Vor 100 Jahren geboren

Wie Norman Granz die Jazzwelt verändert hat

Der US-amerikanische Jazz-Impresario und -produzent Norman Granz (M.), aufgenommen bei einer Kunst-Auktion am 23.4.1968 bei Sotheby's in London
Jazz-Produzent Norman Granz (1918-2001) wuchs in einer multikulturellen Nachbarschaft in Los Angeles auf. © picture alliance / AP Images / Peter Kemp
Von Laf Überland · 06.08.2018
Er wollte Jazz anders unter die Leute bringen: Norman Granz stellte Ella Fitzgerald und Oscar Peterson auf große, edle Bühnen, gründete die Labels Verve und Pablo. Heute wäre der eigensinnige US-amerikanische Produzent 100 Jahre alt geworden.
Als Sohn ukrainisch-jüdischer Einwanderer hatte Norman Granz in der multikulturellen Nachbarschaft in Los Angeles, in der er aufwuchs, hautnahe die sozialen Realitäten jener Zeit erfahren – besonders, als er mit einer schwarzen Sängerin ging. Und als er anfing, kleine Jazzauftritte zu veranstalten, machte er keinen Hehl daraus, was ihm als Jazzfan vorschwebte: Er wolle Geld verdienen, sagte er stets, guten Jazz unter die Leute bringen – und den Rassismus bekämpfen.
Also bestand er bereits als Veranstalter von sonntäglichen Clubkonzerten darauf, dass nicht nur weiße Bands auf der Bühne standen, sondern auch das Publikum nicht durch Absperrseile in schwarze und weiße Bereiche getrennt wurde, das war in den 40ern noch üblich.

Die Konzertserie JATP begründet

Granz brachte seine Musiker in erstklassigen Hotels unter, in denen alle denselben Vordereingang benutzen durften, und ließ sie erster Klasse reisen, vor allem aber fand er, dieser Musik müsse man zuhören. Also hörte er mit den Konzerten in den verqualmten, lärmenden Clubs auf und mietete stattdessen, zuerst mit geliehenem Geld, erlesene Musikhallen an - Philharmonien zum Beispiel. Und so begründete er die Konzertserie "Jazz At The Philharmonic" – JATP, die den Jazz als Kunst etablierte.
Wenn Norman Granz seine Leute auf die Bühne brachte - Dizzy Gillespie, Oscar Peterson, Charlie Parker, Coleman Hawkins, Ella Fitzgerald, gehörte die Musik zum Aufregendsten, das in den 40er-Jahren gespielt wurde. Bald gab es jeden Monat eine neue JATP-Besetzung, und Granz ließ immer das erste Konzert aufnehmen, presste Stücke auf Schellackplatten seiner eigenen Plattenfirma und gab die an Radiosender, die damit wiederum hervorragende Reklame für die nächsten Gigs machten, zu denen Granz die Formationen dann auf Tour schickte.

Publikums-Applaus, der ansteckend wirkt

Dieser eigenbrötlerische Veranstalter hatte rausgefunden, dass Liveaufnahmen von Jazz wesentlich mehr Seele und Abenteuer transportierten als die kalten, immer wieder nachgebesserten Studioaufnahmen der großen Plattenfirmen. Granz sagte den Musikern: Spielt so, als wäre es eine Jam-Session. Und die Ergebnisse waren manchmal etwas langweilig, auch gab es schiefe Töne – aber vor allem gab es Publikums-Applaus, was völlig neu war und super-ansteckend!
1955 hatte Granz die neue Plattenfirma Verve gegründet, auf der er seinen Schützling Oscar Peterson groß machte und vor allem Ella Fitzgerald, die er managte und produzierte. Aber um 1960 herum wurde Granz desillusioniert: Die neuen Jazzmusiker zogen sich immer mehr vom Publikum zurück, und sein Kreuzzug gegen den Rassismus führte auch zu nichts, wie er fand.
Ella Fitzgerald mit Manager Norman Granz und Count Basie.
Ella Fitzgerald mit ihrem Manager Norman Granz (r.) und Count Basie© imago/ ZUMA/Keystone

Ein störrischer Freund der Musiker

Also verkaufte er Verve und zog sich nach Lugano in die Schweiz zurück und lebte das süße Leben - Tennis, Wein und gutes Essen, managte weiter Ella und Oscar und schickte immer wieder Superstar-Jam-Bands nach Montreux. Doch als er, aus Frust über die modernen Plattenfirmen, 1973 noch mal für ein paar Jahre sein Label Pablo gründete, blieb Norman Granz ganz der störrische Freund der Musiker, dessen Ansprüche nicht diskutierbar waren.
Der Jazzkritiker Nat Hentoff erinnerte sich mal: "Ich sah Norman Granz aus einem Meeting mit Verkaufsleitern der großen Plattenfirma kommen, die Pablo Records hier im Land vertrieb. Die Verkaufsleiter hatten Bedenken gehabt, weil von einem bestimmten Album des Pianisten Tommy Flanagan nur 3000 Stück verkauft worden waren. 'Na und?', brüllte sie Granz an: 'Wenn 3000 Leute Freude an Tommy Flanagans Musik haben, warum sollte man sie ihnen nicht zukommen lassen?'"
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