerichtssaal wird es zu juristischen Wortgefechten kommen. Nicht nur mit Schreibers Anwälten, sondern pikanterweise auch Staatsanwalt gegen den Vorsitzenden Richter Rudolf Weigell. Die Namensähnlichkeit mit dem CSU-Altminister Theo Waigl ist purer Zufall. Der Richter ist der Ansicht, die Verjährungsfrist beginnt mit dem Tag, an dem Schreiber für Pfahls das Schweizer Tarnkonto eröffnet hatte. Die Anklage dagegen will berücksichtigt wissen, wie lange der Zugriff auf die Schmiergelder hatte. Wer sich durchsetzen wird, ist noch völlig offen. Fällt die Bestechung jedoch weg, dürfte der Prozess auch den Rest an politischer Brisanz verlieren.

Michael Stiller: "Ich habe die Befürchtung, nachdem immer mehr Prozesse mit Deals beendet werden, dass es Bestrebungen geben könnte, ich sage das ausdrücklich im Konjunktiv: Schreiber, Du hälst im Wesentlichen das Maul und dafür bist Du in drei Jahren wieder draußen. Oder Du machst dort eine Riesen-Ramba-Zamba-Show, dann bist Du nach sechs Jahren draußen."

Wundern würde sich Michael Stiller von der "Süddeutschen" nicht. Er hält es für denkbar, dass der Inhaftierte über seine Anwälte schon längst an einem Deal mit Gericht und Staatsanwaltschaft bastelt. Er kennt ihn; so hart wie er öffentlich tut, sei Schreiber nicht. An einen stillen, untätig in seiner neun Quadratmeter großen Zelle in der Augsburger Justizvollzugsanstalt sitzenden Untersuchungshäftling kann Stiller nicht glauben.

Michael Stiller: "Da Schreiber panische Angst vor deutschen Knästen hat, weil er mir sagte, da seien Mäuse. In Kanada ist dort alles aus Stahl und alle Mäuse werden weggegiftet, aber hier seien Mäuse und die wolle er überhaupt nicht haben. Und er hat eine sehr, sehr nette Frau und ich glaube, dass er zu der sehr, sehr schnell auch zurück möchte, deshalb befürchte ich, dass es hier ein sehr geräuschloser Prozess wird."

Falls er die Steuerhinterziehung gesteht, wäre eine zeitaufwändige Beweisführung über sein Schweizer Tarnkontensystem unnötig. Im Gegenzug könnte er wohl mit einem deutlichen Strafnachlass rechnen. Laut dem who is who wird sein Vermögen noch auf weit über 100 Millionen Euro geschätzt. Für ihn dürfte es also kein Problem sein, seine millionenschwere Steuerlast plus Strafe einfach auf den Tisch zu legen. Der Journalist befürchtet einen langweiligen, weil geräuschlosen Prozess - und einen zum Deal willigen Oberstaatsanwalt.

"Der Leiter der Augsburger Staatsanwaltschaft Nemetz, der sich jetzt als großer Schreiber-Jäger feiern lässt, hat diese Ermittlungen im Vorfeld nach allen Regeln der Kunst behindert und seinen Chefermittler Winfred Maier übel behandelt. Allein Nemetz könnte schon ein Karriereinteresse haben, diesen Prozess relativ geräuschlos über die Bühne zu bringen."

Vorauseilender Gehorsam, weil es im CSU-dominierten Bayern der Karriere dienen kann. Ein schwerwiegender Vorwurf, Reinhard Nemetz schnappt erst mal nach Luft. Der Oberstaatsanwalt will die Mutmaßung erst gar nicht kommentieren, weist sie dann aber aufs Schärfste zurück. Auch von einem Deal will er nichts wissen.

"Es gab keine politische Einflussnahme. Und momentan fehlt es an der Basis für einen sogenannten Deal. Entscheidend ist, welche Fakten er vortragen kann und Fakten habe ich bislang nicht gehört. Herr Schreiber bestreitet, was sein gutes Recht ist. Und unsere Pflicht ist zu prüfen, ob wir dieses Bestreiten aushebeln können mit unseren Beweisen. Da bin ich zuversichtlich. Und dann wird man sehen, was dabei herauskommt."

Vielleicht doch ein Deal? Definitiv ausgeschlossen hat ihn der Leiter der Staatsanwaltschaft jedenfalls nicht. Es liegt auf der Hand, wer allergrößtes Interesse daran hat, dass der Prozess im Sande verläuft: Es ist die CSU. Karlheinz Schreiber gilt zwar als Schlüsselfigur der Spendenaffäre, die die CDU in die größte Krise ihrer Geschichte stürzte. Er war aber CSU-Mitglied - mit besten Kontakten nach ganz oben. Zwei parlamentarische Untersuchungsausschüsse haben sich mit ihm beschäftigt. In Berlin ging es um die CDU, in München um die CSU. Und um deren schützende Hand, wie der damalige SPD-Vorsitzende des Gremiums, Harald Güller, erklärt.

"Die Staatsanwaltschaft in Augsburg war immer dem Generalstaatsanwalt berichtspflichtig und musste jede Kleinigkeit vorher mit München absprechen. Das Ganze hat dann ewig lange immer gedauert. Wir haben es verfolgen können bis zum Generalstaatsanwalt. Herr Froschauer war das damals. Der war noch so aus der alten Strauß-Ära, kannte die ganzen Beteiligten. Und ich glaube, man brauchte dem erst gar nicht zu sagen, dass er Einfluss nimmt, sondern der hat schon gewusst, warum er an der Stelle sitzt als Generalstaatsanwalt: um möglichst jede Verbindung zwischen Schreiber, Waffenhandel, Spenden und zur CSU-Spitze zu verdecken."

Konkret nachweisen konnte man der Staatsregierung unter Edmund Stoiber allerdings nichts. Erst vor ein paar Jahren, der Strauß-Spezi war schon lange in Kanada, entzog ihm die Partei die Mitgliedschaft.

Michael Stiller: "Der Zusammenhang Schreiber-CSU ist implementiert, der ist über den Strauß so, auch wenn der schon lange tot ist. Und alles, was Schreiber sagen wird, wird immer bei den Leuten den Eindruck erwecken: Aha, das ist wieder so ein Schwarzer gewesen und so. Deswegen ist jedes Aufsehen, das jetzt irgendwo entsteht und an dem die CSU am Rande oder zentral oder dezentral betroffen ist. Gerade Seehofer, er kann auch für Schreiber nichts, er wird nicht sehr interessiert daran sein, dass dort noch mal die große CSU-Oper abläuft."

Die CSU plagen momentan schon genügend andere Probleme. Wegen des Milliardendesasters rund um die bayerische Landbank sind Horst Seehofer und die Seinen in der Wählergunst dramatisch, auf 41 Prozent-Punkte abgerutscht. Der Parteichef kann alles gebrauchen, nur das Aufwärmen der alten Strauß-Machenschaften nicht, den Seehofer bis heute sein großes Vorbild nennt.

"Ich habe auf jeden Fall mit der Sache nichts zu tun. Das ist ja allgemein bekannt. Und ich glaube, aus der Vergangenheit wird da nichts mehr stattfinden. Ich sehe das mit größter Gelassenheit."

Seit Schreibers Rückkehr wird immer wieder die Frage gestellt: Wer muss vor seinen Aussagen zittern? Ob Schreiber noch etwas in petto hat, wird entscheidend sein. Seine Verteidiger schweigen noch. Der Journalist Stiller hält es durchaus für möglich, dass ihm Strafrabatt in Aussicht gestellt wird, wenn er vor Gericht nur das Allernötigste sagt und CDU und CSU nicht weiter belastet.

Michael Stiller: "In Bayern weiß man, dass solche Prozesse bis in die Spitze hinein beobachtet und auch gelenkt werden. Und wenn Sie sich die Lage der CSU im Moment anschauen mit ihren ganzen Bankgeschichten, mit ihrem Verlust ihrer finanziellen und wirtschaftlichen Kompetenz, mit ihrem Personalgerangel und so weiter, dann hat natürlich die CSU massives Interesse daran, dass nicht wieder Dinge in die Welt gesetzt werden, die vielleicht doch schon wieder nicht beweisbar sind, aber erst mal schreiben alle, die dort sind, drüber, was er dort sagt. Insoweit ist auch sicher die CSU daran interessiert, dass in Augsburg jetzt nicht High-Fidelity ist."

Nach dem CDU-Parteispendenskandal stellte sich natürlich sofort die Frage nach der CSU: Ob Schreiber nicht auch seine Partei mit Großzügigkeiten bedacht hat? Rechenschaftsberichte werden gewälzt und – so stellt die CSU erleichtert fest – nichts Verdächtiges wird gefunden. Kleinere Spenden Schreibers sind sauber verbucht. Seine vagen Andeutungen über einen geheimen CSU-Fonds im Ausland führen zu keinen Ergebnissen, mit denen Ermittler irgendwas anfangen könnten. Es fehlen Beweise und Belege und angeblich Beteiligte sind lange tot.
Karlheinz Schreiber: "Natürlich. Eine Million die CDU, zwei Millionen die CSU. Meine Partei muss schon ein bisschen mehr kriegen."

Immer das gleiche Muster: Schreiber kündigt bahnbrechende Enthüllungen an – es kommt aber nichts. "Wenn ich auspacke, rollen Köpfe" – hat er gepoltert. Und "ich sitze wie die Katze auf der Kiste mit den Mäusen. Und überlege mir, welche ich als erste fresse." In diesem Stil schickt der Lobbyist jahrelange Drohungen über den Atlantik. Er fühlt sich von seinen Parteifreunden in Stich gelassen. 2001 grollt er in Toronto verbittert, seine CSU habe nicht dafür gesorgt, dass die Vorwürfe gegen ihn fallengelassen werden.

"Sie geben eine Spende, machen, was Ihre Parteifreunde von Ihnen wollen, kümmern sich auch um das Geschäft - die Brüder klauen das Geld, lügen wie gedruckt und hauen mich in die Pfanne."
Auch Strauß-Sohn Max stand in Augsburg vor Gericht. Ist er Nutznießer einem Tarnkontos mit dem Code Maxwell? Rund zweieinhalb Millionen Euro lagen auf diesem Konto. Was auffällt: Es ist fast exakt die Summe, die die Familie Strauß in Kanada verloren hat, weil Schreiber ein Grundstücksgeschäft in den Sand gesetzt hatte.

Michael Stiller: "Wobei es auch Provisionsgeschäfte gegeben hat, wo auch der Vater noch mitgewirkt hat. Jedenfalls entnehme ich das dem Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs, der eindeutig davon ausgeht, dass an der Spitze des Airbus-Verwaltungsrates Franz Josef Strauß saß und unten standen mit den Büchsen Karlheinz Schreiber und Max Strauß. Auf seinen Weltreisen verkaufte Strauß immer – er hatte ja immer die ganzen Airbus-Prospekte und Auftragsbücher dabei – da ist Provision geflossen, davon geht auch der BGH aus und die wurde unten immer aufgefangen und hat dann diese Konten gefüllt."

Ein Konto trägt den Code "Master". "Master" ist der Meister selbst, Franz Josef Strauß. Nach dessen Tod 1988 dürfte Sohn Max das legendäre Schweizer Konto vom Papa schlichtweg geerbt haben. Ist sich nicht nur der, mit dem Fall bestens vertraue SPD-Abgeordnete Harald Güller sicher. Max Strauß sei Maxwell. Bewiesen allerdings ist nichts: Er hat aber das Konto nie angetastet.

"Ich weiß nicht, was mit dem Geld auf dem Maxwell-Konto ist? Das ist eine interessante Frage. Ich habe mir auch schon oft gedacht, da liegen riesige siebenstellige Beträge. Entweder es ist der Familie Strauß zuzurechnen. Oder es ist ein Spendenkonto für die CSU. Schreiber hat ja immer behauptet, es ist ein Spendenkonto für die CSU. Die Familie Strauß hat gesagt, ihnen gehört es nicht. Also eine der beiden Dinge muss wahr sein."

Max Strauß wird in Augsburg zu einer Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil jedoch auf und spricht ihn frei. Dass das Maxwell-Konto mit Provisionen für Airbus-Geschäfte in Thailand für ihn bestimmt war, halten die Karlsruher Richter nicht für einwandfrei erwiesen. Die nötigen Beweise hätten sich vielleicht auf die Festplatte seines Computers finden lassen. Doch mysteriös, die verschwand im Zuge der Ermittlungen.

Michael Stiller: "Die Festplatte ist meines Erachtens nicht zufällig verschwunden im Bereich des Landeskriminalamtes oder wo auch immer. Ich habe ein paar Akten zu dem Punkt gelesen, wo man laienhaft versucht hat zu rekonstruieren, was man noch gefunden hat. Und das wies auf Schreiber hin. Also hatte er in dem Computer Schreiber-Sachen auf jeden Fall drin. Da könnte der Treuhandvertrag draufgewesen sein, die Konten draufgewesen sein, die Bankauszüge – weiß der Teufel was. Aber sie war weg."
Der Journalist Stiller hält viele Fragen für offen. Max Strauß aber kann - egal, was Schreiber vor Gericht aussagt - nicht mehr belangt werden.

Michael Stiller: "Maxwell kann so eine Kriegskasse für die CSU gewesen sein, für schlechte Zeiten irgendwas anlegen. Aber in der CSU gibt es keinen Zugangsberechtigten, in der CSU gibt es keinen Hinweis. Irgendwann musst du als Rechercheur sagen, okay, da kommst du jetzt nicht weiter."

Noch ist Karlheinz Schreiber schweigsam. Seine Taktik ist offen. Der Redakteur der "Süddeutschen" ist sich aber sicher, der in Augsburg inhaftierte Lobbyist hat sich intensiv mit seinen Verteidigern beraten, wie er am besten durch den bis Mai terminierten Prozess kommen kann. Auspacken oder Schweigen dürfte die Kernfrage seiner Überlegungen sein.

Michael Stiller: "Ich glaube, dass Schreiber sein Pulver weitestgehend verschossen hat. Er hätte es nämlich genutzt, um länger in Kanada bleiben zu können. Ich glaube, das Schreiber-Baby ist sozusagen komplett auf der Welt, da kommt auch nichts mehr Großes nach."

In Augsburg wird wohl keine große Bombe mehr platzen, höchstens ein kleine Luftballon. Aber auch der wird die Republik nicht mehr erschüttern, wahrscheinlich.