"Vonne Endlichkait" von Günter Grass

Wie ich Grass in Göttingen abholte

Fertig zum Abholen: Das letzte Buch von Günter Grass "Vonne Endlichkait"
Fertig zum Abholen: Das letzte Buch von Günter Grass "Vonne Endlichkait" © Deutschlandradio - Ann-Kathrin Büüsker
Von Ann-Kathrin Büüsker |
Grass' letztes Buch - "Vonne Endlichkait" - ist noch nicht im Handel. Auch will der Verlag an Kritiker keine digitalen Texte des Werks verschicken. Also hat sich unsere Reporterin aufgemacht, das Buch in Göttingen abzuholen.
"Nächster Halt: Hauptbahnhof…"
Kurz nach 5:00 Uhr morgens. Am Berliner Hauptbahnhof wanken die letzten Gestalten der Nacht müde nach Hause, während die ersten Frühaufsteher auf dem Weg zu Arbeit sind. Die Bahnhofshalle riecht nach frisch gebackenen Croissants.
Eigentlich könnte ja alles so einfach sein. Ein simples PDF-Dokument, schnell per Mail verschickt und unser Kritiker Jörg Magenau könnte direkt morgens um 8:00 Uhr Seite um Seite lesen. Wäre auch der übliche Weg, sagt Lesart-Redakteurin Barbara Wahlster.
"Normalerweise ist es durchaus so, dass sich die Verlage breitschlagen lassen, einem vorab ein PDF-Exemplar zuzuschicken, selbst Verlage die, bei herausragenden Autoren wie Salman Rushdie, die Bücher weltweit an einem Tag erscheinen lassen, selbst da kriegt man vorab ein Exemplar."
Der Steidl-Verlag verschickt aber keine PDFs. Grundsätzlich. Um Lesezeit zu gewinnen, hole ich das Buch selbst ab. Die Alternative wäre ein teurer Kurierdienst gewesen. 300 Euro aufwärts, Einzeltransport. Knapp zweieinhalb Stunden braucht der Zug von Berlin bis Göttingen. Das Abteil ist vor Sonnenaufgang so gut wie leer, die wenigen Passagiere schlafen. Um 8:15 Uhr haben wir Göttingen erreicht.
"Guten Morgen. In die Düstere Straße 4 bitte Zum Steidl Verlag."
Das Gebäude des Verlags liegt in einer kleinen Seitenstraße. Ganz unscheinbar. Es dauert eine Weile, bis ich das Klingelschild entdecke. Eine schmale, dunkle Treppe führt in den ersten Stock.
"Guten Morgen!"

Es ist 8:25 Uhr. Und, gab es schon einen Ansturm auf die Presseexemplare?
"Nein, Sie sind die erste"
Das neue Grass-Buch in den Händen
Matthias Wegener ist im Steidl-Verlag für Marketing und Vertrieb zuständig. Das neue Grass-Buch in Händen zu halten, sorgt bei ihm für gemischte Gefühle:
"Es ist einerseits ein schönes Gefühl , andererseits auch ein trauriges Gefühl. Wir haben die Produktion ja mit ihm begleitet noch fast bis zum Ende, zum Abschluss des Buches. Ich habe es gelesen noch, als es in der Manuskriptphase war. Jetzt ist es fertig, es ist sehr schön geworden. Einerseits freut man sich, andererseits ist es natürlich auch nochmal wieder eine Erinnerung an das traurige Ereignis."

Ich erhalte nicht nur das Buch für die Redaktion, Wegener holt noch ein weiteres Exemplar aus dem prall gefüllten Lager. In Sachen digitale Ausgaben wird sich der Verlag aber auch in Zukunft nicht so großzügig zeigen:
"Das machen wir aus leidvoller Erfahrung ungern. Weil es dann oftmals passiert, dass regelmäßig Redaktionen sich nicht an die Sperrfrist halten und es früher veröffentlichen. Andere, die es tun, sind dann zu recht ärgerlich auf uns, also lassen wir das lieber ganz."
Ich glaube, Grass hätte diese Konsequenz gefallen. Inzwischen ist es 10:00 Uhr – Abfahrt Richtung Richtung Heimat Berlin. Im Zug blättere ich durch die ersten Seiten. Aber ehrlich gesagt – einen Grass liest man nicht, wenn man so früh aufgestanden ist. Für ein Stündchen fallen mir im Zug die Augen zu.
Aufgeschlagen: Günter Grass "Vonne Endlichkait"
Aufgeschlagen: Günter Grass "Vonne Endlichkait"© Deutschlandradio - Ann-Kathrin Büüsker
13:00 Uhr – Ankunft im Funkhaus. Erstmal Aufatmen. Nun muss das Buch nur noch zu demjenigen, der es rezensieren soll.
"Wow!"
"Ja, dann frisch ans Werk – auspacken."
"'Vonne Endlichkait'. Ich schlage es auf. Da ist schon die erste Grass-Zeichnung, ein Vögelchen. Schön gemacht. Liegt relativ schwer in der Hand. Aber das ist nur der erste Eindruck."
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