Vor 100 Tagen brannte Notre Dame

Baustelle der Hoffnung

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Kathedrale Notre-Dame bei Sonnenaufgang nach einem Großbrand in Paris, Frankreich.
Notre Dame nach dem Brand: Um den Wiederaufbau zu beschleunigen, wurde eigens ein Gesetz erlassen. © Getty Images/ Dan Kitwood
Von Sabine Wachs · 24.07.2019
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Vor 100 Tagen zerstörte Feuer große Teile der Pariser Kathedrale Notre Dame. Innerhalb von fünf Jahren soll sie saniert werden. Ob das realistisch ist, ist unklar: Das Dach gilt noch immer als einsturzgefährdet.
Am frühen Abend liegt sie ganz friedlich da. Die meisten Touristen schlängeln sich tagsüber an den großen Bauzäunen vorbei, die um Notre Dame aufgebaut wurden, abends ist weniger los. Auf dem berühmten Vorplatz, von dem aus Touristen und Pariser die altehrwürdige Kathedrale bis zum Brand Mitte April bestaunen konnten, steht jetzt ein hoher beigefarbener Bauzaun.

Das Baugerüst ist geschmolzen

Nur wer den Kopf weit in den Nacken legt, kann einen Teil der Fassade erspähen: "Sie machen einen fantastischen Job hier auf der Baustelle", sagt Toni, Tourist aus den USA. "Trotzdem, es ist traurig, die Kathedrale so zu sehen. Ich wünschte, die Baustelle wäre offener. Aber wir laufen jetzt einmal rum und schauen mal, was wir sehen können."
Viele Touristen zieht es vor allem auf die Rückseite der Kathedrale. Von der Pont Saint Louis aus und dem Quai de l’Archèveché hat man einen guten Blick. Hier sieht man, wie sich die Flammen durch das Dach gefressen haben. Das Baugerüst, das schon vor dem Brand rund um das Dach aufgebaut war, ist zusammengeschmolzen. Netze sollen herabfallende Steine sichern, Holzkonstruktionen stützen das Gewölbe.
"Es ist immer noch sehr bewegend, sie unvollständig zu sehen", sagt Marie. "Aber diese Baustelle steckt auch voller Hoffnung. Das zeigt, dass es eine Perspektive gibt. Wir fragen uns, wie sie wieder aufgebaut wird, so wie sie war, oder ganz anders." Am Abend des Brandes, erzählt die Pariserin, hing sie die ganze Nacht vor dem Fernseher.

Ambitioniertes Fünf-Jahres-Ziel

Das Innere der Kathedrale ist noch immer ein Trümmerfeld. Französische Fernsehteams konnten Kulturminister Franck Riester in die Kirche begleiten. Ihre Aufnahmen zeigen, dass im Kirchenschiff Schuttberge aufgehäuft wurden aus verkohltem Holz, ausgebrannten Steinen und geschmolzenem Eisen.
Große Teile der Kathedrale sind mit rot-weißem Flatterband abgesperrt, es sei schon viel passiert, erklärte Kulturminister Riester beim Besuch in der Kathedrale: "Schauen Sie, was sich hier in nur drei Monaten getan hat, schauen sie sich die Netze, die Stützen, die Absicherungen an. Das ist schon sehr gut."
Wie und wann die Kathedrale wieder aufgebaut werden kann, ist noch nicht klar. Das Fünf-Jahres-Ziel von Präsident Macron ist sehr ambitioniert, auch wenn die französische Nationalversammlung grünes Licht für ein Gesetz gegeben hat, das einen schnellen Wiederaufbau ermöglichen soll. Vor allem das Dach gilt noch immer als einsturzgefährdet.
Im Inneren wird der Schutt nur von Robotern zusammengeräumt, erklärt Chefarchitekt Philippe Villeneuve: "Wir versuchen so schnell wie möglich voranzukommen. Aber die Sicherheit der Arbeiter geht vor. Wir sind noch lange nicht beim Wiederaufbau. Wir sichern erst einmal das Gebäude."

Die Großspender haben noch kein Geld überwiesen

Nicht nur hinter dem Zeitplan für den Wiederaufbau, auch hinter der Finanzierung stehen Fragezeichen. Wie hoch die Kosten sein werden, lässt sich noch nicht abschätzen. Von den rund 850 Millionen Euro angekündigten Spenden sind bisher nur knapp 38 Millionen auch tatsächlich eingegangen. Viele Großspender haben noch nicht überwiesen, die Spenden kamen hauptsächlich aus der Bevölkerung.
Auch Marie aus Paris hat gespendet, zehn Euro, sagt sie. "Der Brand hat uns alle getroffen. Ich glaube, alle Pariser und alle Touristen, die hierher kommen, wachen nun über die Kathedrale und schauen, wie die Baustelle voran kommt."
Im Herbst 2020, schätzt Architekt Philippe Villeneuve, könnten die Aufräumarbeiten ganz abgeschlossen sein. Erst dann kann der Wiederaufbau starten.
Sobald es die Sicherheitsbedingungen zulassen, soll ein Andachtsraum vor der Kathedrale errichtet werden. Der berühmte Vorplatz, der Parisern und Touristen den Blick auf diese wunderbare Kathedrale gewährt, wird aber wohl noch länger durch Bauzäune versperrt bleiben.
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