Vor allem Unterhaltung gefragt

Von Jörg Taszman |
Unter den zehn erfolgreichsten deutschen Filmen des Jahres finden sich ausschließlich Komödien und Kinderfilme. Es gab nur wenige Erfolge wie das Drama "4 Minuten" oder Fatih Akins "Auf der anderen Seite". Im Vergleich zum Vorjahr fehlten etwa 15 Millionen Kinobesucher.
Filmszene aus Dani Levys "Mein Führer": " Heilen Sie mich! Jawohl! Heil Hitler! Heilen Sie mich, wenn ich noch zu heilen bin. Mir geht es nicht gut. Ich bin zu einer großen Belastung für das Deutsche Reich geworden. Ich bin kein Führer mehr, für das Gott mich bestimmt hat, sondern ein Fall: ein Ausfall. "

Es begann so schön lustig im Januar mit Dani Levys "Mein Führer" und der typisch deutschen Frage: Darf man über Hitler lachen? Über 700.000 Kinozuschauer antworteten mit "Ja". Leider hatte Dani Levy - als Schweizer und Jude über jeden Zweifel erhaben- viel zu viel Respekt vor politischer Korrektheit und ließ neben Hitler den herzensguten Juden Grünbaum agieren, immerhin überzeugend verkörpert von Ulrich Mühe. Als der dann zusammen mit Florian Henckel von Donnersmarck gemeinsam nach Los Angeles zu den Oscars fuhr und "Das Leben der Anderen" als bester nicht englischsprachiger Film ausgezeichnet wurde, konnte der deutsche Film zu Recht jubeln.

Filmszene aus "Das Leben der Anderen": " Bist du wirklich bei der Stasi? Weißt du überhaupt, was das ist, die Stasi? Ja, das sind schlimme Männer, die andere einsperren, sagt mein Papa. So, wie heißt denn dein…Mein was? …Dein Ball?"

"Das Leben der Anderen" wurde international in vielen Ländern zum erfolgreichsten deutschen Film nach der Wende. Ulrich Mühe stand am Beginn einer Weltkarriere und starb tragisch im Sommer völlig überraschend mit nur 53 Jahren an Krebs. Der Erfolg von "Das Leben der Anderen" im Ausland kaschierte jedoch zu lange den generellen Misserfolg des deutschen Kinos im eigenen Land.

Nur noch zwei deutsche Filme befinden sich 2007 unter den Top 20 des Jahres und die Flops in diesem Jahr schmerzten. Weder der liebevoll gemachte Kinderfilm "Die drei Räuber" noch der in Cannes hochgelobte "Am Ende kommen Touristen", die Literaturverfilmung "Liebesleben" oder der ganz andere Film über das Dritte Reich, "Die Fälscher", fanden ihr Publikum. Unter den zehn erfolgreichsten deutschen Filmen des Jahres finden sich ausschließlich Komödien und Kinderfilme. Es gab nur wenige unerwartete Erfolge wie das Drama "4 Minuten" von Chris Kraus.

Filmszene aus "4 Minuten": " Für derart Unterricht, den ich Ihnen anbiete, ist Demut unerlässlich. Demut ist die Regel Nummer 1. Das werden sie lernen müssen. Sie werden tun, was ich Ihnen sage, sie werden sich nicht beklagen, nicht mit Worten, nicht mit Blicken. Niemals. – Ich soll ihr winselnder Sklave sein?"

Viel zu selten wurde das deutsche Kino dafür belohnt, sich an harte Sujets zu wagen wie bei der Geschichte um eine Mörderin, die begnadet Klavier spielt, und von einer verhärmten Klavierlehrerin entdeckt wird. Außer "Vier Minuten" konnte künstlerisch wie kommerziell nur noch der neue Film von Fatih Akin überzeugen "Auf der anderen Seite". Der Regisseur wurde für seinen neuen Film als deutscher Beitrag für den Oscar nominiert und übt sich in Bescheidenheit:

" Keiner weiß eigentlich irgendwas über Film. … Die wenigen Leute, die etwas über Film wissen, die machen auch keine Filme glaube ich. Nach "Gegen die Wand" und den ganzen Lorbeeren dachte ich, ich weiß etwas übers Filmemachen. Aber dieser Film hat mich eines Besseren belehrt. Ich weiß nichts. Auf dieser Grundlage muss man bauen. "

Normalerweise wollen die Deutschen im Kino meist nur noch unterhalten werden. Nicht einmal 20.000 Zuschauer sahen sich den rumänischen Film "4 Monate, Drei Wochen und 2 Tage" an, der beim Filmfestival in Cannes und beim Europäischen Filmpreis gewann. Die Geschichte um die Selbstbehauptung zweier junger Frauen in der Ceaucescu Diktatur klang für die meisten zu deprimierend, weil es im Film um Abtreibung geht.

Aber auch Superstar Angelina Jolie im Drama "Ein mutiger Weg", die Geschichte einer französischen Journalistin deren Mann von Terroristen vor laufender Kamera geköpft wurde, interessierte fast niemanden. Ausländisches Kino funktionierte in diesem Jahr nur dann, wenn es gefällig war, wie in "Zusammen ist man weniger allein", dem Überraschungshit des Jahres aus Frankreich, mit Audrey Tautou als Putzfrau.

Filmszene aus "Zusammen ist man weniger allein": " Also? Also auf die Zukunft! Auf das Jetzt! Hey, wir werden uns nicht verlieben! Wir vögeln! Wir trinken! Aber wir verlieben uns nicht! "

Und was war mit Hollywood? Ein guter "Harry Potter", ein überzeugender Bruce Willis in "Die Hard", ein gelungener Piratenabschluss für Johnny Depp und Filmvater Keith Richards in "Pirates of the Caribbean 3" und sonst bis Herbst viel Leerlauf.

Bis eine Ratte völlig zu Recht mit ihren Kochkünsten die Herzen eroberte im eindeutig besten amerikanischen Film des Jahres "Ratatouille". Alles, was dem viel zu durchkalkuliertem amerikanischen Mainstream-Kino oft fehlt: Fantasie, Intelligenz und Mut zum Risiko hatte "Ratatouille".

Besser ist Hollywood immer dann, wenn es im reinen Genrekino verharrt. Nur leider fanden Neowestern wie "Todeszug nach Yuma" mit Russel Crowe oder "Three Burials – Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada" von und mit Tommy Lee Jones kein Publikum. Vielleicht schafft das ja der kanadische Kultregisseur David Cronenberg, der für seinen brillanten Thriller "Tödliche Versprechen", mit unter anderen Armin Mueller-Stahl als russischer Mafiosi, hier das letzte Wort zum Kinojahr haben darf.

David Cronenberg: " Ich bin Atheist und glaube nicht an ein Leben nach dem Tod. Wir haben also nur unsere Physis. Und das finde ich fantastisch. Als Filmemacher ist dein Sujet der menschliche Körper, auch wenn du Komödien drehst und Woody Allen bist. Auch dann drehst du das menschliche Gesicht, den Körper und doch ist es Körpersprache. Kino ist auf den Körper fixiert."