Eine kindliche Philosophie für Erwachsene
Antoine de Saint-Exupérys Helden waren geprägt von einem universellen Humanismus. "Ich lebe in meiner Kindheit wie in einem Land", sagte Saint-Exupéry einmal. Mit seinem berühmtesten Werk "Der kleine Prinz" kehrte er an diesen Sehnsuchtsort zurück.
Der "fliegende Verrückte" nannte ihn seine Frau Consuelo. Und General Charles de Gaulle lehnte eine Zusammenarbeit mit dem Offizier Antoine de Saint-Exupéry gleich rundum ab.
"Das Einzige, was er kann, sind Kartenkunststücke!"
Dabei konnte "Saint-Ex", wie seine Freunde den französischen Adeligen nannten, noch viel mehr als das. Silberne Löffel verschlucken etwa, die dann in den Taschen seines Publikums wieder auftauchten, oder eine Spezialmixtur erfinden für Riesenseifenblasen. Aber auch Postflugzeuge nachts über die Wüste steuern und großartige Romane verfassen über seine Abenteuer als Pilot. Nur eines konnte und wollte der Tausendsassa auf gar keinen Fall: erwachsen werden.
"Ich lebe in meiner Kindheit wie in einem Land."
Als am 6. April 1943 in New York das jüngste Buch des Schriftstellers erschien, waren seine Fans zunächst enttäuscht. Denn das Werk mit dem Titel "Der kleine Prinz" war keine neue Abenteuergeschichte, sondern ein bunt bebildertes Märchen: Die bittersüße Geschichte eines außerirdischen Kindes, das seinen Heimatplaneten verlassen hatte und nach vielen Zwischenstationen auf der Erde landete. In der Sahara trifft es auf den Ich-Erzähler, der gerade versucht, sein havariertes Flugzeug zu reparieren.
"Bitte… zeichne mir ein Schaf". – "Wie bitte?" – "Zeichne mir ein Schaf!"
Halb kindlich und halb erwachsen
Das Schaf wird der Einfachheit halber in einer Kiste gezeichnet. Außerordentlich detailgetreu hingegen bildet der Erzähler die drei Affenbrotbäume ab, von denen ihm der weitgereiste Prinz erzählt – das gigantische Wurzelwerk stelle für kleine Planeten eine solche Gefahr dar, dass man gar nicht genug davor warnen könne. Es ist eine Mischung aus halb kindlich und halb erwachsen, das den besonderen Reiz dieses Buches ausmacht, sagt die Kinderbuchexpertin Roswitha Budeus-Budde.
"Dieses ganz aufs Wesentliche Angelegte. Das ist einfach genial – wenn ich kein Schaf zeichnen kann, muss ich es halt in einer Kiste zeichnen."
Den Prinzen selbst stellt Saint-Exupéry als etwa zehnjährigen Jungen dar: lange Beine in weiten Hosen, weit auseinanderstehende Augen, üppiges Blondhaar, das wie eine Krone um das Gesicht steht – alles genau wie einst bei Saint-Exupéry selbst. Auch wenn der Autor mittlerweile ein, wie ein Zeitgenosse schreibt, "kahl werdender Riese" ist "mit den runden Augen eines hochfliegenden Vogels": mit diesem Buch kehrt er wieder zurück in seine glückliche Kindheit, um von dort aus alles zu bearbeiten, womit er als Erwachsener nicht fertig wird: die unglückliche Ehe mit der kapriziösen Consuelo, die Trennung von der geliebten französischen Heimat, den Zweiten Weltkrieg. Und immer schwingt mit: Wie unnötig ist das alles, wie dumm.
"Er stellt sich ja sofort auf die Seite der Kinder und sagt: Die Großen sind sonderbar, die Großen kann man nicht verstehen."
"Die großen Leute haben eine Vorliebe für Zahlen ..."
"Die großen Leute sind sehr sonderbar …"
"Die großen Leute sind entschieden sehr verwunderlich …."
Eine schräge Romantik
Und doch ist "Der kleine Prinz" alles andere als ein Kinderbuch, sagt Roswitha Budeus-Budde. "Es ist eine kindliche Philosophie für Erwachsene."
"'Die Menschen bei dir zu Hause', sagte der kleine Prinz, 'züchten fünftausend Rosen in ein- und demselben Garten … und doch finden sie dort nicht, was sie suchen …' – 'Sie finden es nicht', antwortete ich.
'Und dabei kann man das, was sie suchen, in einer einzigen Rose finden.'"
"Es gibt natürlich auch immer wieder die Kritik, das ist eine schräge Romantik oder: Es ist wie für ein Poesiealbum – ein Anderer hat geschrieben, er ist der Schmalzheilige der 50er-Jahre."
Das allein jedoch würde wohl nicht genügen, dieses Buch bis heute zu einem der bekanntesten und meistgelesenen weltweit zu machen. Worin genau das Geheimnis seines Erfolges besteht, kann man nur erahnen – die eigenartige Authentizität des Textes spielt dabei vermutlich ebenso eine Rolle wie der frühe Tod des Verfassers, der auf einem seiner Flüge auf ähnlich geheimnisvolle Weise verschwand wie der kleine Prinz.
"Dieses Buch ist eine seltsame Mischung: Und vielleicht macht diese Mischung das Buch unsterblich."