Vor 25 Jahren

Österreich verbietet Nazi-Partei

Von Norbert Mappes-Niediek · 21.11.2013
Die nationalsozialistische Partei NDP agierte in Österreich 21 Jahre lang völlig unbehelligt von den Behörden. Schließlich landete sie vor 25 Jahren doch vor Gericht und wurde aufgelöst. Deutsche Verfassungsschützer blicken neidvoll auf das Verbot - doch es offenbart Schwächen des österreichischen Rechtssystems.
Es war am Ende bloß ein schlichter Verwaltungsakt: Am 21. November 1988 wurde in Österreich die Nationaldemokratische Partei, die NDP, behördlich aufgelöst. Deutsche Demokratie- und Verfassungsschützer, die sich seit vielen Jahren mit dem Verbot der deutschen Schwesterpartei, der NPD, herumschlagen, muss ob der juristischen Einfachheit des Vorgangs der Neid packen. Im Unterschied zu Deutschland müssen in Österreich Parteien mit rechtsextremer Orientierung nicht eigens verboten werden. Sie sind es vielmehr schon - und zwar nach dem sogenannten Verbotsgesetz von 1947, mit dem die NSDAP ein für alle Mal aufgelöst wurde.
"Nach diesem Verbotsgesetz ist nicht nur die NSDAP und alle ihre Unterorganisationen aufgelöst worden, sondern in der Folge - und das gilt bis heute - wird jeder Versuch, eine der NSDAP vergleichbare Partei wieder zu gründen, neu zu gründen, oder - und das ist auch sehr wichtig - sich im nationalsozialistischen Sinne zu betätigen, mit Strafandrohung belegt."
… erläutert Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, der Organisation, die sich in Österreich um die Beobachtung und Bekämpfung des Rechtsextremismus kümmert.

"Jede österreichische Behörde muss, bevor sie entscheidet, schauen, ob diese Entscheidung im Einklang mit dem Verbotsgesetz steht."
Hetze gegen "Volksverderber"
In der Praxis aber existierte die NDP seit 1966, ohne dass eine der vielen Behörden, mit denen sie in den langen 21 Jahren ihres Bestehens zu tun hatte, an der Programmatik der Partei Anstoß genommen hätte. Dabei forderte die NDP zum Beispiel die Erhaltung der sogenannten deutschen Volkseinheit unter Einschluss Österreichs, wandte sich "gegen die Zerstörung unserer Volkssubstanz durch die Unterwanderung durch Ausländer", wie es im Grundsatzprogramm hieß, und forderte harte Strafen für Andersdenkende, die im Programm als "Volksverderber" gegeißelt wurden. 1980 bekam der Vorsitzende Norbert Burger, die ganze Zeit über die prägende Figur der NDP, bei der Direktwahl zum Bundespräsidenten 3,1 Prozent der Stimmen - der größte Erfolg in der Geschichte der Splitterpartei.
Dann aber wurde doch eine Behörde hellhörig: Als die NDP einmal den Antrag stellte, in einem Ort in Niederösterreich gebührenfrei Flugblätter verteilen zu dürfen, lehnte das zuständige Amt, das ab mit der Begründung, die Organisation betätige, sich im nationalsozialistischen Sinne und könne deshalb keinen Antrag stellen. Die Partei klagte. Das Verfahren ging durch alle Instanzen - bis das Verfassungsgericht der Behörde im Juni 1988 recht gab. Fünf Monate später folgte die Auflösung.
Das Verbotsgesetz, so praktisch es sein mag, ist in Österreich allerdings auch die einzige Bestimmung, die verhindert, dass Leute im Braunhemd und mit Hakenkreuzfahnen durch die Straßen ziehen. Während das deutsche Grundgesetz auf einem Katalog von Grundrechten beruht und sich somit stark an Werten orientiert, folgt die österreichische Verfassung der Idee des Rechtspositivismus, nach dem Recht nur ist, was geschrieben steht - und dass dieses geschriebene Recht mit Gerechtigkeit nichts zu tun haben muss. In Deutschland können Parteien mit Berufung auf die "freiheitlich demokratische Grundordnung" verboten werden. In Österreich dagegen muss eine Partei nur die Klippen des Verbotsgesetzes umschiffen - oder, wie es hier häufig heißt, sie darf nicht am Nationalsozialismus „anstreifen“. So wird die Auseinandersetzung über die Zulässigkeit von extremen Parteien oder auch von extremen Aussagen oft sehr formal geführt. Hat da jemand die ganze Hand zum Hitlergruß gereckt oder nur drei Finger? Andreas Peham:

"Das Problem aber, das sich auftut mit dem Verbotsgesetz, das merkt man immer wieder, ist, dass all diese politischen Positionen, die nicht nach dem Verbotsgesetz verfolgt werden, quasi automatisch legitimiert werden als, ja, gleichberechtigt im demokratischen Diskurs, das heißt, dass man alles sozusagen an Instanzen, an Behörden delegiert, an die Justiz, die entscheidet: Was ist noch demokratisch zulässig, was fällt unters Verbotsgesetz? - und dass man dann im Einzelnen gar nicht weiter darüber nachdenkt oder darüber diskutiert, das heißt, dass die demokratische Unterscheidungsfähigkeit eher unterentwickelt bleibt, weil sie an die Justiz delegiert bleibt."