Vor 70 Jahren

Urteilsverkündung im Nürnberger Krupp-Prozess

Im Nürnberger Krupp-Prozess, einem Nachfolgeprozess der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse, mussten sich auch Alfried Krupp und elf Direktoren seines Konzerns vor Gericht verantworten. Das Bild zeigt die Ausgabe der Anklageschriften: V.l., Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, Ewald Loeser, Eduard Houdremont, Erich Müller, Hans Kupke und weitere Angeklagte
Im Nürnberger Krupp-Prozess mussten sich auch (v.l.) Alfried Krupp und elf Direktoren seines Konzerns vor Gericht verantworten. © picture-alliance / akg-images
Von Bert-Oliver Manig · 31.07.2018
Angesichts der Verbrechen wollten die alliierten Sieger nicht nur Mitglieder der Nazi-Führung, sondern auch die Profiteure des NS-Regimes bestrafen. Dazu gehörte Alfried Krupp von Bohlen und Halbach sowie zehn Direktoren des Krupp-Konzerns.
"Krupp" - das war im 20. Jahrhundert mehr als der Name einer bedeutenden Unternehmerfamilie. Der Essener Stahlkonzern stand exemplarisch für das enorme industrielle und damit auch militärische Potenzial Deutschlands. Im Zweiten Weltkrieg feierte die NS-Propaganda Krupp als "Deutschlands größte Waffenschmiede". Für die alliierten Kriegsgegner war die Familie Krupp eine skrupellose Nutznießerin des Angriffskrieges. Es war nicht überraschend, dass die Siegermächte 1945 ihre Enteignung und Bestrafung anstrebten:
"The Krupp family who with the other German industrialists first backed Hitler and then produced the weapons for world domination have been scattered and arrested … Die Krupp Familie, die gemeinsam mit den anderen deutschen Industriellen Hitler unterstützte und dann die Waffen für die Erringung der Weltherrschaft produzierte, ist inhaftiert worden."
Die Alliierten beabsichtigten, den langjährigen Firmenchef Gustav Krupp von Bohlen und Halbach zusammen mit den überlebenden Mitgliedern der NS-Führung im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess anzuklagen. Doch da Gustav Krupp von Bohlen und Halbach inzwischen gebrechlich und dement war, musste dieses Vorhaben aufgegeben werden.

Vergleichsweise harte Urteile

Stattdessen wurde 1947 sein Sohn und Nachfolger Alfried gemeinsam mit elf Mitgliedern des Krupp-Direktoriums in einem der Nürnberger Nachfolgeprozesse angeklagt, die die Amerikaner in eigener Regie gegen Mitglieder der deutschen Eliten durchführten. Weil Alfried Krupp von Bohlen und Halbach erst 1943 die Leitung der Werke übernommen hatte, mussten die Anklagepunkte "Vorbereitung eines Angriffskrieges" und "Verschwörung gegen den Frieden" notgedrungen fallengelassen werden. Trotzdem wurde er am 31. Juli 1948 zu einer hohen Haftstrafe verurteilt:
"In Nürnberg wurde der Prozess gegen eine Reihe leitender Direktoren der Krupp-Werke beendet. Die Hauptangeklagten Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und zwei andere Großindustrielle der Rüstungsindustrie erhielten je zwölf Jahre Gefängnis. In der Urteilsbegründung wurde den Angeklagten insbesondere die systematische Plünderung ausländischen Eigentums und die menschenunwürdige Behandlung von Zivilarbeitern und Kriegsgefangenen zur Last gelegt. Alfried Krupps gesamtes Vermögen, einschließlich der Krupp-Werke, verfällt der Beschlagnahme."
Acht weitere Krupp-Direktoren wurden zu Freiheitsstrafen zwischen zwei und zehn Jahren verurteilt, ein Angeklagter freigesprochen. Das war, verglichen mit anderen Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen, ein hartes Urteil. Am schwersten fiel die Ausbeutung von Zwangsarbeitern ins Gewicht, von denen zeitweise bis zu 60.000 in den Krupp-Werken gearbeitet hatten. Wegen des Arbeitermangels hatte die Firmenleitung zuletzt sogar jüdische KZ-Insassen angefordert.
Verteidigung und Angeklagte versuchten, die Firma als bloßen Befehlsempfänger der politischen Führung darzustellen, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach setzte auch später noch die Legende vom versuchten Widerstand gegen die Zwangsarbeit in die Welt:
"Wir konnten eigentlich nichts dafür tun und sehr wenig dagegen. Natürlich haben wir in vielen Fällen versucht zu bremsen, auch gerade diese ganze Beschäftigung von Auslandsarbeitern – wir haben uns mit Händen und Füßen dagegen gewehrt – aber es war nichts zu machen."

Haftentlassung im Februar 1951

Die Tendenz zum Abstreiten jeglicher Verantwortung für die Verbrechen im Dritten Reich erhielt weiteren Auftrieb, als der amerikanische Hochkommissar John McCloy am 31. Januar 1951 im Zuge der Westintegration der jungen Bundesrepublik zahlreiche in Nürnberg Verurteilte amnestierte. Am 2. Februar 1951 wurde Alfried Krupp von Bohlen und Halbach aus der Haftanstalt im bayrischen Landsberg entlassen, auch sein Privatvermögen wurde freigegeben. In Essen herrschte an diesem Tag Feststimmung:
"Wir freuen uns alle so sehr mit, wir wären am liebsten alle mitgefahren und hätten ihn begrüßt!"
Der Essener Oberbürgermeister Hans Toussaint dachte bereits an die neuen wirtschaftlichen Perspektiven für seine Stadt:
"Die Stadt Essen begrüßt die vorgestern getroffene Entscheidung besonders deshalb, weil damit die Epoche der kränkenden Sonderbehandlung Essens ein Ende gefunden hat."
Tatsächlich dauerte es nicht mehr lange, bis Alfried Krupp auch die volle Verfügungsgewalt über seine Firma zurückerhielt und die Produktion wieder auf vollen Touren lief. Unter dem Namen Krupp wurde schon bald wieder Stahl gekocht, es wurden Kräne und Lokomotiven konstruiert, ganze Walzwerke in alle Welt exportiert - aber keine Kanonen mehr gebaut.
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