Vor 100 Jahren

Die Jazzmäzenin Pannonica de Koenigswarter wird geboren

Von Karl Lippegaus · 10.12.2013
Als die Baronin Pannonica de Koenigswarter im Jahr 1948 durch Zufall die berühmteste Platte von Thelonious Monk hörte, war sie mit dem Jazz-Virus infiziert. Sie zog nach New York und wurde - stets umgeben von einem illustren Künstlerkreis - eine große Förderin des Bebop.
"Monk kutschierte mich zu Nicas Hotel-Penthouse in der Fifth Avenue. Ich betrat den Raum, in dem Charlie Parker gestorben war. Viele Gemälde, witzige Stoffe, Kerzenleuchter wie in einem alten Kino-Palast, ein Steinway – ich dachte: Junge, Junge, so lebt jemand, dem die Chase Manhattan-Bank gehört!"
Der Jazzpianist Hampton Hawes über seinen ersten Besuch bei Pannonica der Koenigswarter.
"Guten Abend allerseits, wir melden uns heute direkt aus dem Five Spot Café. Und die schöne Musik, die Sie da hören, kommt von Thelonious Monk und seinem Quartett."
Ein ungleiches Paar, beide aus aristokratischem Milieu und doch sehr verschieden. Jules de Koenigswarter, rigide, ernst und verantwortungsbewusst. An Kunst nur interessiert, wenn es um Kampfkunst geht. Als er die Baronin Pannonica Rothschild heiratet, umarmt Jules eine Welt, die ihm vertraut und fremd zugleich vorkommt. Nica, wie sie genannt wird, hat ein wildes Temperament; geboren am 10. Dezember 1913, scheint sie als jüngstes Kind in ihrer Familie kaum gewillt, Rollen zu erfüllen, die ihre noble Herkunft aus dem englischen Zweig der Rothschilds vorgesehen hat.
Von ihrem Vater Charles und ihrem Bruder Victor Rothschild erbt Nica eine Passion, die ihr Leben verändern wird. Ihre Nichte, Nadine de Koenigswarter:
"Es war ungewöhnlich, dass eine weiße Frau aus dem europäischen Hochadel mit schwarzen Jazzmusikern herumzog. Für die Künstler war es ein anderes Universum und sie versenkte sich völlig in ihre Welt, ... Sie half ihnen in bestimmten Fällen mit materieller Unterstützung, und indem sie ihre ganze Freundschaft darin investierte."
Die Familie beschließt, der in New Yorks Jazzszene lebenden Nica den Geldhahn der Adelsfamilie zuzudrehen. Doch bei den Rothschilds will das wenig heißen; selbst dann kann jemand sich noch einen Rolls Royce und danach einen Bentley kaufen, ein fantastisches Haus mit Blick auf Manhattan und mit über 100 Katzen leben. Ihr größter Freund wird der Jazzpianist Thelonious Monk.
"Sie ist eine Rothschild, klar? Ihre Familie hat den englischen König mit Kohle versorgt, damit er Napoleon schlagen konnte ... (Zu Nica:) Ich sage allen, wer du bist. Ich bin stolz auf dich."
"Seit Jahren reise ich regelmäßig nach New York für meine Arbeit und weil ich dort Freunde und Familienangehörige habe. Ich wohne dann jedes Mal in 'Cathouse', wie Monk ihr Haus nannte und lebe immer im Zimmer Nicas. Das Haus ist geräumig, hat aber nicht viele Zimmer. Eines Tages fand ich dort einige Kisten und Koffer voller Fotos – vor allem von Musikern und von Katzen."
Was die Nichte Nadine in Nicas Villa findet, sind Aufnahmen für das erste und einzige Buch der Baronin, "Die Jazzmusiker und ihre drei Wünsche". Thelonious Monks Sohn Thelonious Junior:
"Ich kann Ihnen nicht sagen, wie viele Rettungsaktionen für Musiker Pannonica unternommen hat. Wir gingen in eine Pfandleihe, um ein Instrument auszulösen, in ein Lebensmittelgeschäft, weil jemand nichts mehr zu essen hatte, in ein Immobilienbüro, um die Miete eines Musikers zu bezahlen, oder ins Krankenhaus, um jemanden zu besuchen, der niemanden mehr hatte. Nica war wie der Weihnachtsmann und Mutter Teresa in einer Person."
Viele Musiker widmeten der Baronin Kompositionen: heute berühmte Stücke wie "Nica's Tempo", "Nica's Dream", "Thelonica". Der Jazz und Nica wuchsen zusammen. Er wurde der Soundtrack ihres Lebens. Thelonious Monk:
"Ich würde gerne jetzt ein Stück spielen, dass ich vor nicht langer Zeit komponiert habe, für diese junge Lady hier. Es heißt 'Pannonica'."
Am 30. November 1988 ist Pannonica, die Jazz Baronin, nach einer dreifachen Bypass-Operation an Herzversagen in New York gestorben.